"Reichsbürger":Latente Gefahr

Der Landkreis gilt als eines von vier bayerischen Zentren der "Reichsbürger". Sie pflegen Kontakte zu Rechtsextremen

Von Benjamin Emonts, Dachau

Seitdem ein so genannter Reichsbürger im Oktober vergangenen Jahres im fränkischen Georgensmünd einen Polizisten erschoss, sind Behörden, Polizei und Verfassungsschutz in Bayern alarmiert. Der Personenkreis, der der Bundesrepublik Deutschland jegliche Anerkennung abspricht, ist offensichtlich größer, als staatliche Stellen zunächst angenommen haben. Nachdem mehrfach auch über Reichsbürger im Landkreis berichtet wurde, forderten die Freien Wähler Dachau die Landkreisverwaltung auf, ihre Erfahrungen darzulegen. Sie wollen wissen, wie Mitarbeiter des Landratsamts und Dachauer Bürger geschützt werden können. Auf der Kreistagssitzung am Freitag, 28. April, soll die Verwaltung erste Ergebnisse präsentieren.

"Wir finden, dass sind zu viele"

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte dem Innenausschuss des Landtags im Februar mitgeteilt, dass Dachau einer von vier regionalen Schwerpunkten der "Reichsbürger" in ganz Bayern sei. Der Dachauer Polizeichef Thomas Rauscher sprach daraufhin öffentlich von 24 sogenannten Reichsbürgern im ganzen Landkreis - plus "einer kleinen Dunkelziffer". "Wir finden, das sind zu viele", sagt Rauscher. Alle 24 Reichsbürger wurden demnach als solche eindeutig identifiziert. Mindestens zwei der Personen hält der Polizeichef für gefährlich. Zwar sei von ihnen noch keine körperliche Gewalt ausgegangen, massive verbale Angriffe aber schon. Richter des Dachauer Amtsgerichts sind mit dem Tod oder schwerer Körperverletzung bedroht worden, teilweise schriftlich.

Verfassungsschutzpräsident Burkhard Körner schätzt das Dachauer Land als "ein Zentrum der Bewegung" ein, die auch über Kontakte zur rechtsextremen Szene verfügen soll. Die weiteren Personen sind laut Polizeisprecher Rauscher durch kleinere Straftaten auffällig geworden, wie nicht bezahlte Verwarnungs- oder Bußgelder für Verkehrsdelikte. Weil keine Kfz-Versicherung entrichtet wurde, mussten Beamte mehrfach Autos von "Reichsbürgern" zwangsentstempeln. Zudem weigerten sich die Vertreter dieser Fundamentalopposition mehrmals, sich erkennungsdienstlich behandeln zu lassen. Sie verfassten seitenlange Schreiben, in denen sie Beamten Zwangsgelder androhten. Die Dachauer Polizei und Behörden überprüften sicherheitshalber alle sogenannten Reichsbürger in Dachau auf "sicherheitsrelevante Erkenntnisse" wie etwa das Halten von Kampfhunden oder auf Waffenbesitz. Das Ergebnis war nach Angaben von Polizeichef Rauscher "negativ".

Diffuse Ängste

Das Dachauer Amtsgericht musste sich schon mehrfach mit Personen auseinandersetzen, die sich selbst der Gruppierung zuschreiben. Im März vergangenen Jahres sollte sich ein "Reichsbürger" wegen Erpressung verantworten. Der Mann hatte einem Mitarbeiter des Dachauer Finanzamts eine Rechnung über mehr als 140 000 Euro zugestellt - als Strafe dafür, dass der Finanzbeamte Steuern bei ihm eintreiben wollte. Der Leiter des Finanzamts, Robert List, erstattete Anzeige. Der Angeklagte erschien zu keinem der Termine, denn die meisten "Reichsbürger" erkennen die deutsche Rechtsprechung bekanntlich nicht an. Viele Mitarbeiter, so berichtete der Leiter des Finanzamts, hätten diffuse Ängste und seien verunsichert, wie sie mit einem solchen Personenkreis umgehen sollen.

Der Landkreis hat in Michael Holland, dem Abteilungsleiter Öffentliche Sicherheit und Ordnung, mittlerweile einen zentralen Ansprechpartner benannt, der sich mit dem Umgang mit "Reichsbürgern" und Verdachtsfällen beschäftigt. Holland wird am Freitag im Kreistag auf die Fragen der Freien Wähler Dachau eingehen. Kreisrat Sebastian Leiß von den Freien Wählern Dachau kennt die Sitzungsunterlagen bereits und teilt mit, dass dem Landratsamt zehn "Reichsbürger" im Landkreis bekannt seien.

Bislang sei der Kontakt mit ihnen relativ harmlos verlaufen, nur in einem Fall habe einer einen Sachgebietsleiter beschimpft, so Leiß weiter. Es sei Anzeige erstattet worden. Die Mitarbeiter des Landratsamts seien auf einer Personalversammlung über das Phänomen "Reichsbürger" bereits informiert worden und hätten Aufklärungsmaterial erhalten. Die Sitzung des Kreistags beginnt am Freitag, 28. April, um 8.30 Uhr.

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