Regisseur aus Altomünster:Von der Kunst, ein Tier zu töten

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Jonas Heldts Kurzfilm "Josef Gschwendtners Rituale" dokumentiert das blutige, aber präzise Handwerk eines Schlachters - die traditionelle Vorgehensweise im Kontrast zur industriellen Massenschlachtung.

Sophie Burfeind

"Ich habe einen Metzger getroffen. Er hat an seiner Kapelle gearbeitet. Da wollte ich wissen, wie das für ihn ist, das Töten - sein Handwerk." Das sind die ersten Worte, die in Jonas Heldts Kurzfilm "Josef Gschwendtners Rituale" gesprochen werden, von einer tiefen, getragenen Stimme, in bayerischem Dialekt. In einem Film über ein Ritual, das für gewöhnlich hinter verschlossenen Türen stattfindet: das Schlachten.

Jonas Heldt gefällt es, Filme über Menschen wie Josef Geschwendter (im Bild) zu drehen, die Experten sind, in dem was sie tun - nüchtern, einfach und in  Schwarzweiß. (Foto: N/A)

Das ist eine Sache, die man nicht sehen will", sagt der 25-Jährige. Dennoch habe er versucht, in dem 15-minütigen Film über den Metzger Josef Gschwendtner einen Handwerker bei seiner Arbeit vorzustellen: "Was mich fasziniert, ist das präzise Handwerk und dass das Töten der Tiere eine sehr professionelle Angelegenheit ist. Jeder Handgriff sitzt." Durch das Schwarz-Weiße sollte der Aspekt des Blutigen reduziert werden.

Für Jonas ist das Thema eng mit seiner Kindheit verbunden. Geboren in München, wuchs er in einer ländlichen Gegend bei Altomünster auf, wo er als Kind viel Zeit auf Bauernhöfen verbrachte. "Da gehört der Umgang mit Tieren und das Schlachten noch zum Alltag." Auch wenn er sich noch mit dem Leben auf dem Land verwachsen fühle, sei es befremdlich für ihn geworden. Schließlich hat Jonas viel Zeit in Großstädten verbracht: In Berlin und Neuseeland studierte er Theaterwissenschaften und Journalismus und seit Oktober 2011 nimmt er an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) in München am Studiengang "Dokumentarfilm und Fernsehpublizistik" teil. Nach Anschluss dieser Ausbildung ist er Diplom-Regisseur.

Das Archaische und das Religiöse sind auf dem Land eng miteinander verknüpft. Auch durch die ländliche Schwarz-Weiß-Welt des Films zieht sich dieses Thema von Anfang an wie ein roter Faden. Es beginnt mit einem Mann, der gemächlichen Schritts einen Feldweg entlang schlendert, vorbei an Wiesen und Weidezäunen, bis hin zu einer kleinen Kapelle. Andächtig schweigend beginnt er das Tor zu streichen; am Abend betet er mit seiner Tochter.

Mit diesem Ritual beginnt Josef Gschwendtner den darauf folgenden Tag um 4.30 Uhr: Von einem nahe gelegenen Bauern holt er einen Mastbullen mit dem Anhänger ab. Im Schlachthaus soll dieser einen schnellen Tod finden, ohne langes Leiden, ohne Angst. "Dann wird das Fleisch besser, weniger wässrig", weiß Jonas. Genauso andächtig wie Gschwendtner seine Kapelle gestrichen und gebetet hat, so andächtig widmet er sich dem Ritual des Schlachtens. Seit Generationen betreibt seine Familie im Ortsinneren von Langenpettenbach die Metzgerei. Er führt aus, was ihm sein Altmeister gelehrt hat: den Pferdestich. Schweigend wird der Stier getötet, der Metzger und sein Helfer behandeln das Tier mit Respekt - "aber ohne Mitleid", wie Jonas Heldt anmerkt. Beide tragen blütenweiße Schürzen, der Schlachtraum wurde vorher sorgfältig gereinigt und alle Instrumente vorbereitet.

Die andächtige Atmosphäre ist wie in einer Messe oder wie bei einer Opferung in einem Tempel", beschreibt der junge Regisseur seinen Eindruck. Gerade dadurch bilde diese traditionelle Vorgehensweise einen interessanten Kontrast zu industriellen Massenschlachtungen - auch wenn es nicht die Absicht des Films ist, diese zu kritisieren. Außerdem habe Jonas in der Schlachtung einen martialischen Aspekt des Christentums entdeckt: "Die Kreuzigung ist auch etwas Blutiges und sehr Körperliches. Wie beim Tier geht es dabei um den Zerteilungsaspekt." Sätze wie "Mein Leib, der für euch hingegeben wird", die oft in der Kirche zu hören seien, "haben für mich viel damit zu tun, was in einem Schlachthaus passiert." Ähnlich der Passion Christi sei der Tod des Tieres ein langsamer Prozess und der Mastbulle mit der Geburt bereits dem Tode geweiht. Der Tod sei dann auch die große Gemeinsamkeit zwischen Mensch und Tier - zurück bleibe bei beiden nur noch der Körper. "Es existiert keine spirituelle Ebene des Stiers für mich", sagt Jonas.

Auf den Akt des Schlachtens folgt die Reinwaschung des Raumes, ein Moment der Erleichterung und das Aufatmens beim Erklingen eines Country-Songs. Auch ein Putzmann in weißem Kittel, der einen Toilettenraum wischt, ist zu sehen - ein weiterer Taburaum. Am Ende seines Arbeitstages duscht sich der Metzger. "Dieser sehnige, saubere Arbeiterkörper des schmächtigen Metzgers, den man sieht, bildet einen interessanten Kontrast zum verkrusteten Fell und der Muskelmasse des mächtigen Stieres."

Das Filmen sei schwierig gewesen, da die Handgriffe so schnell aufeinanderfolgten und er nicht lange überlegen durfte. Außerdem hätten einige Stiere Angst vor der Kamera gehabt, einer sei vor Schreck aus dem Schlachtraum gelaufen. Dem jungen Regisseur gefällt es, Filme über Menschen zu drehen, die Experten sind, in dem was sie tun: "Es ist keine gewollt intellektuelle Sache, sondern ein einfacher Film, mit dem man etwas anfangen kann. Mit dem auch Josef Gschwendtner etwas anfangen kann."

Dennoch ist Jonas' Film kein beobachtender Dokumentarfilm, die Szenen sind stilisiert und inszeniert. Die Rolle des Erzählers wird von dem bayerischen Mundartlyriker Harald Grill übernommen, er trägt auch Passagen eigener Gedichte vor sowie Auszüge aus Texten bekannter Schriftsteller und Philosophen wie Gille Deleuze oder Georges Bataille. "Ich wollte einen Taburaum zeigen. Auch wenn es grausam und brutal ist", betont Jonas Heldt. Niemand tötet gern Tiere, auch Josef Gschwendtner nicht. Doch für ihn ist es die Lebensgrundlage, eine Sache der Notwendigkeit - sein Handwerk. Und für uns ist der Verzehr von Fleisch eine Selbstverständlichkeit. Nur dass niemand den Akt, wie das Tier sein Leben lassen muss, zu Gesicht bekommen möchte.

© SZ vom 14.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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