Stromnetz:Pokerspiel für Karlsfeld

Der Gemeinderat erwägt, die Strom- und Gasnetze selbst zu betreiben. Aber ist eine Übernahme rentabel?

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Die Gemeinde Karlsfeld steht vor einer schwierigen Entscheidung: Soll sie das Strom- und Gasnetz auf ihrem Grund künftig selbständig betreiben oder diese Aufgabe weiterhin der Bayernwerk AG überlassen? Der Konzessionsvertrag für Strom läuft zwar erst Ende 2017 aus, der für Gas sogar erst 2018, doch sollte sich die Gemeinde zur Übernahme entschließen, stünden ihre schwierige Verhandlungen bevor, die sich über längere Zeit hinziehen könnten. Weil die Materie extrem kompliziert ist, hatte Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) den Experten Werner Weber vom Kommunalen Prüfungsverband aus München eingeladen. Doch die entscheidende Frage konnte auch er den Gemeinderäten nicht beantworten: Lohnt sich die Übernahme für Karlsfeld oder nicht?

Bis 2018 wird Karlsfeld voraussichtlich einen Schuldenberg von ungefähr 30 Millionen Euro angehäuft haben. Ein einträgliches Nebengeschäft mit dem Stromnetz wäre der Gemeinde da sehr willkommen. "Es ist eine gute Zeit, um Netze zu kaufen", sagte Weber, die Preise lägen derzeit recht niedrig. Er warnte aber auch: "Der Netzbetrieb ist kein Selbstläufer." Wer das Netz zu teuer erwerbe, zahle kräftig drauf. Die Gemeinde Olching tat das nicht, sie legte sich mit dem privaten Energieversorger an, es kam zum Rechtsstreit. Den verlor sie und blieb auf einer halben Million Euro Prozesskosten sitzen.

Vor solchen Szenarien graut es Karlsfelds Gemeinderäten, aber die einfachen, klaren Handlungsempfehlungen, die sie sich von dem Experten erhofften, bekamen sie nicht. "Ich denke, dass Karlsfeld kein unlukrativer Standort wäre", sagte Weber. Die Rahmenbedingungen seien günstig: Es gebe gut 10 000 Haushaltsanschlüsse und das in einem relativ kompakten Raum - aber zuverlässige Aussagen ließen sich erst nach einer gründlichen Netzbewertung treffen. Zur Instandhaltung und Wartung werde die Gemeinde etwa 15 Mitarbeiter benötigen, die jährlichen Betriebskosten gab er mit etwa einer Million Euro an. Aber auch diese Zahl, sagte er, sei nur eine ungefähre Schätzung der zu erwartenden Größenordnung. Schließlich komme es aber auch ganz entscheidend auf den Kaufpreis an: "Am Ende ist das immer ein Pokerspiel", sagte Weber.

Hinzu kommt, dass nach der Übernahme das kommunale Netz vom übrigen Stromnetz entflochten werden muss. Und das kann teuer werden. An den Endpunkten müssen Messzähler eingerichtet werden, die ermitteln, wie viel Strom tatsächlich durch das Karlsfelder Netz geleitet wird. Dabei müsse der Netzbetreiber den Strom "diskriminierungsfrei" behandeln, das heißt: "Sie müssen den Atomstrom aus Landshut genauso durchleiten wie den aus der heimischen Photovoltaik." Jeder Stromanbieter muss gleich behandelt werden. Dass die Gemeindewerke allein die komplette Stromversorgung übernehmen, hält Weber für unrealistisch.

In den 1990er Jahren waren Privatisierungen en vogue. Wirtschaftsbetriebe könnten die Infrastruktur effizienter und damit auch für die Bürger kostengünstiger betreiben, lautete die These. Inzwischen geht der Trend in die entgegengesetzte Richtung. Viele Kommunen sehen zentrale Infrastruktureinrichtungen lieber in den eigenen Händen und glauben auch, sie selbst besser instand halten zu können.

Werner Weber empfahl der Gemeinde, einen Mittelweg anzustreben: Der könnte so aussehen, dass die Gemeinde das Netz in Kooperation mit der Bayernwerk AG betreibt. Die Konzession ginge dann wieder an das Privatunternehmen, das dann aber ein Tochterunternehmen gründet, beispielsweise eine "Energienetze Karlsfeld GmbH & Co. KG". Abgesichert durch einen Konsortialvertrag könnte die Gemeinde dort 51 Prozent übernehmen und damit nomineller Mehrheitseigner werden.

Das Referat diente zunächst nur als Einführung in das Thema. In dem Gewirr aus juristischen und betriebswirtschaftlichen Fachtermini stießen die Kommunalpolitiker bisweilen an ihre Grenzen. Baureferent Günter Meikis (SPD) sagte es offen heraus: "Ich denke, dass wir hier als Gemeinderat überfordert sind, selbständig den richtigen Weg zu gehen." Die Fachleute werden der Gemeinde wohl die Richtung weisen müssen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: