Polizei ermittelt:Rassistische Flugblätter an KZ-Gedenkstätte Dachau verteilt

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Es ist nicht das erste Mal, dass die Gruppierung, die sich selbst "Patriotische Christen Deutschlands" nennt, fremdenfeindliche Flyer absondert. (Foto: dpa)

Darin kritisieren angebliche Christen die Kirchen für ihr Engagement gegen Rassismus. Die Kriminalpolizei ermittelt.

Von Jacqueline Lang, Dachau

In Dachau sind rassistische Plakate aufgetaucht, deren Urheber sich "Patriotische Christen Deutschlands" nennen. Die Flugblätter sind an alle Kirchen Deutschlands gerichtet. Sie sollten sicherstellen, heißt es da, "dass Deutschland das Land der Deutschen bleibt".

Inhalt und Verbreitung der Plakate stoßen in der Stadt auf breiten Protest. Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche verurteilen die Pamphlete scharf. Die Verfasser hätten ein fremdenfeindliches Glaubensmodell, sagt etwa Ludwig Schmidinger, Bischöflicher Beauftragter für die KZ-Gedenkstättenarbeit. Ob der Sachverhalt strafrechtliche Konsequenzen hat, werde derzeit geprüft, so die Kriminalpolizei in Fürstenfeldbruck. Die Plakate wurden Anfang der Woche in der Dachauer Innenstadt, aber auch rund um die KZ-Gedenkstätte angebracht. "Wir werden die Teilnahme an kulturmarxistischen Zersetzungsprojekten seitens der Kirchen nicht länger hinnehmen", kündigen die Verfasser an.

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Ein Mitglied des Vereins "Runder Tisch gegen Rassismus" wurde zufällig auf die Plakate aufmerksam. Der Verein legte die Machwerke Vertretern der katholischen und evangelischen Kirche in Dachau vor und bat sie um eine Stellungnahme. Die Kirchenvertreter verurteilen die Plakate scharf. "Die Verfasser zimmern sich ihr eigenes Glaubensmodell, das eindeutig nationalistisch und fremdenfeindlich ist", betont etwa Ludwig Schmidinger, Bischöflicher Beauftragter für die KZ-Gedenkstättenarbeit der Erzdiözese in Dachau. Die Forderungen der anonymen Plakatverfasser seien nicht mit dem christlichen Glauben vereinbar, sondern stünden vielmehr in einem direkten Widerspruch.

Björn Mensing, Pfarrer der evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte, verurteilt die Plakate ebenso deutlich. Kein gläubiger Christ vertrete solche Äußerungen. Aus den evangelischen Kirchengemeinden in Dachau habe er zwar schon öfter traditionell- konservative Stimmen gehört, die die christliche Kultur in Deutschland bedroht sehen. Zu den Plakaten sieht Mensing dennoch "kaum Anschlusspunkte". Auch der evangelische Pfarrer vermutet deshalb eine Verbindung zum rechten Spektrum. Die evangelische Stadtdekanin Barbara Kittelberger bezieht ebenfalls deutlich Stellung dazu. "Ich verurteile das aufs Schärfste."

Die Gruppierung "Patriotische Christen Deutschlands" sei dem "Runden Tisch" gegen Rassismus vor der Plakataktion kein Begriff gewesen, sagt Alexander Erdmann, Sprecher des Vereins. Da man nicht genau weiß, wer hinter der Aktion steckt, sei es schwierig, Rückschlüsse auf die Verfasser zu ziehen. Erdmann hält jedoch eine Verbindung zu der "Identitären Bewegung" durchaus für möglich. Bei ihr handelt es sich um eine völkische Gruppierung, die für eine geschlossene europäischen Kultur plädiert und vor allem vor einer Islamisierung warnt.

Wer hinter der Gruppierung steckt, ist offen

In diesem Jahr sei die Gruppierung in Dachau bereits durch mehrere Aktionen aufgefallen. Sie habe Straßenlaternen und Schilder mit Stickern beklebt. Auf dem Dachauer Volksfest sei ein Banner mit der Aufschrift "Terrorangst auf'm Volksfest - Grenzen schließen" aufgetaucht, sagt Erdmann. Die Fachstelle Rechtsextremismus in München schließt eine Verbindung zu der Identitären Bewegung hingegen aus, auch wenn es natürlich ideologische Schnittstellen gebe. Sie vermutet eher eine Gruppierung aus dem christlich-klerikalen Spektrum hinter der Plakataktion.

Fest stehe jedoch, dass Dachau bislang die einzige Stadt in Bayern sei, in der Plakate der "Patriotischen Christen Deutschlands" aufgetaucht seien. Namensähnliche Gruppierungen wie die "Christlichen Patrioten Deutschland" (CPD), die dem rechten Spektrum zugerechnet wird, sind bereits früher in Erscheinung getreten - jedoch bislang zumeist nur im Internet, wie die Fachstelle Rechtsextremismus mitteilt. Ob es einen direkten Zusammenhang zwischen diesen Gruppen gibt, sei noch unklar.

Mittlerweile wurden die Plakate mit den rassistischen Äußerungen entfernt und an die Kriminalpolizei weitergeleitet. Der Sachverhalt werde aktuell geprüft, so die Kripo Fürstenfeldbruck. Man gehe nach jetzigem Stand jedoch nicht davon aus, dass der Fall strafrechtlich relevant sein werde. Wenn die Staatsanwaltschaft derselben Meinung ist, handelt es sich bei der Plakataktion um eine Ordnungswidrigkeit, da ohne Einwilligung der Besitzer Schaufenster beklebt worden sind.

© SZ vom 21.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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