Prozess in Dachau:Gewaltiges Arsenal

Der zweifache Vater gilt bislang als unbescholten - dann muss er sich wegen unerlaubten Waffenbesitzes vor Gericht verantworten. Der Mann, der sich als Sammler bezeichnet, wird zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Von Benjamin Emonts

Polizei Miltenberg deckt Waffenarsenal auf

Zwei Schrotflinten fand die Polizei am Arbeitsplatz des Angeklagten.

(Foto: dpa)

Die Situation, mit der zwei Polizisten in einer Nacht im Februar 2013 konfrontiert werden, lässt Böses ahnen: In einer Straße in Dachau wartet eine völlig aufgebrachte Frau auf die Beamten und erzählt, ihr Lebensgefährte sei nach einem Streit mit einer Kiste voller Waffen und Munition mit dem Auto davon gefahren. Dann, eineinhalb Stunden später, kommt der Mann aus freien Stücken auf die Dachauer Inspektion und stellt sich. Mit dabei hat er die Holzkiste, in der sich eine Signalpistole, wie sie die Bundeswehr benutzt, eine halb automatische Kurzwaffe und jede Menge Munition befinden.

Fast ein Jahr später stellt sich das Dachauer Amtsgericht die Frage: Was will ein Mann, der Vater zweier Kinder ist und bislang strafrechtlich noch nie auffällig geworden war, mit solchen Militärwaffen? Der gut gekleidete Mann auf der Anklagebank, ein 46-jähriger Diplomingenieur aus München, beantwortet die Frage ebenso kleinlaut wie zögerlich: "Ich muss schon sagen, dass ich eine gewisse Affinität zu Waffen habe."

Die Formulierung ist - gelinde gesagt - eine Untertreibung. Als der Mann nämlich in jener Februarnacht gegen Mitternacht sein ohnehin schon beängstigendes Waffenarsenal in einer etwa 50 Kilo schweren, massiv verschraubten Holzkiste auf die Dachauer Polizeistelle bringt, räumt er zudem ein, zwei Schrotflinten an seinem Arbeitsplatz versteckt zu haben. Als die Polizei seinen Spind wenige Stunden später durchsucht, findet sie neben den zwei doppelläufigen Waffen, die in einem fabrikneuen Zustand sind, mehr als 4000 Schuss Munition, darunter überwiegend Schrotpatronen. Der Sachbearbeiter der Dachauer Polizei sagt vor Gericht: "Das war eine gigantische Menge. Unsere Bestände auf der Dienststelle sind kleiner."

Warum also? Der Angeklagte gibt an, mit dem Kauf der Waffen seiner Liebhaberei, seiner Sammlerleidenschaft zu frönen. Er sagt: "Ich habe aus den Waffen keinen einzigen Schuss abgefeuert." Ein Sachverständiger der Kripo Eching will das vor Gericht zwar nicht bestätigen, räumt aber ein, dass die Waffen in einem so sauberen Zustand seien, dass ein exzessiver Schussgebrauch auszuschließen sei. Dafür spricht auch, dass der Angeklagte - abgesehen von den zwei Schrotflinten - seine Waffen und die dazugehörige Munition in der Holzkiste so sicher verstaut hatte, dass die Polizei sie nur mit einem Brecheisen öffnen konnte. Dabei gab der Angeklagte an, schon vor geraumer Zeit den Plan gefasst zu haben, die Kiste an einem sicheren Ort zu vergraben. Der Grund: "Meine psychisch angeschlagene Lebensgefährtin hatte immer wieder Suizidgedanken geäußert und mir mehrfach mit einer Anzeige bei der Polizei gedroht." Wegen der Waffen, versteht sich.

Ob der Angeklagte am Abend des Streits sein Arsenal tatsächlich aus Angst vor seiner Frau mitgenommen hat, bleibt Spekulation. Fest steht aber, dass Amtsrichter Alexander Strafner das vollumfängliche Geständnis des Angeklagten für glaubwürdig hielt. "Ich glaube Ihnen, dass Sie nicht wild mit den Waffen rumgeschossen haben." Die Staatsanwaltschaft legte dem Angeklagten dennoch eine "gewisse Sorglosigkeit" zur Last. Von den Waffen, die zeitweise relativ offen zugänglich gewesen seien, gehe schließlich ein großes Gefährdungspotenzial aus, ganz abgesehen von der Vielzahl der Gegenstände, die konfisziert wurden.

Dass der Angeklagte mit einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung und einer Geldauflage von 5000 Euro relativ glimpflich davon kam, lag insbesondere daran, dass er die Waffen "freiwillig der Polizei ausgehändigt hat", wie Richter Strafner betonte. Zudem habe der Angeklagte keine Vorstrafen und eine günstige Sozialprognose. Die könnte sich nach dem Urteil jedoch ändern: Der Ingenieur muss zwei Mal im Jahr beruflich in die USA. Vorbestraften wird die Einreise in der Regel verweigert.

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