Schöffengericht:Mit Schlägen gedroht

Ein 22-Jähriger will Schulden eintreiben und schießt dabei übers Ziel hinaus

Von Jacqueline Lang, Dachau

Für die Dachauer Polizei ist der Angeklagte längst kein Unbekannter mehr. In den vergangenen fünf Jahren saß der 23-Jährige mehrfach wegen dem Besitz von Betäubungsmitteln, Diebstahl, Körperverletzung und Geldfälschung im Jugendarrest. Derzeit verbüßt er eine Strafe in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Ebrach. Zur Gerichtsverhandlung erscheint er in Begleitung zweier Polizisten, die ihn nicht aus den Augen lassen. Der Anblick des jungen Mannes in Handschellen ist für seine Angehörigen im Saal des Dachauer Amtsgerichts sichtlich schwer zu ertragen.

Vorgeworfen wird dem jungen Dachauer, der zum ersten Mal vor einem Erwachsenengericht steht, räuberische Erpressung. Was jedoch genau passiert ist, darüber gehen die Aussagen des Angeklagten und eines 23-jährigen Zeugen weit auseinander. Der Angeklagte schildert es so: Mit dem ebenfalls aus Dachau stammenden Zeugen ging er zusammen in die Grundschule. Später, als der Angeklagte etwa zwölf Jahre alt war, habe er von dem Zeugen Marihuana kaufen wollen. Dieser sei als Dealer bekannt gewesen. Der Angeklagte habe ihm damals zehn Euro gegeben, weil er das zuvor so bei anderen Kunden beobachtet habe, jedoch niemals das bestellte Cannabis erhalten. Neun Jahre später, an einem Tag im Juli 2017, habe er den ehemaligen Schulkameraden wiedergetroffen - und die Schulden eingefordert. Zusätzlich zu den zehn Euro habe er ihm weitere 20 Euro abgenommen, insgesamt also 30 Euro. "Als eine Art Wiedergutmachung", sagt der Angeklagte.

Der Zeuge stimmt diesen Angaben nur insofern zu, als dass er den Angeklagten flüchtig kenne und ihn an besagtem Abend zufällig getroffen habe. Der Angeklagte sei jedoch nicht alleine, sondern in Begleitung eines Unbekannten gewesen, so der Zeuge. Die beiden Männer hätten ihn durch das Festhalten seines Fahrrads am Wegfahren gehindert und damit gedroht, ihm die Knochen zu brechen. "Das hatte nichts mit Schulden eintreiben zu tun", beteuert der Zeuge.

Richter Tobias glaubt dem Zeugen. Die Aussage des Angeklagten, der Zeuge habe sich das Geld anstandslos abnehmen lassen, sei "lebensfremd" und "unglaubwürdig". Das Schöffengericht verurteilt den 23-jährigen Dachauer zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Richter Bauer sieht in dem jungen Mann "keinen geborenen Straftäter", wie er in seiner Urteilsbegründung betont, "ich halte ihn eigentlich für einen cleveren Kerl".

Der Vorsitzende geht davon aus, dass der Aufenthalt in der JVA für den Angeklagten bereits eine Lebenszäsur darstellt und bereits Wirkung bei ihm zeigt. In dem Urteil des Schöffengerichts, das für den Dachauer weitaus drastischer hätte ausfallen können, berücksichtigte Richter Bauer, wie er sagte, dass es dessen erste Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht war. Von einem minderschweren Fall sei aber nicht auszugehen, sodass eine Bewährungsstrafe auch nicht in Frage gekommen sei. Mit seinem Urteil liegt das Schöffengericht deutlich unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die zwei Jahre und sechs Monate lange Haftstrafe forderte. Der Pflichtverteidiger des Angeklagten plädierte auf Freispruch. Die Aussage des Zeugen sei für ihn nicht ganz schlüssig gewesen, so der Verteidiger. Sein Mandant hatte dem Gericht zuvor erklärt, dass er sein Abitur nachholen und studieren wolle. Noch ist es für den jungen Mann nicht zu spät.

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