Schwabhausen:Leben mit dem Schmerz

Schwabhausen: Auch der Glaube hat Sabine Grund geholfen. Ohne diesen, sagt sie heute "wäre ich nicht mehr aufgestanden".

Auch der Glaube hat Sabine Grund geholfen. Ohne diesen, sagt sie heute "wäre ich nicht mehr aufgestanden".

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Sabine Grund aus Schwabhausen hat einen Weg gefunden, die Trauer in ihren Alltag zu integrieren: Nach dem Tod ihrer sechsjährigen Tochter Leonie engagiert sie sich für das Kinderhospiz Sankt Nikolaus in Memmingen

Von Renate Zauscher, Schwabhausen

Ein Kind zu verlieren gehört mit Sicherheit zum Schlimmsten, was Eltern widerfahren kann. Und nicht jede Mutter oder jeder Vater kann oder will über einen solchen Schicksalsschlag sprechen: Um im Alltag weiter funktionieren zu können, wird Trauer oft genug verdrängt. Sabine Grund geht anders mit ihrer Trauer um. Die in Schwabhausen lebende Geschäftsfrau hat das zweitälteste von vier Kindern verloren, als es sechs Jahre alt war: Leonie starb 2005 an Krebs. Im Jahr nach Leonies Tod begann Sabine Grund, sich für das Kinderhospiz Sankt Nikolaus in Memmingen zu engagieren, das damals gerade im Bau war und 2007 eröffnet wurde. Jedes Mal, wenn bei einer Benefizveranstaltung für das Hospiz oder bei einer Scheckübergabe von Leonie gesprochen wird, ist Sabine Grund wieder mit dem Verlust der Tochter konfrontiert.

Für Außenstehende ist es zunächst überraschend, mit welcher Offenheit die Mutter mit diesem Verlust umgeht. Dann aber beginnt man zu verstehen: Dass der Schmerz für die Eltern, die Geschwister und sicher auch die Großeltern zwar riesig war, dass Sabine Grund aber Wege gefunden hat, diesen Schmerz in ihr Leben zu integrieren und wieder hineinzufinden in einen ebenso fordernden wie erfüllenden Alltag.

Leonie war fünf Jahre alt, als sich erste Anzeichen der Krankheit bemerkbar machten und die Ursache im Haunerschen Kinderspital in München schnell erkannt wurde. Es folgten drei Operationen und mehrere Chemotherapiezyklen, bis sich zuletzt abzeichnete, dass nichts mehr helfen würde: Nach neun Monaten starb Leonie am Nikolaustag 2005. Wenn Sabine Grund von diesen neun Monaten erzählt, dann berichtet sie nicht nur von dem, was das Kind und die Eltern an Schlimmem in dieser Zeit durchgemacht haben, sondern durchaus auch von Schönem. Von einer ungeheuren Kraft, die ihre Tochter besessen habe, erzählt die Mutter, von der Stärke, die sie selber aus der Haltung des Kindes bezogen habe. So klein Leonie auch war, als sie erkrankte: Die Eltern haben offen mit ihr geredet, zuletzt auch über das Sterben. Und sie hatten den Eindruck, dass diese Offenheit auch das Kind entlastet hat, das intuitiv über seinen Zustand Bescheid wusste. "Leoni hat eine Verbindung nach oben gehabt", davon ist Sabine Grund überzeugt. Schon nach der ersten Operation habe Leonie begonnen, nicht mehr wie vorher Bäume, Häuser oder Blumen zu malen sondern Engel, und das Kind sei sich sicher gewesen: "Wir sehen uns wieder".

Heute ist Sabine Grund dankbar, dass sie die Zeit hatte, sich von Leonie zu verabschieden: "Ich habe ihr alles sagen können, was mir wichtig war." Nebenbei führte sie Tagebuch, damit die damals sieben, drei und ein Jahr alten Geschwister von Leonie, die in dieser Zeit manchmal zu kurz kamen, später die Entscheidungen und Gefühle der Eltern verstehen können. Sabine Grund bekam Hilfe von Freunden, Verwandten und vielen Menschen in ihrer Gemeinde Schwabhausen. Geholfen hat ihr aber auch ihr Glaube: Ohne diesen, sagt sie heute "wäre ich nicht mehr aufgestanden". Und auch die Verantwortung für den Rest der Familie hat ihr geholfen: "Ich habe weitergemacht für meine Kinder." Die Kraft hat Sabine Grund erst drei Jahre später verlassen, als sie plötzlich an einer Depression erkrankte. Die Kraft kam wieder, und heute reicht sie nicht nur für die Familie und für die Mitarbeit im Geschäft ihres Mannes, sondern auch noch für ihr ehrenamtliches Engagement für das Kinderhospiz im Allgäu, der einzigen Einrichtung dieser Art in Süddeutschland. Es sei ein Ort, wo Eltern kranker und behinderter Kinder sich erholen und wieder neue Kraft schöpfen könnten, sagt Sabine Grund.

In Schwabhausen und darüber hinaus "steht mein Name in Verbindung mit dem Hospiz, das ist zum Selbstläufer geworden". Die Leute würden sie persönlich kennen und wüssten, dass gespendetes Geld in vollem Umfang an das Haus geht. Sabine Grund strickt und häkelt für das Hospiz, verkauft die Kuh "Liesel" für den guten Zweck, geht zu Benefizveranstaltungen und spricht über die Einrichtung. Leonie ist an einem Nikolaustag gestorben, und ihre Mutter sieht es als Fügung an, dass das nur ein gutes Jahr später eröffnete Haus den Namen St. Nikolaus bekam. Dahinter steht die Überzeugung, dass auch das Schicksal ihres Kindes mit einer vorbestimmten Fügung zu tun hatte. Sie glaubt: "Vielleicht war es von Anfang an so ausgemacht, dass wir uns nur kurze Zeit haben sollten." Sie habe akzeptiert, dass das "der Weg war, den wir gehen sollten". Und deshalb habe sie sich auch nie die Frage gestellt: "Warum gerade wir?"

Ein erster Dachauer Palliativtag findet am Samstag, 2. Mai, statt. Ziel ist es, Aufmerksamkeit zu schaffen, Information zu bieten und Fachwissen zu vermitteln. Beginn im Ludwig-Thoma-Haus ist um 17 Uhr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: