Studie der Industrie- und Handelskammer:Grenzen des Wachstums

Gewerbegebiet  GADA

In den Gemeinden an der Autobahn 8 sind die Gewerbegebiete - wie hier Gada in Bergkirchen - regelrecht aus dem Boden geschossen. In Dachau werden gerade die letzten Areale verbaut, Karlsfeld sucht händeringend neue Flächen.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Wirtschaft in Stadt und Landkreis boomt, die Einwohnerzahl nimmt rapide zu. Doch es gibt kaum mehr verfügbare Gewerbeflächen - ein Problem, das besonders Dachau und Karlsfeld zu schaffen macht

Von Viktoria Grossmann, Dachau

Man kann es vielleicht auch positiv sehen: Im Landkreis Dachau kann nicht mehr viel Boden versiegelt werden. Er ist bereits zugebaut. Es gibt fast keine verfügbaren Gewerbeflächen mehr. Laut Industrie- und Handelskammer (IHK) ist der Bestand zwischen 2011 und 2016 um 60 Prozent gesunken. Das ist doppelt soviel wie im oberbayerischen Durchschnitt. Waren 2011 noch 54 Hektar verfügbar, seien es nun 22 Hektar. Die Stadt Dachau und die Gemeinde Karlsfeld kennen das. Sie haben schlicht kaum noch Platz übrig und wenn, dann sollten diese potenziell als Grünzug erhalten werden. An den Gemeinden an der Autobahn A 8 hingegen reihen sich die Gewerbegebiete auf. Bergkirchen, Sulzemoos, Odelzhausen. Hier wird Geld investiert und verdient. Trotzdem scheint laut den Berechnungen des IHK das Ende des Baubooms erreicht zu sein.

Dieser macht sich in Rekordzahlen aus dem Landkreis bei den Zahlen der Beschäftigten, der Wertschöpfung und der Arbeitslosenquote bemerkbar. Diese liegt seit Jahren stetig etwa einen Prozentpunkt unter der für ganz Bayern. Im Jahr 2016 zählte die IHK im Landkreis 39 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ist deutlich höher als im bayerischen und oberbayerischen Durchschnitt. Die meisten arbeiten in Handel, Verkehr und Gastronomie sowie im produzierenden Gewerbe und für Dienstleister. Die Anzahl der Beschäftigten ist innerhalb von fünf Jahren um 21,3 Prozent gestiegen. Auch, weil mehr Menschen in den Landkreis zogen, der im Großraum derjenige ist, der mit Abstand am schnellsten wächst: um knapp sieben Prozent seit 2010.

Schadet eine Ortsumgehung der Innenstadt?

Die Folgen, Wohnungsnot, Verkehrsinfarkt, Investitionsstau in den Kommunen werden auf allen Ebenen im Landkreis und darüber hinaus diskutiert. Viele Lösungen scheinen zu spät zu kommen. Etwa eine Debatte über einen weiteren S-Bahn-Halt Breitenau, der in Dachau und Karlsfeld Straßen entlasten soll. Die Bahn hat noch nicht einmal angefangen, darüber nachzudenken. Eine Ostumfahrung für Dachau soll erst von etwa 2021 an gebaut werden. Sinnvoll wird sie aber vermutlich erst durch eine angeschlossene Nordumfahrung, von dieser ist jedoch außer in Forderungen der Jungen Union derzeit gar keine Rede. Zudem ist der Sinn der Umgehungsstraßen umstritten. SPD, Grüne und Bündnis beharren im Stadtrat - meistens - auf ihren Positionen, dass mehr Straßen mehr Verkehr schaffen. Laut Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) ist zudem nicht klar, ob die Umgehungen nicht dem Ortskern schaden. Einerseits müsse der Verkehr durch die Stadt erschwert und verlangsamt werden, damit die Autofahrer die Umfahrung als Vorteil erkennen und nutzen. Andererseits darf für alle, die in die Stadt fahren wollen und müssen, der Weg nicht zu kompliziert sein. Denn dann stirbt die Innenstadt aus.

Weiteres Problem besonders für Dachau und Karlsfeld: Mit den Einwohnern wachsen die Aufgaben und damit die Ausgaben der Stadt. Diese stehen in beiden Kommunen in einem gewissen Missverhältnis zu den Einnahmen. Während kleinere Gemeinden wie Bergkirchen, Odelzhausen und Sulzemoos erhebliche Einnahmen durch Gewerbesteuern haben, diese aber teils nicht einmal sinnvoll anlegen können, fehlt es den großen Kommunen an diesen dringend benötigten Einnahmen für Investitionen in Straßen, Schulen, Kindergärten und Sportanlagen.

Das führt zu der paradoxen Situation, dass auch ein eigentlich umweltfreundlicher Oberbürgermeister verzweifelt nach Gewerbeflächen sucht, die noch ausgeschöpft werden können. Obwohl gleichzeitig mittlerweile selbst einigen CSU-Leuten klar wird, dass der Flächenfraß nicht ewig weitergehen kann und die Menschen Grünflächen brauchen und vor allem nicht noch mehr Verkehr. Wie Hartmann einmal in einem Bauausschuss erklärte, ist das aber auch ein Ergebnis der Gesetzeslage. Jede Kommune kümmert sich um sich selbst. Eine interkommunale Zusammenarbeit könnte helfen, etwa Gewerbeflächen zu konzentrieren und die Landschaft weniger zu zersiedeln.

Viele Kommunen möchten durch Bau- und Flächennutzungspläne, etwa in Dachau, das Wachstum beenden. Fragt sich, wo die Arbeitnehmer dann wohnen sollen. Wie eine Befragung der IHK in Betrieben schon früher ergab, zählt der Mangel an bezahlbarem Wohnraum mittlerweile zu einem Negativfaktor bei den Firmen im Landkreis. Selbst bauen will jedoch kaum jemand. Geld wird im Landkreis viel verdient und umgesetzt. Die Bruttowertschöpfung belief sich 2015 auf 3,4 Milliarden Euro. Sie stieg in den fünf Jahren davor um ein Drittel. Damit ist der Landkreis im Verhältnis so leistungs- und wachstumsstark wie die Stadt München und der Nachbarlandkreis Fürstenfeldbruck. Rund eine Milliarde Euro wurde 2015 im Bereich von Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleistungen sowie im Grundstücks- und Wohnungswesen verdient. Immerhin 774 Millionen Euro waren es in den Bereichen Handel, Verkehr und Lagerei, Gastronomie, Information und Kommunikation. Entsprechend hoch ist die Kaufkraft, die deutlich über dem bayerischen und auch leicht über dem oberbayerischen Schnitt liegt. Selbst die Anzahl der Übernachtungen im Landkreis ist seit 2010 überdurchschnittlich gewachsen.

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