Ratsbegehren:Weichenstellung für Karlsfeld

Am Sonntag entscheiden die Karlsfelder darüber, ob im Grünzug an der Grenze zur Stadt Dachau ein weiteres Gewerbegebiet ausgewiesen wird. Die Argumente der Befürworter und Gegner im Überblick.

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Quelle: Toni Heigl

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Kann sich die Gemeinde im Grünzug an der Grenze zur Stadt Dachau die Option auf ein weiteres Gewerbegebiet sichern oder nicht? Das sollen die Karlsfelder in einem Ratsbegehren am Sonntag entscheiden. Die Pläne sind heftig umstritten. sueddeutsche.de stellt die Pläne vor sowie die wichtigsten Argumente der Befürworter und Gegner. In Bildern.

Gewerbegebiet Karlsfeld

Quelle: Gemeinde Karlsfeld

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Und so sieht die Planung aus der Vogelperspektive aus: Angrenzend an das Dachauer Gewerbegebiet "Schwarzer Graben" will die Gemeinde Karlsfeld schon mal provisorisch ein 7,5 Hektar großes Misch- und Gewerbegebiet ausweisen. Aus Sicht der Gemeinde handelt es sich um das einzig sinnvolle Areal für weitere Gewerbeansiedlungen in der flächenarmen Gemeinde. Als Ausgleichsflächen sollen westlich des Gewerbegebiets knapp 12 Hektar zu ökologischen Grünflächen aufgewertet werden; derzeit befindet sich dort Ackerland. Der Slogan der Gemeinde: "Gewerbegebiet und Natur gehen Hand in Hand!"

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Quelle: Toni Heigl

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Die Gegner sehen das naturgemäß ganz anders. Sie befürchten eine "Asphaltwüste statt Grünzug". Geeignet sind die Flächen am Tiefen Graben aus ihrer Sicht ganz und gar nicht, denn sie beeinträchtigen nach ihrer Einschätzung die Funktion des Dachauer Mooses als Frischluftlieferanten. Das Moos könne im Sommer dann nicht mehr wie eine natürliche Klimaanlage wirken. Ein Gutachten des Deutschen Wetterdiensts bewertet die Auswirkungen zwar nicht so dramatisch, doch die Kritiker überzeugt das abstrakte Modell der Experten nicht recht.

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Quelle: Toni Heigl

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Es werde auch nicht nur der Grünzug zerstört, sondern ein wertvoller geschichtsträchtiger Kulturraum, kritisieren die Gegner. Denn das geplante Gewerbegebiet soll an der historischen Sichtachse des denkmalgeschützten Schleißheimers Kanal liegen, der von Schloss Oberschleißheim direttissima Richtung Dachauer Altstadt führt.

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Quelle: privat

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In dem Gebiet lebt außerdem die sehr seltene Libellenart Helm-Azurjungfer. Die strengstens geschützte Art braucht sehr spezielle Umweltbedingungen, um zu überleben. Ein Gewerbegebiet könnte die Art ausrotten, ist die Sorge von Umweltschützern.

Die Gemeinde verweist dagegen auf ein Gutachten, wonach die Helm-Azurjungfer bei Einhaltung gewisser Auflagen durch den Bau eines Gewerbegebiets nicht bedroht wäre.

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Quelle: Toni Heigl

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Massiv betroffen fühlen sich allerdings die Anwohner aus Dachau-Ost (die im Karlsfelder Ratsbegehren nicht abstimmen können), sowie die etwa 30 Karlsfelder, die in der Splittersiedlung westlich der Bajuwarenstraße wohnen. Die Aussicht, bald in einem Gewerbegebiet zu wohnen ist für sie ein Horror.

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Quelle: Toni Heigl

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Über die Kreuzung Bajwarenstraße/Schleißheimer Straße rollen ja jetzt schon jeden Tag 30 000 Autos, klagen die Anwohner. Irgendwann seien nicht nur die Grenzen des Zumutbaren überschritten, auch die Kapazität der Straßen sei irgendwann erschöpft. Die Planer in der Gemeinde Karlsfeld bewerten die Lage aus verkehrlicher Sicht dagegen als ideal: Es gibt ja bereits die großen Straßen, über die man schnell auf überörtliche Straßen wie die B 471 gelangt. Auf Karlsfelder Gebiet selbst erwartet die Gemeinde kaum mehr Verkehr.

