Streifzug durch die Lokale:War's das?

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Das 22. Musik- und Kneipenfestival in Dachau könnte das letzte gewesen sein. Veranstalter Freddy Beyer klagt über zu wenig zahlende Besucher und eine erfolglose Nachfolger-Suche.

Von Julia Haas, Dachau

Das 22. Musik- und Kneipenfestival am Samstag in Dachau könnte das letzte gewesen sein. Wenn Veranstalter Manfred Beyer, genannt Freddy, keinen Nachfolger findet, dann war's das wohl. Von Abschied ist aber am Samstagabend während eines Streifzugs durch die Lokale der Altstadt noch nichts zu spüren.

Im ersten Stock der Kulturschranne sind bisher nur wenige Tische besetzt. Neue Besucher schwingen die Hüften, sobald sie durch die Tür kommen. Seit 21 Uhr läuft das Musik- und Kneipenfestival, in sieben Locations spielen sieben verschiedene Bands gleichzeitig. In der Schranne stimmt BeatHotel gerade das nächste Lied an. Vereinzelte Hände klatschen, die ersten Körper wippen. "Jetzt geht's los", sagt Simon Schlämmer. Der Dachauer steht allein an einem großen Stehtisch. Sein einziges Problem: Es gibt zu wenig weibliche Boogie-Tänzer. "Ich würd' jetzt auch tanzen, wenn eine Partnerin da wär", sagt er. Hinter ihm verlassen drei Frauen die Schranne. "Mir ist es da oben einfach zu heiß", sagt die eine. Die Freundinnen wollen ins Café Zaunkönig, dort spielt INN-Kognito. Das Trio steht auf einer Bühne im Garten, reißt das Publikum gerade mit in "The Boys of Summer". Sie spielen ihre ganz eigene Version, gefühlvoll und doch belebend. Hinter ihnen hängen Pinatas, Meerjungfrauen und Flamingos, daneben baumelt eine glitzernde Spiralgirlande. Das Repertoire des Trios reicht von den Rolling Stones über den Pina Colada Song und Bob Marley bis hin zu Andreas Bourani, alles so abgestimmt, dass es für zwei akustische Gitarren, dreistimmigen Gesang und ein Cajon passt. Ein Cajon erzeugt einen trommelähnlichen Klang, erinnert äußerlich aber an eine Holzkiste. Beim Dachauer Kneipenfestival ist die Band zum zweiten Mal dabei. "Oft sind die Leute für zwei Stunden weg - und am Schluss wieder da", sagen sie. Ein paar würden aber auch gleich hängen blieben. Wie eine Familie mit ihrer Tochter. Die Elfjährige spielt auch Cajon, holt sich in der Pause ein Autogramm von dem Trio. Beim Kneipenfestival spielt jede Band eine dreiviertel Stunde, dann ist fünfzehn Minuten Pause, damit die Besucher die Locations ohne Stress wechseln können. Als die Pause vorbei ist, fragen INN-Kognito ihre Zuschauer: "Hände hoch, wer ist dageblieben?" Viele heben ihre Hände. "Na gut, dann können wir das alte Set nicht noch einmal spielen."

Rock'n Roll: Als die Band The Hep Cats spielt, ist das Lokal voll und die Gäste tanzen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Im Muddy Boot röhren zur gleichen Zeit die Gangster Rocker Los Sopranos "Just a gigolo". Es ist voll, es ist heiß, alle tanzen. Die Gäste singen lauthals "cause i... ain't got nobody". Dass es für Ende April draußen noch angenehm warm ist, kümmert hier niemanden. Gegenüber sind die Sitzbänke vor der Schranne dafür gerammelt voll. Die Menschen trinken, unterhalten sich, genießen die Musik von allen Seiten - zahlen müssen sie im Biergarten dafür nicht.

