Schwabhausen:Sarkastischer Jahresrückblick

Holger Paetz beim Alten Wirt

Holger Paetz kann sich über die Politik noch amüsieren.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Holger Paetz auf der Bühne des Gasthofs zur Post

Von Renate Zauscher, Schwabhausen

Keine Frage: Aus kabarettistischer Sicht war das Jahr 2016 eine Steilvorlage. Holger Paetz hat es Revue passieren lassen. "So schön war's noch selten" heißt der beziehungsreiche Titel seines aktuellen Programms, das vor allem eines deutlich macht: Paetz ist ein manischer Sammler. Er sammelt alles, womit er seine These vom Irrsinn der menschlichen Existenz und des menschlichen Miteinanders unterfüttern kann.

Fündig wird Paetz in den Medien ebenso wie auf der Straße oder bei den vielen Bahn- und Autofahrten zu seinen Auftrittsorten; auf Seite eins der Tageszeitungen ebenso wie in den Leserbriefspalten und bei den vielen Gelegenheiten des täglichen Lebens, bei dem man dem Volk aufs Maul oder auch ins - allzu oft vernebelte - Hirn schauen kann.

Dann aber setzt ein, was den Kabarettisten vom Alltagsmenschen unterscheidet: Die Fundstücke werden auf ihren satirischen Gehalt und ihre kabarettistische Verwertbarkeit hin untersucht. Und dieses Potenzial ist fast immer ganz gewaltig. Um keine Zweifel aufkommen zu lassen: Wirklich lustig findet Holger Paetz wohl nur das Wenigste von dem, was er da so im Laufe eines Jahres sieht und erlebt und zuletzt in sein Programm hineinpackt. Weder das Böhmermann-Gedicht ("ein rassistischer Scheissdreck") noch die Partei der "alten Männer" und der Angstbürger, die da so plötzlich nach oben gekommen ist und uns vielleicht noch eine ganze Weile zu schaffen machen könnte. Und natürlich findet Paetz auch den Frauenverächter und "wandelnden Herrenwitz" Trump nicht lustig, der Seehofer angeblich begeistert, weil er "Klartext" redet. Apropos Trump: Ob er "der Merkel wohl auf den Hintern hauen wird" beim ersten Treffen und der sonst immer nur "drohende" Seehofer sich "davon eine Scheibe abschneiden wird?"

Holger Paetz, der schmale Mann im dunklen Anzug, gibt sich auf der Bühne den Anschein cooler, manchmal etwas manierierter Lässigkeit. Aber er kann auch anders, wird wütend, und seine bitterbösen Scherze über Gott und die Welt kommen in so rasantem Stakkato daher, dass sich das Publikum zuweilen überfordert fühlen muss. Ein scharfer Seitenhieb, ein zynischer Witz jagt den anderen, kein Politiker, kein Fußball-Heiliger, der verschont würde. Zum Atemschöpfen kommen die Zuhörer in der Post immer erst dann, wenn Kabarettist Paetz ein kleines rotes Büchlein zückt und das ein oder andere Gedicht daraus vorträgt.

Eigene Gedichte, versteht sich: stichwortartig konstruierte, sich reimende, zuweilen sehr witzige Texte, in denen Paetz den banalen Alltag an der Autobahn-Raststätte oder am Frühstücksbüffet der immer gleichen, mittelmäßigen Hotels aufs Korn nimmt, in denen er absteigen muss. Wunderbar sind aber auch die Dialoge, die der "Mann auf der Straße" mit seinesgleichen hält: Darüber etwa, ob Burka und Niquab verboten werden müssten, weil sie "schlechte Laune" machen, oder ob einem ein Veganer am Tisch den Appetit verdirbt und deshalb gar nicht erst eingeladen werden sollte.

Die Freude am Weihnachtsbraten allerdings hat Holger Paetz seinen Zuhörern persönlich verdorben: Mit einem Gedicht auf das "arme, arme Federvieh", das dafür sein Leben lassen muss. Kann also gut sein, dass Paetz sogar selber Veganer ist. Ganz sicher ist er ein überzeugter Weihnachtsverächter.

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