Reise in eine vergangene Epoche:Klösterliches Theater

Der Historiker Wilhelm Liebhart und das 500-Seiten-Werk "Geistliche Spiele der Barockzeit aus Oberbayern"

Von Dorothea Friedrich, Dachau

"Alles Theater" heißt es derzeit im Bezirksmuseum Dachau. Beim Spaziergang durch diese sehenswerte, dem Laienschauspiel gewidmete Ausstellung, zieht ein riesiger Bildschirm die Blicke an. Ausschnitte aus einem Historiendrama, genauer aus einem geistlichen Schauspiel, sind dort zu sehen. Nach einer langen "Sendepause" wurde es 1985, 1991 und 1997 mit enormem Aufwand an seinem Entstehungsort Altomünster wiederaufgeführt. Das Birgittenspiel, wie es allgemein genannt wird, ist aber nur eines von etlichen Theaterstücken dieser Gattung, die sich in der Region erhalten haben.

Der Historiker Wilhelm Liebhart und der Musikwissenschaftler und frühere Bibliotheksdirektor an der Bayerischen Staatsbibliothek, Klaus Haller, sind zwei Kenner der Materie. Sie haben Anfang der 1980er Jahre in der Bayerischen Staatsbibliothek sowie im inzwischen aufgelösten Birgittinnenkloster Altomünster etliche barocke Stücke aus dem Bestand von vier Klöstern wiederentdeckt und editiert. Nach Hallers Tod im Jahr 2012 hat Liebhart die akribische Arbeit alleine fortgeführt und nun "Geistliche Spiele der Barockzeit aus Oberbayern" herausgegeben. Erschienen ist das mehr als 500 Seiten umfassende Opus magnum dieser Theatergattung im Verlag Friedrich Pustet.

Alles Theater

Noch nicht editiert: Die erst kürzlich wieder entdeckten und gerade im Bezirksmuseum ausgestellten Autografen von drei geistlichen Spielen des Dachauer Schulmeisters Franz Paula von Kienast.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die beiden Experten haben sich bei ihren umfangreichen Recherchen auf das Birgittenkloster Altomünster, das Zisterzienserkloster Fürstenfeld sowie auf die Augustiner-Chorherrenstifte Indersdorf und Weyarn konzentriert. Sie haben die Entstehungsgeschichte der diversen geistlichen Spiele erforscht und daraus hochinteressante "Klostergeschichten" gemacht. Was dieses Buch aber so besonders macht, sind die Texte der erhaltenen Stücke. Liebhart und Haller haben sie paläografisch, also originalgetreu, editiert.

Darauf warten die erst kürzlich wieder entdeckten und gerade im Bezirksmuseum ausgestellten Autografen von drei geistlichen Spielen des Dachauer Schulmeisters Franz Paula von Kienast aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts übrigens noch.

Den größten Raum in "Geistliche Spiele der Barockzeit aus Oberbayern" beansprucht die Altomünsterer Theaterlandschaft dieser Epoche. Ein Grund hierfür dürfte sein, dass sich im Frauenkonvent des Birgittenklosters in einer Komödientruhe alleine sieben Spiele erhalten haben. Entdeckt hat sie Liebhart, als er in den 1980er Jahren im Klosterarchiv nach Material für die Geschichte des Konvents suchte. Weil Altomünster "immer schon ein Theaterort" gewesen sei, wurde neben dem Birgittenspiel mit dem offiziellen Titel "Schauplatz der Tugend" bereits 1982 eines der beiden erhaltenen Translationsspiele aufgeführt. Geschrieben hat sie der damalige Prior Simon Hörmann anlässlich der prachtvoll inszenierten Überführung von Reliquien frühchristlicher Heiliger aus den römischen Katakomben in die Klosterkirche. Hauptperson dieser Schauspiele ist der Ortsheilige Alto. Auch ein 1753 entstandenes Passionsspiel haben die Altomünsterer 1988 aufgeführt.

Reise in eine vergangene Epoche: Historiker Wilhelm Liebhart hat nach dem Tod des Musikwissenschaftler und früheren Bibliotheksdirektors an der Bayerischen Staatsbibliothek, Klaus Haller, die gemeinsam begonnene Arbeit alleine fortgesetzt.

Historiker Wilhelm Liebhart hat nach dem Tod des Musikwissenschaftler und früheren Bibliotheksdirektors an der Bayerischen Staatsbibliothek, Klaus Haller, die gemeinsam begonnene Arbeit alleine fortgesetzt.

(Foto: Toni Heigl)

Was aber war Sinn und Zweck dieser Theaterspiele in der Barockzeit? Das erklären die Autoren Liebhart und Haller in einem Exkurs über das Jesuitentheater, dessen Entstehung und dramaturgische Kunstgriffe. Der Jesuitenorden setzte das Theater als Medium der Gegenreformation ein. Bombastische Szenerien, aufwendige Requisiten und Bühnenbilder, Showeffekte, Musik, Ballett und ganze Heerscharen von Darstellern sollten die Zuschauer von der Überlegenheit der katholischen Kirche überzeugen. Geistliche Spiele wurden so populär, dass sie eine regelrechte Blütezeit erlebten.

Von ganz anderem Zuschnitt ist das aus der Zisterzienserabtei Fürstenfeld erhaltene Stück. "Glaube, Gerechtigkeit und Stärke" ist ein Huldigungsspiel anlässlich des Besuchs von Herzog Karl Albrecht (1697-1745) im Kloster. Es entstand 1739. Da konnten die Ordensmänner noch nicht ahnen, dass sie die verhängnisvolle Politik dieses Wittelsbacher Kurfürsten, Königs und Kaisers in ein finanzielles Desaster stürzen würde. Auch der bekannteste Probst der Indersdorfer Augustiner-Chorherren ließ sich gerne feiern. Anlässlich seines Namenstags gab es am 22. Oktober 1759 ein Singspiel für vier Sänger und Chor, das Gelasius Morhart als Begründer eines goldenen Zeitalters für das Stift lobpreist. Belehrend, wie es sich für ein Schulspiel gehört, ist das 1646/49 entstandene "Edmundus". Der tugendsame englische Heilige sollte den Weyarner Schülern als Vorbild dienen. Erhalten hat sich der Text als Abschrift im Klosterarchiv von Altomünster.

Wie viele Kostbarkeiten des barocken Theaterlebens im Zuge der Säkularisation unwiederbringlich verloren gegangen sind, lässt sich dagegen nicht einmal erahnen. Gut vorstellbar ist hingegen, dass "Geistliche Spiele der Barockzeit aus Oberbayern" die eine oder andere Theatergruppe motivieren könnte, sich dieser Stücke anzunehmen - und sie aufzuführen.

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