Schöffengericht:"Ein ganz großer Schmarrn"

Eine 21-Jährige lässt sich von einem Kumpel als Drogenkurierin einspannen, kommt aber mit einer Bewährungsstrafe davon

Von Benjamin Emonts, Dachau

Es war eine große Dummheit, auf die sich eine junge Frau aus dem Landkreis Dachau im September 2016 eingelassen hat. Weil sie einem Kumpel einen Gefallen tun wollte, lieh sie sich das Auto der Eltern aus und fuhr mit ihm nach Frankfurt am Main. Der junge Mann nahm dort zwei Pakete mit jeweils einem Kilogramm Marihuana entgegen und verstaute sie im Auto. Auf der Rückfahrt spielte sich dann ihr Horrorszenario ab. Eine Polizeistreife zog ihr Auto aus dem Verkehr und konfiszierte das Marihuana. Die inzwischen 21-Jährige hat sich als Drogenkurierin damit strafbar gemacht. Vor dem Dachauer Schöffengericht musste sie sich wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verantworten. Nach deutschem Gesetz handelt es sich um ein Verbrechen. Und darauf steht eine Freiheitsstrafe.

Die junge Frau wirkt dementsprechend nervös. Hinter ihr im Gerichtssaal sitzen ihre Eltern, in deren Betrieb sie arbeitet. Sie hatten von der Straftat ihrer Tochter erst Wochen später erfahren und waren "sehr enttäuscht und besorgt", wie die Angeklagte erzählt. Das hatte Folgen für die junge Frau: "Ich habe Hausarrest bekommen und mich noch stärker zu Hause eingebracht."

Gleich zu Beginn der Verhandlung gibt die Angeklagte über ihren Verteidiger ein vollumfängliches Geständnis ab. Sie habe darüber Bescheid gewusst, dass ihr Kumpel nicht zum Spaß nach Frankfurt fahren wollte, sondern um eine große Menge Marihuana dort abzuholen. Als Gegenleistung will sie von ihrem Freund lediglich die Erstattung der Benzinkosten gefordert haben. Für Amtsrichter Daniel Dorner ist das alles nur schwer nachzuvollziehen. "Warum macht man das? Es muss Ihnen doch bewusst gewesen sein, welche Gefahr sie eingingen", sagt er. Die junge Frau nickt vorsichtig. "Eigentlich schon", antwortet sie. "Aber ich habe nicht sehr viel darüber nachgedacht."

Das böse Erwachen, mit dem sie offenbar nicht gerechnet hatte, kam noch auf der Autobahn, als der rote "Bitte Folgen"- Schriftzug auf dem Polizeiauto aufleuchtete. Der Kumpel auf dem Beifahrersitz geriet in Panik und warf eines der beiden Kilopakete noch aus dem Fenster. Der vorausfahrenden Polizei war das allerdings nicht entgangen. Auf dem Parkplatz der Raststätte schnappte sich der Mann dann das zweite Paket und begab sich zu Fuß auf die Flucht.

Der dilettantische Versuch scheiterte kläglich. Am Ende des Ausflugs standen zwei Anzeigen: Für den Kumpel wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln - seine Verhandlung in Frankfurt am Main steht noch aus. Und für die junge Frau wegen Beihilfe zum Handeltreiben.

Vor dem Amtsgericht stellt ihr Verteidiger die Tat als "jugendtypische Verfehlung dar". Seine Mandantin habe "unreif" gehandelt, ohne groß nachzudenken und ohne ihre Rolle zu reflektieren. "Sie hat sich zu einem ganz großen Schmarrn hinreißen lassen." Dem Gericht legt der Verteidiger sogleich einen Laborbefund auf den Tisch, der nachweist, dass die Angeklagte kein Cannabis konsumiert. Die junge Frau räumt zwar ein, Marihuana bereits probiert zu haben, doch inzwischen will sie damit nichts mehr zu tun haben. Außerdem beteuert sie, mit ihrem alten Freundeskreis gebrochen zu haben.

Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe übermittelt den Schöffen seinen positiven Eindruck von der jungen Frau. Sie sei familiär eingebunden, lebe in einer stabilen Beziehung und arbeite hauptberuflich im elterlichen Betrieb. Amtsrichter Daniel Dorner und die Schöffen wenden für die Frau, die zum Tatzeitpunkt 20 Jahre alt, Jugendstrafrecht an. Sie entsprechen dem Antrag des Verteidigers und verurteilen sie zu acht Monaten Freiheitsstrafe zur Bewährung, die auf zwei Jahre angesetzt wurde. Die junge Frau bekommt nun einen Bewährungshelfer und muss 1000 Euro an die Dachauer Drogenberatungsstelle "Drobs e.V." entrichten. "Es besteht die begründete Erwartung, dass sich die Angeklagte in Zukunft nicht mehr strafbar macht", sagt Amtsrichter Dorner. Negativ in Erscheinung getreten war die Frau bislang nur einmal vor der verhängnisvollen Kurierfahrt. Damals hatte sie versucht, mit dem Ausweis einer Freundin in eine Diskothek zu gelangen.

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