Stammkunden sind empört:Adios, El Camino! Hallo, KJR!

Der spanische Feinkostladen in der Mittermayerstraße schließt, weil die Vermieter überraschend gekündigt haben.

Von Benjamin Emonts, Dachau

Miguel Alcantara de Alba blickt auf zwei erfolgreiche Jahre zurück. Sein Feinkostladen "El Camino" in der Mittermayerstraße hat sich nach jahrelangen Schwierigkeiten etabliert. "Ich kann endlich davon leben, die Leute sagen, ich bin der Beste", sagt Alcantara. "Wahrscheinlich, weil ich der einzige Spanier in der ganzen Umgebung bin." Der 66-Jährige hat den Humor nicht verloren, was bei seiner Geschichte keineswegs selbstverständlich ist. Vor weniger als zwei Wochen kamen die Vermieter in sein Geschäft. Nachdem sie die Heizung abgelesen hatten, teilten sie ihm mit, dass er den Laden nach zehn Jahren zum 30. April räumen muss, um Platz für den Kreisjugendring Dachau (KJR) zu machen. Ein entsprechendes Kündigungsschreiben, das aus drei Sätzen besteht, hatten die Männer gleich mit dabei. Es endet mit den Worten: "Wir hoffen auf Ihr Verständnis."

Miguel Alcantara traf die Kündigung völlig unvorbereitet, es gab vorher nicht einen Hinweis, der darauf hingedeutet hätte. Für ihn brach in diesem Moment alles zusammen. "Ich war unter Schock", sagt er. Seine Lebensgefährtin Roswitha Hatscher und er fürchten jetzt um ihre Existenz. Das Geschäft ist ihr Lebensinhalt und ihre einzige Einkommensquelle.

Der KJR: ein beständiger und zuverlässiger Mieter

Die zwei Vermieter, zwei Privatpersonen mit Hilgertshausener Anschrift, wollen unbedingt anonym bleiben, wie sie in mehreren Telefonaten betonen. Als Grund für die Kündigung führen sie an, dass sie mehr Raum für den Kreisjugendring (KJR) Dachau benötigen, den sie ebenfalls in dem Haus in der Mittermayerstraße 22-24 untergebracht haben. Die Eigentümer befürchteten, dass sie den KJR, für den das Landratsamt die Miete zahlt, als beständigen und zuverlässigen Mieter verlieren könnten, wenn sie nicht weitere Räumlichkeiten zur Verfügung stellen würden. Leidtragender ist der Feinkostladenbesitzer Alcantara, dessen Geschäft nun in Büroräume umgebaut werden soll. Der stellvertretende Leiter des Kreisjugendrings, Ludwig Gasteiger, sagt, dass man niemanden verdrängen wollte. Dem KJR sei ein gutes Angebot vorgelegt worden, dass er schließlich angenommen habe.

El Camino

Seit zehn Jahren bietet Miguel Alcantara in seinem Laden in Dachau spanische Spezialitäten an. Jetzt haben ihm die Vermieter gekündigt.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Alcantaras wachsende Stammkundschaft reagiert empört auf den Vorgang. Edith Pforr aus Dachau, die am Wochenende Geburtstag bei Alcantara gefeiert hat, sagt: "Ich bin entsetzt, dass er hier raus muss. Das El Camino ist etwas ganz Besonderes für Dachau." Stammkundin Petra Heil aus der Gemeinde Erdweg schreibt in einer E-Mail an die Süddeutsche Zeitung: "Es geht um eine Existenz. Es ist eine Frechheit, dass vorher nicht miteinander gesprochen wurde."

Im Landkreis Dachau und Umgebung ist das "El Camino" der einzige spanische Lebensmittelhändler. Alcantaras Kunden kommen teilweise aus München, Fürstenfeldbruck und Aichach. Es ist ein Geschäft, das eigentlich ganz nach dem Geschmack der Stadt Dachau sein dürfte, die vor wenigen Jahren das Ziel ausgab, ihre Altstadt durch Einzelhändler und Gastronomiebetriebe beleben zu wollen. Das El Camino ist Gastro und Einzelhandel in einem. Die Gäste, mit denen man spricht, schätzen die hausgemachte Paella ebenso wie die familiäre Atmosphäre in dem Feinkostladen, der abends zu einer Art Tapas Bar avanciert, in der geredet, gegessen und Wein getrunken wird.

El Camino

Der Feinkostladen "El Camino" ist bei vielen Dachauern sehr beliebt. Die Räume sind jetzt für den Kreisjugendring vorgesehen.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Rechtlich scheint alles in Ordnung zu sein

Zwar gingen die Vermieter rigide vor, doch rechtlich gesehen ist die Kündigung wohl nicht zu beanstanden, wie Wolfgang Winter vom Mieterverein Dachau erklärt. Demnach gelten für Wohnungsmietverträge völlig andere Modalitäten als für Gewerbeflächen. Während private Mieter gut geschützt sind und ein gravierender Grund vorliegen muss, um ein Mietverhältnis zu beenden, sind Gewerbetreibende deutlich leichter loszuwerden. "Gewerbliche Mietverhältnisse", so erklärt Winter, "können unter Einhaltung der gesetzlichen Frist jederzeit gekündigt werden, wenn sie auf unbestimmte Zeit geschlossen wurden." Gewerbetreibenden rät er dazu, die Dauer des Mietverhältnisses zeitlich festzulegen, um nicht das gleiche Schicksal wie Alcantara zu erleiden. Der hatte einen Fünfjahresvertrag vor vier Jahren abgelehnt, weil sein Laden damals nicht gut lief und er in eine unsichere Zukunft blickte. Seine Vermieter spielen darauf nun an. Sie seien nach der Absage davon ausgegangen, dass Alcantara flexibel sei, so sagen sie. "Es gibt ja Ladenflächen in Dachau. Er ist nicht alternativlos."

Alcantara sucht seit der Kündigung mit Nachdruck nach einer neuen Lokalität, aber bislang vergeblich. Ähnlich wie auf dem Wohnungsmarkt ist es auch bei Gewerbeflächen sehr schwer, ein günstig gelegenes und erschwingliches Plätzchen zu finden. Alcantara braucht ja nicht nur Verkaufsflächen, sondern auch eine kleine Küche und ein WC. Angeboten wurde ihm beispielsweise die vakante Sportgaststätte des SV Günding. Alcantara aber sagt: "Ich bin kein Wirt. Wir würden unsere Identität verlieren."

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