Startbahn-Protest:Eine Region steht auf

Zehn Jahre dauert der Widerstand gegen den Bau der dritten Startbahn. Ihren Kampfgeist haben die Aktivisten von "Aufgemuckt" in dieser Zeit nicht verloren. Mit einem großen Familienfest wollen sie ihre Erfolge feiern

Von Kerstin Vogel und Leonie SANKE, Freising/Dachau

Zehn lange Jahre dauert er nun schon an, der Widerstand gegen den Bau einer dritten Startbahn am Münchner Flughafen. Doch wenn man den Aktivisten von "Aufgemuckt" so zuhört, dann haben sie an Kampfesmut in all dieser Zeit nichts eingebüßt - im Gegenteil. Zwar erwartet niemand, dass das ausstehende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zugunsten der Startbahngegner ausgehen wird. Trotzdem ist man optimistisch, den Ausbau des Flughafens auf politischem Weg noch verhindern zu können, wie es am Donnerstag bei einem Treffen von Aufgemuckt hieß. Notfalls würde man dazu wohl sogar einen weiteren Münchner Bürgerentscheid initiieren. Zunächst aber will man die bisherigen Erfolge feiern - mit einem großen Familienfest am 20. Juni in Attaching. "Das Fest ist keine Protestaktion, sondern eine Möglichkeit sich zu treffen und zu feiern", sagt Anton Speierl, Sprecher der Dachauer Initiative.

Es war der 27. Juli 2005, als die Münchner Flughafengesellschaft die Einleitung eines Raumordnungsverfahrens zum Bau einer weiteren Startbahn im Erdinger Moos ankündigte. Unter dem Motto "Die Region steht auf" rief das damals aus 13 Bürgerinitiativen bestehende Aktionsbündnis "Aufgemuckt" zum Widerstand auf - mit beachtlichem Erfolg. Mittlerweile angewachsen auf etwa 80 Bürgerinitiativen - darunter etliche aus dem Landkreis Dachau - hat der Zusammenschluss den Baubeginn für die dritte Startbahn bis heute verhindert - die Flughafenbetreiber hatten die Piste ursprünglich bereits 2010 fertig haben wollen.

Startbahn-Protest: Im Sommer 2013 hatte "Aufgemuckt" eine Kundgebung vor dem Dachauer Rathaus organisiert. Viele Startbahngegner aus dem Landkreis kamen.

Im Sommer 2013 hatte "Aufgemuckt" eine Kundgebung vor dem Dachauer Rathaus organisiert. Viele Startbahngegner aus dem Landkreis kamen.

(Foto: Toni Heigl)

Immer wieder gelang es dem Aktionsbündnis in den vergangenen zehn Jahren, die Menschen in der Flughafenregion auf die Straße zu bringen. 2006 zog eine Demonstration mit gut 10 000 Teilnehmern durch Freisings Straßen - während der damalige Minister Kurt Faltlhauser bei der FMG zeitgleich noch von "ein paar Krakeelern in Freising" sprach, wie Bündnissprecher Hartmut Binner am Dienstag erinnerte. Die Teilnehmerzahlen bei den folgenden Demonstrationen sprachen freilich eine andere Sprache. Nach Abschluss des Raumordnungsverfahrens 2007 protestierten am Münchner Odeonsplatz geschätzt 18 000 wütende Flughafengegner - vergeblich: am 9. Oktober 2007 begann das Planfeststellungsverfahren und alle weiteren Groß-Demonstrationen und Protestaktionen konnten nicht verhindern, dass das Verfahren seinen Lauf nahm.

Die Anhörungen zum Planfeststellungsverfahren dauerten von November 2008 bis März 2009 und forderten dem Aktionsbündnis einiges ab: Täglich versammelten sich 50 bis 800 Startbahngegner im Ballhausforum in Unterschleißheim, mehr als 600 Redner begründeten ihre Einwendungen an den Mikrofonen. Doch auch hier verhallt der Protest ungehört. Im Juli 2011 wurde der Planfeststellungsbeschluss und damit die Baugenehmigung erlassen.

Fast schien es, als wäre aller Widerstand vergeblich, doch bei den Startbahngegnern war unterdessen eine - wenn auch gewagte - Idee herangereift: Die Münchner Bürger sollten in einem Bürgerentscheid befragt werden, ob sie die Startbahn wollen. Lehnten sie den Flughafenausbau ab, so die Hoffnung, müsste die Stadt München als Anteilseignerin des Flughafens das Projekt im Aufsichtsrat ebenfalls ablehnen. Unterstützt von einigen Münchner Parteien, dem Bund Naturschutz und dem Landesbund für Vogelschutz sammelten Hunderte Aktivisten von Aufgemuckt zunächst die erforderlichen gut 31 000 Unterschriften für die Einleitung des Bürgerentscheids und machten sich dann daran, die Münchner über Sinn und Unsinn des Flughafenausbaus zu informieren. Trotz einer millionenschweren Gegenkampagne der FMG waren die Bemühungen dieses Mal von Erfolg gekrönt: Am 17. Juni 2012 sprach sich eine überraschend deutliche Mehrheit von 54,3 Prozent der Münchner gegen den Bau der dritten Startbahn aus.

Koa-Dritte-Fest

Mit viel Musik und Kabarett, gutem Essen und guter Laune wollen die Mitglieder des Aktionsbündnisses "Aufgemuckt" am Samstag, 20. Juni, auf dem Attachinger Sportgelände ihren jetzt zehn Jahre währenden, erfolgreichen Widerstand gegen den Flughafenausbau im Erdinger Moos feiern. Das "Koa-Dritte-Festival" dauert von 14 bis 22 Uhr. Zu Gast sind unter anderem die Well-Brüder, die Lokalmatadoren von "70 Cent", Otto Göttler und die Diatoniks sowie das "Grüne Kabarett". Für Kinder gibt es eine Hüpfburg, eine Kletterwand und andere Attraktionen und in der Sporthalle sollen die ganze Zeit über Bilder aus "zehn Jahren Kampf für Heimat, Mensch, Natur und Klimaschutz" gezeigt werden. Der Eintritt ist frei. vo

"Dieser gewonnene Bürgerentscheid ist ein gutes Faustpfand zur Verhinderung des Flughafenausbaus", sagt Anton Speierl. Denn sowohl der damals noch amtierende Münchner Oberbürgermeister Christian Ude wie auch sein Nachfolger Dieter Reiter bekannten und bekennen sich weiterhin zu dieser Entscheidung ihrer Bürger.

Weniger Erfolg war einer neben dem Bürgerentscheid gemeinsam mit dem Bund Naturschutz auf den Weg gebrachten bayernweiten Massenpetition beschieden, mit der auch den Bürgern außerhalb von München eine Mitsprache ermöglicht werden sollte. Zwar unterzeichneten 82 000 Bürger die Petition gegen den Flughafenausbau, deren Annahme wurde jedoch im Februar 2015 von der CSU-Mehrheit im Bayerischen Landtag abgelehnt.

Ähnlich enttäuschend war vom 20. März 2013 bis zum 19. Februar 2014 auch das Gerichtsverfahren gegen den Bau der Startbahn vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof verlaufen. Nach insgesamt 41 Verhandlungstagen, die von den Klägern und betroffenen Bürgern noch heute als "haarsträubend" und "menschenverachtend" beschrieben werden, wies der Vorsitzende Richter Erwin Allesch am 19. Februar 2014 alle 15 Klagen und über 180 Beweisanträge zurück und entschied zugunsten der Flughafenbetreiber. Eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgerichtshof in Leipzig sollte zudem nicht zulässig sein.

Dass die dagegen noch anhängige Nichtzulassungsbeschwerde von den Leipziger Richtern im Sinne von "Aufgemuckt" ausgeht, erwartet im Aktionsbündnis nun niemand - und man ist darauf ebenso vorbereitet wie auf eine mögliche Volksbefragung zu diesem Thema durch die Staatsregierung, wie es am Dienstagabend hieß. Man könne eine landesweite Gegenkampagne starten, sagte Rainer Pilz, der gleichwohl nicht glaubt, dass diese Befragung kommt. "Das traut sich die Staatsregierung nicht, weil sie hochkant verliert." All der Gegenwind sei jedoch kein Grund aufzugeben, so Speierl. "Wir bleiben dabei, weil wir überzeugt sind, gute Argumente zu haben und trotz allem weiterhin glauben, diese durchsetzen zu können."

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