Schönbrunn:Der geheime Wunsch-Lehrplan

Der Neubau der Neuhäusler-Schule und die Visionen der Pädagogen

Stellen Sie sich vor, die Lehrerin Ihres Kindes bittet Sie zu Beginn des Schuljahres zum Gespräch. Sie unterhalten sich mit ihr über Leistung und Leistungsvermögen, aber auch über die Talente. Die Lehrerin erstellt einen Plan, mit den Zielen, die Ihr Kind selbstverständlich erreichen kann bis hin zu denjenigen, die wünschenswert wären. Auch kommen die Begabungen im musischen, sportlichen oder auch technischem Zweig nicht zu kurz. Dieses Ideal strebt die Johannes- Neuhäusler-Schule in Schönbrunn an. Nicht nur für die geistig behinderten Schülerinnen und Schüler, sondern für alle.

Deshalb hätten sich Rektorin Angelika Hillreiner und Gertraud Martin, zuständig für den gesamten Kinder-und Jugendbereich am Franziskuswerk, die Anerkennung als Modellschule durch das bayerische Kultusministerium gewünscht. Die Rektorin sagt: "Für mich ist inklusives Lernen die höchste Form überhaupt." Jahrelang hat ihr Lehrerkollegium an der Idee gefeilt, um ein Lernen zu ermöglichen, das die Trennung zwischen behinderten und nicht behinderten Kindern aufgibt. Ein Lernen nach individuellen Zielen und nicht nach dem Kanon des Lehrplans als starren Rahmen. In einer solchen Schule der Inklusion würden die Kinder und Jugendliche nicht weniger, sondern mehr leisten. Sowohl kognitiv als auch ihre Talente und das sozialen Leben betreffend. Dazu braucht es kleine Klassen, ein Zweilehrersystem und die Bereitschaft des Freistaats, in die Bildung massiv zu investieren.

Aus der Idee wird nichts. Noch nicht. Die Johannes-Neuhäusler-Schule trägt von September 2015 an immerhin den Titel einer Inklusionsschule. Der wird ihr in München bald feierlich überreicht. In dem Anerkennungsschreiben des Ministerium heißt es, dass Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) sich über die Auszeichnung freue: "Da die Sachlichkeit der Sonderpädagogik für Bayerns Weg der Vielfalt schulischer Angebote im Bereich der Inklusion von großer Bedeutung ist." Martin und Hillreiner deuten Spaenle so: " Es bleibt alles beim alten, nur mit einem neuen Etikett." Was anders soll es bedeuten, wenn "die Sachlichkeit der Sonderpädagogik" hervorgehoben wird?

Trotzdem hoffen die beiden. Trotzdem werden sie den überfälligen Neubau der Schule über das Raumprogramm so gestalten, dass sie zu jeder Zeit auf ihre Vision umstellen können. Denn irgendwann, da sind Hillreiner und Martin zuversichtlich, wird sich Bayern der wirklichen Inklusion nicht verschließen können. Partnerklassen, wie sie jetzt schon mit Bergkirchen, Haimhausen, Hebertshausen und Röhrmoos bestehen, bezeichnen sie als ersten Schritt. An den dortigen Grund- und Mittelschulen werden behinderte Schüler in einer Klasse unterrichtet. Auf diese Weise wird zumindest die Begegnung mit anderen Schülern ermöglicht. Martin und Hillreiner sagen im Gegensatz zum Kultusministerium: "Aber Inklusion ist das noch nicht."

Auch die neue Johannes-Neuhäusler-Schule bleibt also ein Förderzentrum für geistig Behinderte - ergänzt um einen geheimen Wunsch-Lehrplan. Aber damit geben sich weder Geschäftsführung des Franziskuswerk noch Pädagogen und Erzieher zufrieden. Wenn Schönbrunn schon langfristig ein Modelldorf der Inklusion wird, dann müssen auch Regelklassen an der Schule möglich sein, sagen sie. Dann wäre zumindest ein Anfang möglich im Sinne eines individuellen Lernens, wie es dem Lehrerkollegium und dem Franziskuswerk vorschwebt. Eine weitere Option wären Bildungsschwerpunkte, die jeweils mit Nachbarschulen vereinbart werden müssten. Nicht irgendwann, sondern zur Eröffnung des Neubaus.

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