Prozess vor dem Landgericht München II:Drogenumschlagplatz in Dachau

Lesezeit: 2 min

Wohngemeinschaft hortet 2,2 Kilo Haschisch und Marihuana sowie Kokain und Ecstasy

Von Benjamin Emonts, München/Dachau

Eine Wohngemeinschaft in Dachau war offensichtlich über längeren Zeitraum ein zentraler Umschlagplatz für verschiedene Arten von Drogen. Laut der Aussage des 29-jährigen Angeklagten in der Verhandlung am Dienstag vor dem Landgericht München II gingen dort regelmäßig Kokain, Amphetamin, Ecstasy und erhebliche Mengen Marihuana und Haschisch über den Tisch. Im Keller, der zu der Wohnung gehört, fand die Polizei mehr als 2,2 Kilogramm Hasch und Marihuana. Der Angeklagte aus Dachau packte nach seiner Inhaftierung im April 2016 aus und nannte den Ermittlern eine Reihe von Namen Dachauer Komplizen, gegen die nun auch Verfahren laufen.

Der Angeklagte selbst war einer der Dauergäste in der Wohngemeinschaft. Er soll an dem Handel, der von der Wohnung aus betrieben wurde, maßgeblich beteiligt gewesen sein. Seit Dienstag wird dem 29-Jährigen der Prozess am Landgericht gemacht: vorsätzliches unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Zwei Polizeibeamte führen ihn in Handschellen in den Gerichtssaal. Seit nunmehr 13 Monaten sitzt er in Stadelheim in Untersuchungshaft.

Der Angeklagte räumt vor Gericht ein, mehrfach eine bunte Mischung aus verschiedenen Substanzen über das Darknet, einen verschlüsselten und anonymisierten Teil des Internets, erworben zu haben. Die inzwischen geschlossene Seite "Shiny Flakes", auf der er seine Einkäufe erledigte, hat bereits eine gewisse Berühmtheit erlangt. Sie wurde von einem erst 20-jährigen Mann aus Leipzig betrieben. Von seinem Kinderzimmer aus hatte der junge Mann fast eine Tonne Drogen verkauft und damit vier Millionen Euro Umsatz gemacht. Das Landgericht Leipzig verurteilte ihn im November 2015 zu sieben Jahren Jugendstrafe. Etliche seiner Abnehmer wurden oder werden jetzt zur Rechenschaft gezogen. So auch im Landkreis Dachau. Erst im Januar verurteilte das Amtsgericht Dachau einen 30-jährigen Petershausener zu zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis, weil er über die Seite fast 800 Gramm Amphetamin bestellt hatte.

Der 29-jährige Dachauer, der sich jetzt vor dem Landgericht verantworten muss, bestellte zwischen November 2014 und Februar 2015 insgesamt fünfmal bei Shiny Flakes. Er ließ sich mehr als 250 Gramm Amphetamin, 125 Ecstasy-Tabletten, 18 Gramm Kokain und 25 Gramm der Partydroge MDMA an Briefkästen von Bekannten schicken, denen er im Gegenzug kleine Präsente verteilte und Vergünstigungen gab. Einen erheblichen Anteil der Drogen will der Dachauer für sich selbst behalten haben. Vor Gericht betont er immer wieder, ein Suchtproblem zu haben. "Ich möchte auf jeden Fall eine stationäre Therapie machen", sagt er.

Die Staatsanwaltschaft München II wirft ihm auch vor, mit den 2,2 Kilogramm Haschisch und Marihuana, die im Keller gefunden wurden, Handel betrieben zu haben. Ein Bekannter des Angeklagten soll die erhebliche Menge von einem Dachauer Dealer mit dem Spitznamen "Der Tscheche" für mehr als 20 000 Euro besorgt haben. Der Angeklagte räumt ein, zeitweise einen Schlüssel für das Haus besessen und freien Zugang zu den Drogen gehabt zu haben. Anders als von der Staatsanwaltschaft zur Last gelegt, will er aber nur rund 300 Gramm von seinem Bekannten angekauft und danach an Dritte veräußert haben. Mit anderen Worten: Er will von den Kilos zwar gewusst, aber nur indirekt etwas damit zu tun gehabt haben.

Der Vorsitzende Richter Oliver Ottmann hört sich mehrere Männer aus Dachau als Zeugen an, darunter ein 20-Jähriger, der bei der Polizei über den Angeklagten ausgepackt hatte, nachdem er selbst mit geringen Mengen erwischt worden war. Vor Gericht sagt er aber nur zögerlich aus. Auf Nachfrage des Richters bestätigt er, Angst zu haben. Erst vor wenigen Wochen sei er von einem Mann aus dem Umfeld des Angeklagten bedrängt worden mit den Worten: "Wir haben noch eine Rechnung offen."

Gegen zwei andere Zeugen, nämlich jene, die die Kilomengen Gras und Haschisch besorgt haben sollen, stehen die Verfahren noch aus. Sie machten von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, obwohl sie bei der Polizei noch Angaben gemacht hatten. "In Dachau ist das große Schweigen ausgebrochen", sagte der Richter. Das Urteil wird am Dienstag, 27. Juni, erwartet.

© SZ vom 24.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: