Schönbrunn:Erschütternde Erkenntnis

Generaloberin Benigna Sirl stellt ein Buch über die Rolle von Schönbrunn im Nationalsozialismus vor.

Anna Schultes

Die neuesten Erkenntnisse über die Behinderteneinrichtung in Schönbrunn zu deren Rolle im Nationalsozialismus waren für den Orden der Franziskanerinnen und die heutigen Mitarbeiter erschütternd. Denn Prälat Joseph Steininger war nicht der NS-Widerstandskämpfer, als den er sich nach dem Zweiten Weltkrieg selbst darstellte. Vielmehr war er aktiv am Euthanasieprogramm beteiligt. Auf einem Symposium in Schönbrunn vor einem Jahr stellten Historiker ihre Forschungen erstmals der Öffentlichkeit vor. Jetzt erscheint ein Buch in der Reihe Schriften des Archivs des Erzbistums München und Freising, das die Ergebnisse zusammenfasst. Das Buch "Die Assoziationsanstalt Schönbrunn und das nationalsozialistische Euthanasie-Programm" enthält die Texte des Kolloquiums vom 28. Oktober 2010 sowie weiterer Veranstaltungen in der Behindertenhilfeeinrichtung in Schönbrunn bei Dachau, die sich mit den Forschungsergebnissen befassten. Der Band wird von Schwester Benigna Sirl, Generaloberin der Fransziskanerinnen von Schönbrunn, und Peter Pfister, Leiter des Archivs des Erzbistums München und Freising, herausgegeben und am Freitag, 28. Oktober, 11 Uhr, im Lesesaal des Archivs (Karmeliterstraße 1, Eingang Pacellistraße, München) vorgestellt. Erst seit 2007 sind die Akten des Franziskuswerks Schönbrunn aus der Zeit des Nationalsozialismus zugänglich und werden derzeit in zwei Doktorarbeiten aus historischer und medizinhistorischer Sicht untersucht. Etwa 900 Menschen mit Behinderung wurden zwischen 1939 und 1945 aus dem Franziskuswerk verlegt, größtenteils in das Bezirkskrankenhaus Haar, und so der Ermordung im Zuge der nationalsozialistischen so genannten Euthanasie preisgegeben. Der nun erscheinende Band enthält die Vorträge der Doktorandinnen Annemone Christians, "Das Münchner Gesundheitsamt und seine Zusammenarbeit mit der Kongregation Schönbrunn", und Tanja Kipfelsperger, "Medizinhistorische Erkenntnisse aus den Krankenakten von Schönbrunn", sowie die weiteren Vorträge des Kolloquiums. Außerdem dokumentiert er eine Gedenkfeier eines "Tages der Erinnerung" am 25. März 2011, auf dem die Forschungsergebnisse in einfacher Sprache für Menschen mit geistiger Behinderung erklärt wurden.

Schönbrunn: Die Genaloberin von Schönbrunn Benigna Sirl.

Die Genaloberin von Schönbrunn Benigna Sirl.

(Foto: DAH)
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