Prozess:Messerattacke auf Ehemann: Frau nennt Ehe ein Martyrium

  • Seine Frau hatte Ekrem S. mit sieben Messerstichen verletzt, dann aber den Notarzt gerufen.
  • Sie beschreibt ihre Ehe als Martyrium.
  • Dass er seiner Frau im Streit die Nase gebrochen hat, bestreitet er.

Von Andreas Salch, Dachau

Er hätte kein einziges Wort sagen müssen. Als Ehemann der Angeklagten Julia S. hätte sich Ekrem S. (beide Namen geändert) auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen können. In den frühen Morgenstunden des 3. August vorigen Jahres hatte seine Frau versucht, ihn im Schlaf mit einem Küchenmesser zu töten.

Jetzt muss sie sich wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht verantworten. Am Donnerstag trat Ekrem S. in den Zeugenstand. Immer dann jedoch, wenn der Vorsitzende Richter Oliver Ottmann, unangenehme Fragen stellte, machte der 36-Jährige einen Rückzieher und sagte nichts oder berief sich auf Erinnerungslücken.

Seine Frau hatte tags zuvor ihre Ehe als ein Martyrium der Gewalttätigkeiten geschildert. Sie hatte ihren Mann mit sieben Messerstrichen verletzt und dann doch den Notarzt gerufen.

Sonst wäre er verblutet. Ekrem S. ist seit der Tat arbeitsunfähig. Er befindet sich in psychologischer Behandlung. Nach der Messerattacke seiner Frau hatte er vor einem Ermittlungsrichter in Dachau gesagt, er habe kein Interesse daran, dass sie bestraft werde. "Ist das heute auch noch so?", fragte der Verteidiger von Julia S., Rechtsanwalt Werner Kränzlein. "Ja", antwortete Ekrem S. Der 36-Jährige wirkte apathisch. Er tritt in dem Prozess als Nebenkläger auf. Als solcher darf er während der gesamten Verhandlung im Gerichtssaal anwesend sein. Doch zum Auftakt am Mittwoch war er nicht erschienen. Seine Mutter sagte, ihr Sohn fühle sich nicht gut.

Fragen im Stakkato

Unwohl dürfte sich Ekrem S. auch bei seiner mehr als zweistündigen Vernehmung gefühlt haben. Im Stakkato kamen die Fragen von Richter Ottmann. Ob es zutrifft, dass er seiner Frau gedroht habe, sie solle zu Gott beten, dass sie den gemeinsamen Urlaub in Bosnien überlebe. "Ich weiß nicht", so die Antwort von Ekrem S.

Warum er Morddrohungen gegen seine Frau ausstoße, will der Vorsitzende wissen. "Das war nicht so gemeint." Der Richter hakt nach: "Warum?" Die Antwort: "Weil ich blöd bin." "Warum, warum?", insistiert Richter Ottmann und wird dabei lauter. "Sollte sie die Drohung ernst nehmen?" "Natürlich nicht", so Ekrem S. Ob seine Frau auf die Drohung hin hätte lachen sollen? "Sie hat keine Angst gehabt", antwortete S.

"Sie weiß, dass ich manchmal so einen Unsinn rede." Dass er seiner Frau bei einem Streit die Nase gebrochen haben soll, dazu wollte der Mann nichts sagen. "Es ist Ihr gutes Recht, sich hinter Ihrem Zeugnisverweigerungsrecht zu verstecken", sagt Richter Ottmann zu Ekrem S. und hält ihm vor, dass seine Frau im Vergleich zu ihm Manns genug gewesen sei, vor Gericht alles zu offenbaren und zu ihrer Tat zu stehen. "Sie können sich hier hinter ihrem Schweigerecht verstecken, fair ist das nicht."

Ihre Stelle wird freigehalten

An Ekrem S. scheint alles abzuprallen. Er bleibt dabei: Er wisse nicht, wie es dazu kam, dass seine Frau nach einem Streit mit ihm eine gebrochene Nase hatte. Und die blauen Flecken, die andere am Körper seiner Frau gesehen haben, fragt Richter Ottmann. "Keine Idee, was soll ich gemacht haben?", erwidert S.

Einmal, so hatte es Julia S. berichtet, habe sie ihren Mann angezeigt, trotz der Angst, die sie vor ihm gehabt habe. Als die Staatsanwaltschaft begonnen hatte zu ermitteln, gab die 35-Jährige klein bei - aus Rücksicht auf ihre Kinder.

Als Richter Ottmann Julia S. fragte, wie es ihr in der Untersuchungshaft gehe, hatte sie am ersten Prozesstag geantwortet: "So absurd es klingt, ich komme zur Ruhe." Zuhause bei ihrem Mann sei sie mit Angst ins Bett und mit Angst aufgestanden. Bis auf ihre Kinder fehle ihr im Gefängnis nichts. Die Kosten für den Anwalt von Julia S. hat ihre Chefin, eine Apothekeninhaberin, übernommen.

Julia sei die "Seele des Hauses", sagte sie. Ihre Stelle sei nicht neu besetzt worden und werde es auch nicht. "Auch wenn es Jahre dauern sollte," bis sie wieder komme, sagte der Sohn der Apothekeninhaberin. Der Prozess wird in zwei Wochen fortgesetzt.

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