Schlosskonzert:Wie Mozart klingen muss

Schloßkonzert

Mozart wäre zufrieden: Fagott-Solist Erik Reike im Schloss Dachau.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Technisch souverän und glänzend: Die Dresdner Kapellsolisten vermitteln dem Publikum im Dachauer Schloss die überirdische Schönheit seiner Musik, ganz ohne Sperenzchen

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Ein Mozart-Abend im Schloss: Kann man sich überhaupt etwas Schöneres vorstellen? Voraussetzung ist freilich, dass die ausführenden Solisten und Ensembles Mozart spielen können, und das ist schwer. Die Dresdner Kapellsolisten, die im Rahmen der Dachauer Schlosskonzerte einen Mozart-Abend aufführten, beherrschen ihr Metier. Bei ihnen klingt Mozarts Musik wie sie klingen muss - nicht nur perfekt sondern - man darf nicht tiefer greifen - himmlisch. Aber Mozarts Himmel ist auch ein Himmel auf Erden, und der irdische Aspekt, beispielsweise Sinnlichkeit und Humor - davon wird aus himmlischen Kreisen nichts berichtet - ist nicht zu überhören. Beim Abend der Dresdner Kapellsolisten war er, nach Mozarts Divertimento KV 136 als Einspielstück, vor allem in der Aufführung von seinem Konzert für Fagott und Orchester KV 191 gegeben, wobei man aber nicht an die grotesken Wirkungen des Fagotts denken darf, mit der in der späteren Oper Komik erzielt wurde. Zu Mozarts Zeit hatte man vom Fagott eine sehr hohe Meinung: "Im Solo hat der Fagott den reinsten Tenor, er versenkt sich in die äußerste Tiefe und hat daselbst etwas drollig Mokantes, dann steigt er wieder ins Tenor F und durch Kunst noch weiter ins hohe Tenor Fund glänzt auch in der Höhe, wie er in der Tiefe geglänzt hat." (Schubart)

Diese Beobachtungen könnten an Mozarts Fagottkonzert gemacht worden sein; denn genau so erklang das Fagott in der Aufführung dieses Konzerts mit den Dresdner Kapellsolisten und Erik Reike als Solist.

Den Eindruck, den sie hinterließ, war keineswegs so, dass man gewissermaßen von oben herab von "nett" oder gar "drollig" sprechen könnte, hier ist nur ein bewunderndes "glänzend" am Platze. Zu bewundern war vor allem die unerhörte Geläufigkeit, die Mozart hier dem Fagottisten abverlangt und die Erik Reike in selbstverständlicher technischer Souveränität ausführte, zu bewundern war auch die reine Tongebung in allen Höhenlagen bis hinauf zur höchsten Tenorlage wie oben beschrieben. Bei seinen Solokadenzen in allen drei Sätzen legte Erik Reike noch ein Quantum an Virtuosität drauf, doch störten seine überlangen Einschübe den harmonischen Aufbau von Mozarts Komposition.

Im absoluten Mozart-Himmel aber befand man sich bei der Aufführung seiner Sinfonia concertante für Violine, Viola und Orchester KV 364. Die Dresdner Kapellsolisten betonten den sinfonischen Charakter des Werks, vermieden aber als Kammerorchester und in ihrem kammermusikalischen Musizieren die Wucht, die diese Sinfonia concertante in der bei Mozart außerordentlich glänzenden, festlichen, fast pathetischen Tonart Es-Dur entfalten kann. Die Solisten waren Mitglieder des Orchesters - Konzertmeisterin Susanne Branny und Solobratscher Stephan Pätzold - und spielten in der Orchestereinleitung und auch später im Orchester mit, wie es Mozart selbst anregte, und setzten sich nicht betont als Solisten vom Orchester ab - ein sehr sympathischer Zug. Ihre großen wunderbaren Solopassagen spielten sie dann aber musikalisch und spieltechnisch überragend, und ihr Zusammenspiel unter sich wie mit dem Orchester war vollendet. Dirigent Helmut Branny, der sich als "Primus inter pares" versteht, hatte nicht den Ehrgeiz, Mozart in bisher unerhörter Weise zu interpretieren und seine Musik neu zu inszenieren, er ließ Mozart in seinem Himmel und ermöglichte den begeisterten Zuhörern Blicke in dessen überirdische Schönheit.

Das Irdische kam bei der Zugabe zu seinem Recht. Die Dresdner spielten den letzten Satz aus Joseph Haydns "Abschiedssymphonie", bei der nach und nach alle Musiker ihre Instrumente einpacken und das Podium verlassen. Was Haydn damit sagen wollte, ist bekannt: Seine Musiker sehnten sich nach überlangem Sommeraufenthalt im abgelegenen Schloss Eszterházy nach ihren in Eisenstadt zurückgelassenen Frauen. Auch Mozart war solch irdischen Genüssen nicht abgeneigt - seine Briefe sprechen eine deutliche Sprache. Himmlisch ist nur seine Musik.

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