Schloss Dachau:Die Kunst, Bilder aufzuhängen

Moderne Werke in denkmalgeschützten Räumen? Das erfordert sensible Handwerksarbeit. Ein Bericht aus dem Dachauer Schloss in den Tagen vor der Eröffnung der Georg-Baselitz-Ausstellung

Von Robert Stocker, Dachau

Freitagvormittag, 20. Mai: Im Treppenhaus des Dachauer Schlosses steht ein riesiges Gerüst. Zwei großformatige Bilder sollen an die Wand gehängt werden. Im Renaissancesaal erledigen Handwerker die letzten Feinarbeiten. Bei den Schlosskonzerten erklingen hier Arien und Sinfonien, jetzt rattern in dem edlen Ambiente Bohrmaschinen. Seit mehr als zwei Wochen ist der Saal eine Großbaustelle, auf der die Arbeiter umsichtig und sensibel zu Werke gehen. Schließlich ist er nicht irgendein Saal, sondern wie das gesamte Schloss ein architektonischer Schatz und historisches Denkmal. Darauf müssen alle an dem Projekt Beteiligten Rücksicht nehmen. Dennoch hat sich inzwischen hier viel verändert. Riesige Stellwände erfüllen den Raum, der Wandteppich und die Lüster sind abgehängt. Auch die alten Gemälde sind verschwunden. An den Stellwänden lehnen am Boden jetzt etwa 200 Werke, die einer der bedeutendsten Vertreter der Gegenwartskunst geschaffen hat. Man darf es als kleine Sensation betrachten, dass der von der Kunstwelt gefeierte Maler Georg Baselitz den Weg nach Dachau gefunden hat. "Das zentrale Kunstereignis der letzten Jahre", wie nicht nur die Veranstalter der Ausstellung schwärmen. Ein Ereignis, das über die Region hinaus Beachtung findet.

Was der Volksbank Raiffeisenbank Dachau e.G. zusammen mit Stadt und Landkreis gelungen ist, kann durchaus als Coup bezeichnet werden. Baselitz, der in den großen Galerien der Welt zu Hause ist, präsentiert in der Ausstellung "Mit Richard unterwegs - Druckgrafik 1995 bis 2015"etwa 200 Radierungen sowie Holz- und Linolschnitte aus mehreren Serien, die in den vergangenen 20 Jahren entstanden sind und für die Öffentlichkeit bisher kaum zugänglich waren. Eine Ausstellung, die in der Kunststadt Dachau bisherige Grenzen sprengt - sowohl, was den künstlerischen Stellenwert als auch die schiere Dimension angeht.

Der Aufbau für die Schau begann Anfang Mai. Die Voraussetzungen dafür wurden in zahlreichen Gesprächen mit der Schlösser- und Seenverwaltung und dem Staatlichen Bauamt abgeklärt. "Die eigentliche Herausforderung ist der historische Raum", sagt Andreas Wurstbauer, der den Bereich Bauwesen bei der Volksbank Raiffeisenbank Dachau e. G. leitet und für die technische Umsetzung des Aufbaus zuständig ist. Hier kann man nicht einfach irgendwo einen Dübel versenken oder eine Metallplatte mit dem Parkett verschrauben. Fast jeden Handgriff hat Wurstbauer mit den Verantwortlichen der Schlösser- und Seenverwaltung abgesprochen. Auch die Flucht- und Rettungswege wurden für die Dauer der Ausstellung neu festgelegt. Handwerker stellten deckenhohe Gerüste auf, um die Lüster im Renaissancesaal abzuhängen. Sie wurden zerlegt und ins Schloss Schleißheim gebracht, wo sie während der Ausstellung aufbewahrt werden. Danach kehren sie wie der Wandteppich und die Porträts der Wittelsbacher wieder ins Dachauer Schloss zurück. "Nach der Ausstellung muss alles in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden", betont Wurstbauer. Der Rückbau werde wohl genau so lange wie der Aufbau dauern.

Baselitz Vorbereitung

Jeder Handgriff, der im Renaissancesaal getätigt wurde, musste mit der Schlösser- und Seenverwaltung abgestimmt werden.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Lüster mussten wegen der Stellwände im Renaissancesaal weichen. Sie sind 3,60 Meter hoch und zehn beziehungsweise fünf Meter lang. Die Stellwände stehen völlig frei; an der Oberseite sind sie mit einem Gestänge verbunden. Ihr Innenleben besteht aus leichten Aluminium-Profilen, die mit Tischlerplatten und Faserplatten beplankt worden sind. Dann wurden die Platten von einem Maler verspachtelt. Der Schreinermeister Franz Fischer aus Lauterbach baute die Wände im Renaissancesaal zusammen. Wegen ihrer Größe ging das nicht anders. Fischer hat Erfahrungen in diesem Bereich. Doch die Dimension dieses Auftrags war neu für ihn. "Noch nie habe ich Stellwände von so einem Umfang gebaut", sagt der Schreinermeister. Die schwierigste Aufgabe war es, die riesigen Wände gerade hinzubringen. Sie durften nicht am Parkettboden befestigt werden, der zudem ein schwingender Untergrund ist. Doch Fischer schaffte dieses Kunststück. Wenn die Baselitz-Ausstellung Mitte August beendet ist, zerlegt der Schreinermeister die Stellwände wieder. Die Einzelteile könnten dann für kleinere Ausstellungen verwendet werden.

Der Aufbau musste innerhalb zwei Wochen umgesetzt werden. "Das war sehr kurzfristig", sagt Wurstbauer. Wegen des letzten Schlosskonzerts blieb nicht mehr Zeit. Doch wenn man das Konzept genau kenne, sei es kein Problem. Dazu gehört auch eine neue Beleuchtung. An einem an der Decke aufgehängten Gestänge sind spezielle Strahler montiert, welche die Bilder von oben beleuchten. Die Kunstwerke wurden am vergangenen Wochenende gehängt "Millimetergenau", wie Wurstbauer sagt. Drei Tage vorher wurden sie ins Dachauer Schloss gebracht. Den Transport begleitete Detlev Gretenkort. Der Sekretär von Georg Baselitz entwickelte mit Kuratorin Bärbel Schäfer das Konzept der Schau, das schon Ende des vergangenen Jahres stand. Gretenkort, der sich als verlängerter Arm des Künstlers sieht, wenn es um Detailfragen geht, besprach mit der Kuratorin, was machbar ist. Beide einigten sich auf ein Konzept, das Bezüge zum historischen Ambiente herstellt. Der Aufbau der Stellwände soll an einen Lustgarten der Renaissance erinnern, an ein Labyrinth, das für höfische Gärten jener Zeit typisch war. Die Stellwände schließen sich zu engen Pforten, durch die der Besucher in offene Räume gelangt. "Wir mussten uns überlegen, wie wir viel Fläche bekommen", sagt Gretenkort. Das sei mit den Innenhöfen gelungen. Der Baselitz-Sekretär fertigte auch ein Modell von den Stellwänden an, das akribisch umgesetzt wurde. Eigentlich habe er nur Hintergrundarbeit gemacht, sagt Gretenkort. Doch nichts wurde dem Zufall überlassen. "Wir wollten keine halben Sachen machen", betont der Baselitz-Intimus.

Dasselbe gilt auch für die Volksbank Raiffeisenbank, die maßgebliche Initiatorin der Ausstellung ist. Mit dem Aufbau beauftragte sie nur Handwerker aus der Region. "Man muss wissen, mit wem man arbeitet", sagt Wurstbauer. Für so eine Aufgabe brauche man ein verlässliches Team. Am Ende habe alles toll geklappt. Auch Gretenkort stellt dem Geldinstitut ein gutes Zeugnis aus. "Die Bank hat sich wahnsinnig ins Zeug gelegt und ein extremes Engagement gezeigt. Chapeau."

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