Profi-Fußball:Glücklich in Amerika

SAN JOSE CA MAY 06 San Jose Earthquakes midfielder Florian Jungwirth 23 stretches out to knock; Florian Jungwirth San Jose Earthquakes

Defensiv-Spezialist Florian Jungwirth bei einem Spiel der San José Earthquakes gegen die Portland Timbers.

(Foto: Bob Kupbens/Imago/Icon SMI)

Der Karlsfelder Florian Jungwirth wechselte von der Bundesliga in den amerikanischen Profi-Fußball. Seit einem Jahr lebt der 28-Jährige in Kalifornien. Im Interview spricht er über prominente Gegenspieler, taktische Defizite im Spiel der Major League Soccer und seinen TSV-Karlsfeld-Schal

Von Benjamin Emonts

Der gebürtige Karlsfelder Florian Jungwirth hat für 1860 München, Dynamo Dresden, den VfL Bochum und Darmstadt 98 im deutschen Profi-Fußball gespielt. Seit einem Jahr lebt er nun in Amerika: Im Januar 2017 wagte Jungwirth den außergewöhnlichen Schritt in die höchste amerikanische Fußball-Liga, die Major League Soccer (MLS). Dort könnte er auf Ex-Nationalspieler Bastian Schweinsteiger treffen, der seit März 2017 für Chicago spielt. Mit den San José Earthquakes startet Jungwirth im März in seine zweite Saison. Im Interview mit der Dachauer SZ erzählt der 28-Jährige, wie er sich in den USA zurecht findet und ob er womöglich Pläne schmiedet, wieder nach Deutschland zurück zu kehren.

SZ: Wie fühlt es sich an, in Kalifornien zu leben?

Florian Jungwirth: Richtig gut. Ich fühle mich hier sehr wohl und habe mich wunderbar eingelebt mit meiner Frau und unseren drei Hunden. Die Menschen hier sind sehr freundlich und hilfsbereit. Wir haben uns sofort akzeptiert und gut aufgenommen gefühlt.

Wie kann man sich den Alltag eines Fußball-Profis in Kalifornien vorstellen?

Ähnlich wie in Deutschland. Ich habe Dienstag und Donnerstag jeweils zwei Trainingseinheiten und montags und mittwochs jeweils eine. Die Reisen zu Auswärtsspielen, besonders an die Ostküste, nehmen allerdings sehr viel Zeit in Anspruch. Ansonsten bin ich mit meiner Frau und meinen Hunden eigentlich immer unterwegs. Wir haben hier ja immer gutes Wetter und leben in einer wundervollen Gegend mit Bergen, Meer und Städten wie San Francisco vor unserer Haustür.

Erkennen die Menschen auf den Straßen von San José Sie als Fußballer wieder?

Nein (lacht). In Amerika spielt der Fußball wirklich nicht die erste Geige. Die Sportart ist zwar im Kommen, aber Basketball und Football haben immer noch Monopol-Stellung. In Deutschland war das mit der Bekanntheit aber auch nicht viel anders. Außer als ich bei Dynamo Dresden spielte, hat mich auch keiner auf der Straße erkannt.

Wie kam es zum Wechsel in die USA?

Ich hatte schon immer den Traum, irgendwann mal im Ausland zu spielen und zu leben. Amerika stand immer ganz oben auf meiner Agenda, aber einen Kontakt herzustellen, war sehr schwer. Wie so oft, hat dann der Zufall geholfen. Der neue Sportdirektor in San José kommt aus Europa und mein alter Jugendtrainer kennt ihn sehr gut. Er wusste von meinem Wunsch, nach Amerika zu gehen, und hat den Kontakt klar gemacht. Am Ende hat sich der Sportdirektor dann ein paar Videos mit Spielen von mir angeschaut und es hat Gott sei Dank geklappt mit der Verpflichtung.

Mit Darmstadt sind Sie im Jahr 2015 sensationell in die Bundesliga aufgestiegen und haben den Klassenerhalt geschafft. Ihr Wechsel kam deshalb für viele überraschend. Böse Zungen haben sogar behauptet, Sie seien wegen des Geldes ins Ausland gegangen.

Geld war für mich mit Sicherheit nicht der ausschlaggebende Punkt. Im Vergleich zu meinem Bundesliga-Vertrag in Darmstadt habe ich finanziell sogar Abstriche gemacht. Und das ist kein Geheimnis. Die Gehälter werden in Amerika offengelegt, das lässt sich problemlos alles googeln.

Sie haben 30 von 36 Spielen in der ersten Saison in der MLS von Beginn an absolviert und sogar zwei Tore geschossen, obwohl das nicht zu Ihren Stärken zählt. Wie waren Sie insgesamt zufrieden mit Ihrer ersten Spielzeit in den USA?

Ich denke, wir können auf jeden Fall zufrieden sein. Wir haben zum ersten Mal in fünf Jahren die Playoffs erreicht und sind im Pokal bis ins Halbfinale gekommen. Für uns war das ein guter Erfolg. In der kommenden Saison geht es jetzt darum, mit unserem neuen Trainer die Lücke zu den Top-Teams zu schließen.

Wie unterscheidet sich der Fußball in Amerika von dem in Deutschland?

Hier wird ein sehr technischer und athletischer Fußball gespielt, der im taktischen Bereich allerdings Defizite hat. Das Niveau ist mit der ersten deutschen Bundesliga nicht zu vergleichen, dazu ist der Qualitätsunterschied zu groß. Besser als die zweite Liga ist die MLS aber schon, vor allem wenn man die Qualität der Einzelspieler betrachtet.

In der MLS haben zuletzt einige ehemalige Top-Stars aus Europa gespielt. Auf wen sind Sie auf dem Platz schon getroffen?

Unter anderem auf Kaká, Andrea Pirlo und David Villa. Das war schon noch mal was anderes, als in der Bundesliga gegen Bayern oder Dortmund zu spielen. Pirlo und Kaká waren die Idole aus der eigenen Kindheit, Legenden. Das war schon eine tolle Geschichte.

Neulich hat man Sie im Training bei Ihrem Ex-Verein TSV 1860 München gesichtet. Steht da etwa ein Wechsel zurück in die Heimat kurz bevor?

(lacht). Nein, nein, nein. Ich kenn nur den Bierofka noch, den Trainer von 1860, und hatte jetzt drei Monate frei und wollte mich ein bisschen fit halten. Für mich war das natürlich eine feine Sache von den Löwen, dass ich mit trainieren durfte, mal wieder am Trainingsgelände sein und in der Vergangenheit schnuppern konnte.

Keine Chance also auf eine Rückkehr?

Nein, ich denke nicht. Ich fühl mich einfach wohl in Amerika und kann mir gut vorstellen, meine Karriere hier zu beenden. Und dass aus der Bundesliga noch mal ein Angebot kommt, ist eher unwahrscheinlich.

Als Sie mit Darmstadt aufgestiegen sind oder mit San José die Playoffs erreicht haben, haben Sie stolz den Schal Ihres Heimatvereins Eintracht Karlsfeld in die Kamera gehalten. Wann bekommen wir den Schal das nächste Mal zu sehen?

Natürlich hoffe ich, den Karlsfeld-Schal bald wieder in die Luft strecken zu können. Der Traum von einem Titel in Amerika lebt natürlich genauso wie die Teilnahme an der Concaf Champions League. Beides wären auf jeden Fall Gründe für ein cooles California-Karlsfeld-Bild.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: