Stadtplanung:Denkanstoß

Tabakfabrik Linz

Kein geringeres Vorbild als die Spanische Treppe in Rom hat man sich in Linz zum Vorbild für den Eingang genommen, der im Herbst fertig werden soll.

(Foto: Sonaar/oh)

Kann ein Kreativzentrum, das auf dem Gelände der ehemaligen Linzer Tabakfabrik entstanden ist, Vorbild für das MD-Areal in Dachau sein? Das österreichische Konzept klingt verheißungsvoll, doch die Unterschiede sind groß

Von Viktoria Großmann, Dachau

Das Bündnis für Dachau will nichts unversucht lassen, die Entwicklung des MD-Geländes doch noch in eine andere Richtung zu lenken. Das Vorbild: Die Tabakfabrik im oberösterreichischen Linz an der Donau. Seit 2009 werden dort keine Zigaretten mehr hergestellt, dafür nutzen neue kleine Agenturen und Firmen die ehemaligen Büros, es gibt Ausstellungen, Konzerte und Gastronomiebetriebe. "Alleine 2015 wurden bereits rund 260 000 Besucher bei mehr als 300 verschiedenen Veranstaltungen gezählt", vermeldet die Pressestelle. Man muss dazu sagen: Linz hat mehr als 200 000 Einwohner. Also mehr als viermal so viele wie Dachau. Andererseits ist das ehemalige Fabrikgelände aber auch viel kleiner als das in Dachau: Während es in Dachau je nachdem, welchen Umgriff man rechnet, zwischen 15 und 17 Hektar sind, ist das Linzer Areal gerade mal 3,8 Hektar groß.

Das Bündnis hat das Gelände besichtigt und für Mittwoch, 8. Juni, 19.30 Uhr, den Geschäftsführer der Entwicklungs- und Betriebsgesellschaft der Tabakfabrik, Markus Eidenberger, zu einem öffentlichen Gespräch ins Thoma-Haus eingeladen. Mit den jetzigen Plänen zum MD-Gelände ist das Bündnis, das vier Stadtratsmandate hält, nicht einverstanden. Grüne und SPD hatten dafür gestimmt, einen Teil des Areals als Gewerbegebiet auszuweisen. Die CSU hält an der Idee des Kerngebiets fest und konnte sich damit auch durchsetzen. Das Bündnis bevorzugt nach wie vor die radikale Variante: 100 Prozent Gewerbegebiet. Nur das bringe der Stadt die dringend nötigen Einnahmen. "Ich bin der Überzeugung, ein Wohngebiet auf dem MD-Gelände können wir uns nicht leisten", sagt Bürgermeister Kai Kühnel. "Das überfordert uns." Daran ändere auch die neu eingeführte sozialgerechte Bodennutzung nichts.

Eine Position, die im Stadtrat nicht mehrheitsfähig ist. Die CSU mahnt stets, bei allem Fortschritt im städtischen Wohnbau nicht zu vergessen, Platz für private Bautätigkeit zu schaffen. Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) erklärte wiederholt, er wünsche sich für das MD-Gelände eine "ausgewogene Mischung aus Wohnen, Gewerbe, Einzelhandel, Grünflächen und öffentlichen Nutzungen".

Hinter dem Denkanstoß, den das Bündnis nun liefert, steht aber noch ein anderer Wunsch, der auch immer wieder auf der Bürgerbeteiligung vor einem Jahr zu hören war. Die Stadt möge das Gelände kaufen und selbst entwickeln. Das hat man in Linz getan: 2009 schließt der damalige Besitzer Japan Tobacco International den Betrieb, im selben Jahr kauft die Stadt das Gelände und die Gebäude für 20,4 Millionen Euro und gründet eine eigene Entwicklungs- und Betreibergesellschaft, die zunächst mit einem Stammkapital von 35 000 Euro ausgerüstet wird. Dass Linz 2009 als europäische Kulturhauptstadt im Interesse der internationalen Öffentlichkeit steht, mag mit ausschlaggebend für die Entscheidung sein. Zudem ist das Areal die längste Zeit ohnehin in Staatsbesitz gewesen. Die Austria Tabakwerke wurden erst um die Jahrtausendwende privatisiert, danach ging es schnell bergab.

Die Linzer Fabrikanlage wird von den denkmalgeschützten Gebäuden im Stil der Neuen Sachlichkeit geprägt, die nach Plänen von Peter Behrens und Alexander Popp Anfang der Dreißigerjahre gebaut wurden - Behrens baute unter anderem auch auf dem Berliner Alexanderplatz. Schon damals war die Anlage Bestandteil der Stadtplanung. Ganz anders als in Dachau, in der Industriegelände und Stadt nebeneinander her wuchsen. Kühnel und seine Fraktionskollegen beeindruckt jedoch der Erfolg des Kreativquartiers, auf dem bisher 300 Arbeitsplätze entstanden sind. Laut Betreiber gibt es derzeit mehr Mietanfragen als Räume. Seit 2014 erwirtschafte man im Veranstaltungsbetrieb und aus den Vermietungen Gewinne.

Kühnel schlägt vor, die MD-Verwaltungsgebäude wieder zu nutzen. Denn noch einen Vorteil sieht er, wenn keine Wohnungen gebaut werden: Dann müssten auch keine Altlasten entsorgt werden. Die Diskussion um deren teure Entsorgung nennt Kühnel "Taktik". Die Stadt solle als Käufer abgeschreckt werden. Das eigentliche Problem ist wohl eher, dass das Gelände gar nicht zum Verkauf steht.

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