Stadtplanung:Gigantische Dimensionen

98 000 Quadratmeter Wohnfläche, 2300 Einwohner, 1200 Arbeitsplätze - die Dachau Entwicklungsgesellschaft legt dem Stadtrat für die MD-Industriebrache konkrete Pläne vor. Geschäftsführer Ullmann fordert Entscheidungen

Von Helmut Zeller, Dachau

Die Dachau Entwicklungsgesellschaft (DEG) reagierte sofort: Am Tag nach der Diskussion der Stadträte im Bauausschuss über die DEG-Pläne für die MD-Industriebrache ließ Bauträger Herbert R. Ullmann über sein Münchner Pressebüro erklären, dass die vorgestellten Planungen in enger Abstimmung mit der Stadt entwickelt worden seien. "So hat das von der Stadt beauftragte Planungsbüro beispielsweise eine Erhöhung der Randbebauung um ein Stockwerk vorgenommen, weil damit ein besserer Schallschutz für das gesamte Areal und seine künftigen Bewohner erreicht wird. Es wäre sicherlich hilfreich gewesen, wenn dies auch im Rahmen der Diskussion erwähnt worden wäre." Im Klartext: Fahrt mir nicht an den Karren, wenn ihr selbst eine verdichtete Wohnbebauung auf dem MD-Gelände vorgebt. Ein lauer Versuch zur Schadensbegrenzung, jetzt, nachdem die DEG die Katze aus dem Sack gelassen hat - und auf dem Gelände der ehemaligen Papierfabrik zu dicht und zu hoch bauen will.

920 Wohneinheiten entstehen nach dem jetzigen Plan, 2300 Einwohner, 1200 Arbeitsplätze - ein gigantisches Stadtviertel mit Wohnhäusern über vier bis fünf Stockwerke und Gebäuden im Misch- und Kerngebiet bis zu sechs und acht Stockwerken - eine Höherentwicklung im Vergleich zum Siegerentwurf des Architektenwettbewerbs von 2007, die das Planungsbüro der Stadt sicherlich nicht vorsieht. Schon gleich gar nicht die 15 Stockwerke hohen Wohnhäuser, bei deren Erwähnung die Stadträte im Bauausschuss deutlich ablehnend reagierten. Der Siegerentwurf vom Architektenbüro Trojan, Trojan und Partner, der für die Stadt die Grundlage jeder Planung sein sollte, sieht eine Wohnfläche von 59 000 Quadratmeter Größe auf dem 17 Hektar großen Areal am Fuße der Dachauer Altstadt vor. Der aktuelle Plan sieht 98 000 Quadratmeter Wohnraum vor - diese "Verdoppelung" hätte der Zweite Bürgermeister Kai Kühnel (Bündnis für Dachau) gerne erklärt gehabt. "Macht der Planer eigentlich das, was die Stadt will?"

Stadtplanung: Eine Luftaufnahme des ehemaligen Werksgeländes der MD-Papierfabrik, das mit seiner Größe von zentraler Bedeutung für die Stadtentwicklung ist.

Eine Luftaufnahme des ehemaligen Werksgeländes der MD-Papierfabrik, das mit seiner Größe von zentraler Bedeutung für die Stadtentwicklung ist.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Immerhin, die DEG-Gesellschafter, der Dachauer Bauträger Herbert R. Ullmann und Myllykoski, die finnische Eigentümer-Familie des Areals, haben nun endlich ihre Planungen vorgestellt. Im September 2013 hatte Ullmann die Stadträte noch mit einem nichtssagenden Papier verärgert. In seiner Pressemitteilung begrüßt Ullmann die Entscheidung des Bauausschusses, "sich ab sofort regelmäßig und intensiv mit der Überplanung des ehemaligen MD-Geländes in Dachau zu beschäftigen." Das klingt schon fast dreist, denn die Stadträte beschäftigen sich von jeher damit, aber irgendwie klappte das mit der Stadtverwaltung nicht so ganz.

Am Ende der Bauausschusssitzung entschuldigte sich Bauamtsleiter Michael Simon bei den Stadträten für ein Missverständnis. Er hatte offenbar angenommen, das Gremium wolle den endgültigen Plan der Bauherren vorgelegt bekommen. Nein, die Stadträte wären bei diesem zentralen Gelände für die Stadtentwicklung Dachaus gerne auch über die Einzelschritte der Planung informiert gewesen - und das werden sie jetzt auch auf Vorschlag von Günter Heinritz (SPD) in jeder zweiten Sitzung des Bauausschusses.

Stadtplanung: "Wir müssen wissen, ob wir die Industriebrache wirtschaftlich entwickeln können", sagt Bauträger Ullmann.

"Wir müssen wissen, ob wir die Industriebrache wirtschaftlich entwickeln können", sagt Bauträger Ullmann.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Das wird auch nötig sein, denn wesentliche Fragen sind nach wie vor ungeklärt: So warnte CSU-Stadtrat Christian Stangl eindringlich davor, klassische Gewerbeflächen auf dem MD-Areal auszuweisen. Es gebe keine nennenswerte Nachfrage nach Büroräumen, aber eine Reihe von einheimischen Betrieben, die erweitern wollten und in einem Mischgebiet gut untergebracht werden können. Dann der Einzelhandels-Komplex - eine Steuerung über das Sortiment hält etwa Stadtrat Günter Heinritz für ziemlich aussichtslos. Marktfähig sollen nach einem Gutachten 7700 Quadratmeter Verkaufsfläche sein, städtebaulich verträglich bis zu 14 000 Quadratmeter. Die jetzige Verkaufsfläche liegt gerundet bei etwa 12 500 Quadratmeter Größe. Schließlich die infrastruktuellen Folgekosten für die Stadt. Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) brachte es auf den Punkt: Wie viel Wohnen könne sich die Stadt überhaupt leisten? Für ein Stadtviertel dieser Dimension sind eine Schule nötig, Kindertagesstätten und weitere soziale Einrichtungen; außerdem soll ein Jugendkulturzentrum entstehen, ein Papiermuseum und nicht zuletzt will die Stadt den Wasserturm als Industriedenkmal erhalten.

"Als Grundstückseigentümer müssen wir Klarheit gewinnen, ob wir die Industriebrache trotz der immensen Altlasten wirtschaftlich sinnvoll entwickeln können", so DEG-Geschäftsführer Ullmann, "das geht nur, wenn wir die Vorstellungen der Stadt Dachau kennen." Aber die sind im Grundsatz dem Siegerentwurf zu entnehmen. CSU-Fraktionsvorsitzender Dominik Härtl sieht zwar, dass die aktuelle DEG-Planung mit dem ursprünglichen Entwurf strukturell übereinstimmt, was das Verhältnis von öffentlichen Flächen, Grünanlagen, Gewerbe und Wohnen angeht. Aber 15-stöckige Hochhäuser kommen für ihn und seine Fraktion nicht in Frage.

"Es ist nun dringend geboten, dass politische Entscheidungen an die Stelle von Absichtserklärungen treten", erklärt DEG-Sprecher Herbert R. Ullmann. Das klingt sehr brav und kooperationswillig. Aber die DEG muss ja nicht befürchten, dass der politische Entscheidungsprozess in einem grundsätzlichen Nein mündet.

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