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Quelle: Niels Jørgensen

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Wozu braucht die Gemeinde überhaupt ein weiteres Gewerbegebiet? Die Gewerbesteuer ist die wichtigste Einnahmequelle der Kommunen. Die ist in den vergangenen Jahren immer mehr zurückgegangen. Nachdem der Energieerzeuger Eon nun seinen Standort in Karlsfeld komplett aufgegeben hat (das Bild zeigt den Abbau des alten Richtfunkmasten auf dem Eon-Gelände), muss Karlsfelds Kämmerer 2011 auf geschätzte 2,5 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen verzichten. Ein schwerer Schlag. Karlsfeld verfügt derzeit über 35 Hektar Gewerbeflächen. Die Reserven für freie Flächen beziffert die Gemeinde auf 5,5 Hektar. Das alte Gebiet weise, bezogen auf die Geschossflächen, einen Leerstand von 14 bis 15 Prozent auf, im neuen sind es aktuell nur rund ein Prozent. "Das ist nicht viel", sagt der gemeindliche Wirtschaftsförderer Bernd Rothfuß.

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Quelle: Niels Jörgensen

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Für Karlsfeld ist das ein Riesenproblem, denn die Gemeinde investiert gerade in Millionenprojekte wie den Aufbau eines eigenen Fernwärmenetzes. Geld fehlt an jeder Ecke, und holt sich die Kommune das Geld nicht vom Gewerbe muss der Bürger zahlen. Und zwar in Form von höheren Gebühren. 2011 erhöhen sich die Kosten für die Kinderbetreuung auf einen Schlag um rund 15 Prozent. Und das ist noch nicht alles: auch der Unterricht in der kommunalen Musikschule, Wasser und Abwasser werden erheblich teurer.

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Quelle: Niels P. Jørgensen

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CSU und SPD sehen ein neues Gewerbegebiet deshalb als dringend erforderlich an, zumindest mittelfristig. Karlsfelds Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) will Karlsfeld zudem als Gewerbestandort stärken und von seinem Image als "Schlafstadt" befreien. Daher ist ihm das Thema Arbeitsplätze sehr wichtig. Wohnen und Arbeiten sollen in Karlsfeld stärker zusammenrücken. Für die Gegner ein absurdes Argument: In Karlsfeld seien nur 328 Menschen arbeitslos gemeldet. Es herrsche quasi Vollbeschäftigung.

Doch die Gemeinde verweist auf das anhaltende Wachstum: Westlich der Bahn erwartet Karlsfeld allein im ökologischen Neubaugebiet "nido" einen Bevölkerungszuwachs von gut 1500 Bürgern.

Kreuzungsumbau

Quelle: Niels P. Jørgensen

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Für die Gewerbegebietsgegener ist das eine Milchmädchenrechnung: Bevor die Gemeinde Gewerbesteuern kassieren kann, müsste sie das Areal ja selbst erst einmal erschließen. Die Kosten schätzen die Gegner auf 3,5 Millionen Euro. Dafür müsste die Gemeinde erst einmal Schulden aufnehmen. Und ob dann Gewerbe kommt, sei damit noch gar nicht gesagt. Es drohe "eine Erschließungsruine", die Karlsfeld teuer zu stehen kommen könne.

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Quelle: Niels P. Jørgensen

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Statt unverbaute Landschaft zu betonieren, müsse die Gemeinde erst einmal die leer stehenden Objekte in den bestehenden Gewerbegebieten an den Mann bringen, fordern die Gegner. So stehen im ehemaligen Krone-Center fast 5000 Quadratmeter leer. Viele Leerstände befinden sich aber in privaten Objekten - und das trifft auch auf den alten Krone Center zu. Die Gemeinde wenig Einfluss nehmen. Von den geplanten neuen Gewerbeflächen gehören jedoch etwa 70 Prozent der Gemeinde. Und diese neuen Flächen, heißt es aus dem Rathaus, brauche man auch.

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