Das Wetter ist ungünstig - immer

Ärgerlich für Veranstalter Freddy Beyer von der Rockschmiede Dachau. "Die Leute freuen sich, wenn sie Bands umsonst hören können." Mit dem Wetter hat er selten Glück: "Wenn es regnet, ist es schlecht, wenn es schön ist, ist es auch schlecht." Am nächsten Tag wird er sogar sagen, dass es dieses Jahr das schlechteste Festival überhaupt war. Seine Kassierer haben versucht, ein paar der Leute, die draußen sitzen, zum Zahlen zu bewegen, zwingen können sie niemanden. Der 56-Jährige wollte das Kneipenfestival schon vor fünf Jahren abgeben. Die Dachauer seien immer auf ihn zugekommen, dass so eine Institution weiter bestehen muss. Aber bei so einer Resonanz fehle ihm schlicht die Motivation. "Das war das letzte Mal", sagt er. E r glaubt, dass Dachau das gleiche Schicksal wie Altomünster treffen wird. Auch das dortige Kneipenfestival gibt es laut Beyer nun nicht mehr. Der gelernte Bauingenieur erzählt, dass er nach Abzug aller Rechnungen insgesamt etwa 100 Euro Gewinn gemacht habe. "Dafür arbeite ich doch kein halbes Jahr an der Organisation." Zudem laste alle Verantwortung auf ihm, und die Kosten für Gebühren und Genehmigungen stiegen jährlich. Von diesen Problemen wissen die meisten Besucher nichts. Eine Gruppe junger Leute sitzt auf der Terrasse des Kochwirts, auch dort hören sie die Musik. Einige haben ein Bändchen, viele nicht. Die Tochter von Simon Schlämmer sitzt ebenfalls dort, sie erzählt, dass sie gerade mit ihrem Papa im Corso Boogie tanzen war. Dass viele keinen Eintritt zahlen, könne sie verstehen. "Ich finde, es sollte einen Studenten- oder Schülerrabatt geben", sagt sie, "13 Euro ist einfach zu teuer". Dass die jungen Leute ausbleiben, merkt auch Freddy Beyer, er spricht von einem Generationenwechsel. "Die Älteren werden müde, schauen lieber Sportschau - und die Jüngeren erreicht man nicht."

Im Effe & Gold bekommen die Besucher des Kneipenfestivals Indie-Rock serviert. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Auch die Musiker im La Tapa sind nicht mehr Mitte zwanzig, aber immer noch voller Energie. The Tropicals sind zwei Männer aus Paraguay, einer aus Bolivien, alle drei tragen Hemden mit Palmenmotiv. Während an vielen Orten in der Altstadt am Samstag der Rock'n Roll dominiert, erinnert die Musik hier an Buena Vista Social Club. Eine Frau im schwarzen Kleid steht neben der Band und tanzt Salsa, nebenbei rührt sie in ihrem Sahnecocktail. Auch an der Bar wackeln auf einmal Hüften, als "Volare" im Takt der Congas erklingt. Der Mann hinter den Congas heißt Luis Del Castillo. Wenn er nicht gerade mit seiner Band auftritt, ist er Lehrer an der Musikschule in Garching, wo er auch lebt. "Wir spüren die Musik", sagt er. Lateinamerikanische Musik mache einfach Freude. Der 63-Jährige ist allerdings flexibel: "Ich spiel' auch mal Schlagzeug bei einem Blasorchester."

Die Band Take off your shirts spielt auf dem Festival Indie-Rock. (Foto: Niels P. Joergensen)

Es ist mittlerweile 24 Uhr. Im Corso spielen The Hep Cats Rock'n Roll. Zu "Blue Suede Shoes" von Elvis Presley kann keiner der Gäste im vollen Lokal mehr an sich halten, alle rocken mit. Einige Paare sind der Band sogar nach Dachau nachgereist und zeigen den anderen ihre professionellen Tanzfiguren.

"Besondere Anforderungen an die Bands"

Im Luja geht es mit Flo's Overdrive dagegen noch etwas rockiger zu, "Smoke on the water" tönt laut aus den Boxen. Der Schlagzeuger gibt alles, als hätte er gerade frisch angefangen zu spielen. "Das Kneipenfestival hat besondere Anforderungen an die Bands", sagt Freddy Beyer. Immerhin müssen sie hier nicht nur ein eineinhalbstündiges Konzert füllen, sondern von 21 Uhr bis 0.45 Uhr spielen.

Der Biergarten vor der Schranne ist voll. Im Freien zahlen Gäste keinen Eintritt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Indie Rock-Band Take off your Shirts aus Regensburg liebt diese Art der Auftritte und hat sich extra fürs Kneipenfestival beworben. Über das schöne Wetter machen sie sich keine Sorgen. "Wer gute Musik wirklich genießen will, geht irgendwann sowieso rein", sagt der Schlagzeuger. Außerdem könnte es ja noch wärmer sein, dann wär's noch schlimmer. Für Organisator Freddy Beyer dagegen geht es eigentlich nicht mehr schlimmer. Er ist frustriert - und muss einen Nachfolger finden.

© SZ vom 30.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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