Amtsgericht:Gefährliche Eifersucht

Zwei junge Frauen geraten in einer Dachauer Diskothek wegen eines Mannes aneinander. Eine von ihnen erleidet einen Nasenbeinbruch.

Von Renate Zauscher, Dachau

Die Wahrheitsfindung vor Gericht ist oft genug eine schwierige Sache. Davon konnten sich rund zwei Dutzend Auszubildende der Bereitschaftspolizei Dachau überzeugen, die am Dienstag als Zuschauer zu einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Dachau gekommen waren. Darüber hinaus konnten sie lernen, dass Eifersucht in Kombination mit allzu viel Alkohol eine hochexplosive Mischung ergeben kann.

In der Verhandlung ging es um den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung. Angeklagt war eine 32-jährige Dachauerin, die beschuldigt wurde, in einer Dachauer Diskothek einer anderen jungen Frau erhebliche Verletzungen zugefügt zu haben.

Die nicht ganz einfache Aufgabe von Richter Christian Calame bestand darin, abzuklären, was an jenem Tag im Juli vergangenen Jahres tatsächlich geschehen war. Laut der von Staatsanwältin Hannah Stoffer verlesenen Anklage hat die Beschuldigte, eine selbständig tätige Mutter zweier Kinder, einer anderen jungen Frau zunächst Hautabschürfungen und Blutergüsse zugefügt und Minuten später auch mit einer Handtasche so ins Gesicht geschlagen, dass es zu einer Nasenbeinfraktur, heftigen Blutungen und letztendlich einer Nasenoperation kam.

Kurioser Widerspruch

Die Beschuldigte wollte sich zu diesen Vorwürfen nicht äußern; ihr Verteidiger, Rechtsanwalt Ulli Windmaißer, verlas für sie eine Erklärung, in der es unter anderem um den Anlass für den Streit ging. Demnach sei die Bekannte, mit der die Freundesgruppe gemeinsam in die Disko gegangen war, dem damaligen Ex-Freund und heutigen Partner der Beschuldigten zu nahe getreten. Von Küssen und einem "Griff in den Schritt" war die Rede, was die als Zeugin geladene Kontrahentin jedoch bestritt. Auf der Toilette, wo Letztere zur Rede gestellt werden sollte, kam es dann zur handgreiflichen Auseinandersetzung.

Was aber geschah wenig später auf einer ins Freie führenden Treppe? Das Opfer der Eifersuchtsszene schilderte detailreich den Abend in der Diskothek und äußerte die Vermutung, ihre Kontrahentin habe mit der Handtasche zugeschlagen. Andere Zeugen, darunter ihr ehemaliger Freund sowie der Partner der Beschuldigten und ein weiterer Bekannter, hatten erst die blutend am Treppenabgang sitzende Frau wahrgenommen oder gar nichts gesehen und mochten auch einen Sturz der bereits stark alkoholisierten Frau gegen das Treppengeländer nicht ausschließen. Vielleicht sei sie auch gestolpert, als die Angeklagte sie stützen wollte.

Wichtig war Richter Calame die Aussage des damaligen Partners der verletzten Frau, dass sich diese am nächsten Morgen an nichts mehr erinnern konnte und nur "am Telefon hing", um sich bei Bekannten nach dem Hergang des Vorfalls zu erkundigen. Angesichts ihrer detailreichen Zeugenaussage empfand der Richter dies als "kuriosen Widerspruch". Auch sehr unterschiedliche Angaben dazu, wie oft das Opfer nach der Operation zum Dachauer Volksfest gegangen war, ließen Calame stutzen, ebenso Ungereimtheiten bei der Zeugenaussage des Vaters der attackierten Frau und die Tatsache, dass erst 17 Tage nach dem Vorfall über einen Rechtsanwalt Anzeige erstattet worden war.

Unklar, ob die Verletzungen von Schlägen mit einer Tasche herrühren

Aus dem Wirrwarr der Zeugenaussagen zogen Richter und Staatsanwältin unterschiedliche Schlussfolgerungen. Hannah Stoffer ging angesichts einer "aktiven, bewussten Tat" von gefährlicher Körperverletzung aus und plädierte für eine Geldstrafe und eine halbjährige Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden könnte. Der Verteidiger der Angeklagten reagierte mit dem Vorwurf, die Zeugenaussagen seien einseitig gewertet worden: Ein Nachweis, dass die Nasenverletzung von Schlägen mit einer Tasche herrühre, fehle, und die Zeugin schrecke offensichtlich nicht davor zurück, "vor Gericht die Unwahrheit zu sagen."

"Am Ende des Tages steht Aussage gegen Aussage", fasste Richter Calame zusammen. Die Türsteher hätten nichts gesehen, die Kameraaufzeichnungen der Diskothek seien bereits gelöscht. Auch Calame war der Meinung, dass "einiges gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin spricht." Nach dem Grundsatz "In dubio pro reo - im Zweifel für den Angeklagten" spreche er die Beschuldigte bezüglich des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung frei. Anders verhalte es sich, was die dem Opfer bei der Auseinandersetzung in der Toilette zugefügten, im Foto festgehaltenen Hautabschürfungen und Hämatome angehe. Calame hielt hierfür eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu 20 Euro für angemessen, was den geringen Einkünften der Angeklagten aus deren selbständiger Tätigkeit entspreche. Auch die Gerichtskosten wird die Frau großenteils übernehmen müssen.

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