Sinfonieorchester Karlsfeld:Atemberaubend

Das Konzert im Advent des Karlsfelder Sinfonieorchesters bringt zwei Solistinnen ins Bürgerhaus, die Musiker, Dirigent Bernhard Koch und das Publikum gleichermaßen begeistern: Harfenistin Barbara Eckmüller und Oboistin Alexandra Hajdu

Von Adolf Karl Gottwald, Karlsfeld

Die Idee von Bernhard Koch, die Adventskonzerte seines Karlsfelder Sinfonieorchesters in der Kornelius-Kirche durch "Konzerte im Advent" im Karlsfelder Bürgerhaus zu ersetzen, kann man gar nicht hoch genug preisen. Aus meist bemüht barockem Musizieren wurden einfallsreiche, oft sogar mitreißende Konzerte. Heuer war es bei sehr solider Leistung des Orchesters das Programm und vor allem das Auftreten zweier hochbegabter junger Solistinnen, was zu einem außerordentlichen Erfolg führte.

Zuerst stellte sich die junge Harfenistin Barbara Eckmüller aus Landau an der Isar, die aber bald im Landkreis Fuß fassen wird, mit einem Harfenkonzert von Georg Christoph Wagenseil vor. Ihr Spiel war von technischer Perfektion und hoher Musikalität geprägt. Wagenseil ist in die Musikgeschichte als der wohl wichtigste Vorläufer von Joseph Haydn in Wien eingegangen, vor allem aber durch eine von Leopold Mozart überlieferte Anekdote.

Als der sechsjährige Wolfgang Amadeus am Wiener Hof dem Kaiser und der Kaiserin vorspielen durfte, verlangte er nach dem damals berühmten Pianisten Georg Christoph Wagenseil, dem Klavierlehrer von Kaiserin Maria Theresia und deren Kindern: "Der soll herkommen, der versteht es." Zu dem schnellstens Herbeigerufenen sagte er: "Ich spiele ein Konzert von Ihnen, Sie müssen mir umwenden." Aber wie sich ein Konzert von Wagenseil anhört, konnte erst jetzt in Karlsfeld erlebt werden. Man darf natürlich nicht an die Virtuosität des späteren Mozart oder Beethovens denken, man muss sich auch als Zuhörer in den musikalischen Gehalt des Werkes versenken und entdeckt dabei im klanglich relativ dünnen musikalischen Satz - die Harfe wird nur vom Streichorchester begleitet - Harmonie und Schönheit. Barbara Eckmüller als Solistin und Bernhard Koch als der musikalische Leiter ließen das Publikum durch ihre sehr musikalische "Zubereitung" auf den Geschmack kommen.

Sinfonieorchester Karlsfeld: Das Programm ist offener und besser geworden.

Das Programm ist offener und besser geworden.

(Foto: Toni Heigl)

Das beglückendste Stück im ersten Teil dieses Konzerts im Advent aber war die Zugabe der jungen Harfenistin, ein Stück von Alfred Artmeier, das seinem Titel "Welch herrliche Nacht!" in idealer Weise gerecht wird. Barbara Eckmüller hat von dem erst vor Kurzem verstorbenen nahezu 90-jährigen Komponisten noch persönlich Tipps für die Interpretation erhalten. Schöner als sie kann man dieses Harfensolo wohl nicht mehr spielen.

Die zweite große Entdeckung dieses Konzertabends war die junge Oboistin Alexandra Hajdu aus einer ungarisch-polnischen Familie. Sie spielte ein "Concerto sopra motivi dell'opera ,La favorita' di Donizetti" von Antonio Pasculli. Ihr Auftritt war derart atemberaubend, dass einem zunächst gar keine Luft blieb, sich zu fragen, was es mit dieser Musik eigentlich auf sich hat, was sie mit Donizetti zu tun hat und wer wohl Antonio Pasculli war. Alexandra Hajdu stellte sich mit ungemein schönem Oboenton vor und blies dann die unerhört virtuosen Kadenzen und Variationen des Werks mit schier unglaublicher Kraft und Sicherheit. Dieser Antonio Pasculli muss ja ein Teufelskerl von einem Oboer gewesen sein! Man muss doch davon ausgehen, dass er diesen Oboenmarathon seines Concertos selbst gespielt hat. Bernhard Koch erzählte, dass der jetzige Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker als Hobby ein Rennrad gebaut habe, dem er den Namen "Pasculli" gegeben hat. Das sagt alles.

Das erste und letzte Wort dieses Konzerts im Advent hatte natürlich das Karlsfelder Sinfonieorchester. Es begann mit einer Sinfonia von Johann Christian Bach, dem jüngsten und musikalisch fortschrittlichsten Sohn von Johann Sebastian Bach. Die gediegene, sehr schöne Aufführung in gemäßigten Tempi bestätigte das Urteil eines seiner Zeitgenossen voll und ganz: "Natürlicher Fluss der Gedanken, liebliche Melodien, reiche Instrumentenkenntnis." Im zweiten Satz sind die Blasinstrumente des Orchesters, allen voran die Oboe, reichlich bedacht; die Bläser des Karlsfelder Orchesters bewältigten ihre Soli tadellos.

Sinfonieorchester Karlsfeld: Die Entscheidung des Sinfonieorchesters Karlsfeld die Konzerte im Advent von Korneliuskirche in das Bürgerhaus zu verlegen, war eine sehr gut Idee.

Die Entscheidung des Sinfonieorchesters Karlsfeld die Konzerte im Advent von Korneliuskirche in das Bürgerhaus zu verlegen, war eine sehr gut Idee.

(Foto: Toni Heigl)

Mit einer Aufführung von zwei freundlichen Sätzen aus der sogenannten "Reformations-Sinfonie" von Felix Mendelssohn Bartholdy erinnerten Bernhard Koch und sein Karlsfelder Orchester an das gegenwärtige Martin-Luther-Jahr, mit der Aufführung der pastoralen Sinfonia zum zweiten Teil von Bachs Weihnachtsoratorium eher ein bisschen an ihre Adventskonzerte in der benachbarten Kornelius-Kirche. Nach Mendelssohns "Reformations-Sinfonie" spielten die Karlsfelder "Preludio et Introduzione" zu der Oper "L'elilsir d'amore" von Gaetano Donizetti. Das war musikalisch reizvoll, historisch dagegen völlig daneben. Nach der Reformation tranken die reformierten und die katholisch gebliebenen Christen in Deutschland keinen Liebestrank miteinander, sondern schlugen sich erst einmal 30 Jahre lang in christlicher Nächstenliebe gegenseitig die Schädel ein.

Mit dem letzten Stück des Programms aber erinnerte das Sinfonieorchester an die Zeit, als Ostern noch grün und Weihnachten noch weiß war und man im Winter noch auf zugefrorenen Seen Schlittschuh laufen konnte. Es war der Walzer "Die Schlittschuhläufer" von Emile Waldteufel - ein Ohrwurm dieser Zeit. Für uns ist so etwas heute ein "Winter Wonderland". Das war auch der Titel der vom Publikum begeistert aufgenommenen Zugabe.

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