Schwabhausen:Einwandfrei, der Dings

Schwabhausen: Rolf Miller erklärt dem Publikum im Gasthof zur Post seine Sicht der Welt - verquer und amüsant.

Rolf Miller erklärt dem Publikum im Gasthof zur Post seine Sicht der Welt - verquer und amüsant.

(Foto: Toni Heigl)

Kabarettist Rolf Miller als Meister der Halbsätze in Schwabhausen

Von Renate Zauscher, Schwabhausen

Hat sich Rolf Miller tatsächlich tätowieren lassen, um den prolligen Typen, den er auf der Bühne gibt, noch authentischer wirken zu lassen? Was auf den ersten Blick echt aussieht, stellt sich dann aber doch als Attrappe heraus: Miller zieht seine "Tattoos" unter dem Gelächter der Zuschauer im Schwabhausener Gasthof zur Post von den Armen. Immerhin einen Moment lang konnte er sein Publikum austricksen. Dabei hat Rolf Miller solche Extras gar nicht nötig. Allein mit Gestik und Mimik verkörpert er überzeugend den Kerl von schlichtem Gemüt. Breitbeinig und lässig nach hinten gelehnt lümmelt er sich auf das einzige Bühnenrequisit, einen Stuhl, und lässt die Wasserflasche, aus der er hin und wieder einen Schluck nimmt, vor dem geistigen Auge des Betrachters zur Bierflasche mutieren. Dazu kommt Millers hohe Kunst, den Gesichtsausdruck ganz seiner Kunstfigur anzupassen und damit zusätzliche Wirkung zu erzielen.

Und dann ist da noch Millers Sprache: ein heftiger, breiter Odenwald-Dialekt aus dem Länderdreieck zwischen Hessen, Franken und Baden. In ihm lässt Miller seinen Antihelden über Gott und die Welt palavern: über den Murat vom Handy-Laden ("Türke, aber fachlich einwandfrei"), über den Achim und den Jürgen, seines Zeichens Türsteher und Museumsmitarbeiter, der aufpasst "dass der Picasso nicht vom Haken fällt", über seine Ex, die einen Neuen hat, über Erdoğans Wähler ("Freilandhühner, die für Käfighaltung gestimmt haben") und über zahllose andere Dinge, die dem Mann auf der Bühne während zwei Stunden so durch den Kopf gehen. Das meiste kommt in Halbsätzen daher, und auch die bringen wegen Millers breiten Genuschels und Verschluckens ganzer Silben manchen Zuhörer an die Grenzen seiner Auffassungsgabe. Höchste Konzentration ist deshalb gefragt, wenn man Millers Gedankenfluss folgen will. Aber es lohnt sich, genau hinzuhören. Inmitten von Halbgesagtem und Halbgedachten blitzen immer wieder witzige Wortgebilde und höchst originell formulierte Einsichten auf. Ein schönes Beispiel ist der höchst bedenkenswerte Satz, dass man "nicht immer alles glauben darf, was man denkt". Keineswegs alles nämlich, was Millers Antiheld so zum Besten gibt, soll lediglich lustig sein. Hinter verqueren Wortbildern und falsch angewendeten Redewendungen verbirgt sich durchaus auch ironische Kritik an unserer Gegenwart. So etwa, wenn sich Millers Bühnengeschöpf über Veganer auslässt, die "nicht essen, sondern sich bloß ernähren". Die Ernährung nämlich "hats früher net gebe - wir ham gesse, was da war", erinnert sich Miller unter lautem Publikumsbeifall.

Überhaupt das Erinnern: Die Achtzigerjahre, "die 1998 zu Ende waren", das war Millers Zeit. Wer sich heute noch an die Achtziger erinnere, "der hat sie nicht erlebt", resümiert Miller mit schöner Ironie. Und dann war und ist da natürlich der Fußball, im echten wie im Bühnenleben, weshalb jeder, der Millers Programm mit dem schönen Titel "Alles andere ist primär" verstehen will, möglichst fit auf diesem Gebiet sein sollte.

Wie viel seine Kabarettkarriere mit dem Fußball zu tun hat, erklärte Rolf Miller quasi als Zugabe zum Ende seines Auftritts. In Interviews mit Fußballern hätte er "bloß mitschreiben müssen", um genügend Stoff für seine Programme zu haben. Sätze wie etwa der eines Stars der Fußballszene, er fühle sich "nicht so wichtig wie ich bin", sind mittlerweile bereits zu Klassikern geworden - und inspirieren Miller immer wieder aufs Neue.

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