Porträt:Zwölf Krüge auf einen Streich

Volksfest 2015

In jeder Hand sechs Krüge, mehr geht nicht: Hilde Giegel auf dem Volksfest Dachau.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Seit 30 Jahren bedient die 51-jährige Hilde Giegel auf dem Volksfest Dachau. Dafür opfert sie ihren Urlaub. Dumme Anmachsprüche nimmt sie mit Humor: "Wenn ich keinen Spaß verstehe, dann muss ich aufhören"

Von Manuel Kronenberg

DachauGlück gehabt. Hilde Giegels Schicht auf dem Dachauer Volksfest beginnt an diesem Nachmittag um 16 Uhr, und sie hat die sechs Biertische links neben der Bühne zugewiesen bekommen, die direkt am Ausgang zum Biergarten liegen. Bei diesen Temperaturen, die das Zelt in eine Sauna verwandeln, lässt es sich hier ganz gut aushalten. Immer wieder weht frische Luft durch die offenen Zeltwände.

Voll ist das Zelt um diese Uhrzeit noch nicht, aber ein paar Gäste sitzen schon an den Tischen, deren Ecken mit Kreppband beklebt sind. Darauf steht mit schwarzem Filzstift "Hilde" geschrieben. Die Blaskapelle spielt munter ihre Volkslieder, als die 51-Jährige im Dirndl die Bestellung von acht Leuten aufnimmt. Sie beugt sich über den Tisch, um alles zu verstehen. Ihre kleinen Sternchenohrringe wackeln. Im Bedienen auf Volksfesten ist die Frau mit den dunkelroten Haaren ein richtiger Profi. In Dachau arbeitet sie schon seit dreißig Jahren. Angefangen zu bewirten hat sie aber schon, als sie 17 war. Damals bediente sie auf dem Volksfest in Olching, um ihr Taschengeld ein wenig aufzubessern. Jetzt ist sie regelmäßig bei drei Volksfesten mit dabei, in Olching, in Dachau und seit zwölf Jahren auch beim Münchner Oktoberfest. Ans Aufhören denkt sie noch nicht. "Solange es noch Spaß macht, bin ich dabei", sagt sie und lächelt.

Giegel macht sich auf den Weg zur Schenke, um die bestellten Biere abzuholen. Dort reiht sie sich in der kurzen Schlange zwischen ihren Kollegen ein. Etwa 80 Bedienungen verteilen sich auf drei Schenken. "Mehr als zwölf Masskrüge auf einmal nehme ich aber nicht", sagt Giegel. Das sind mehr als 24 Kilogramm. Es gibt aber ein paar Tricks, die das Tragen erleichtern. So steckt Giegel die Henkel der Krüge ineinander, die äußeren Henkel in den mittleren. Zwei von rechts rein, zwei von links. "Und den sechsten nimmt man dann einfach mit dem Daumen." In jeder Hand sechs Krüge, die Giegel dann vor dem Körper gegeneinanderdrückt. Es gibt auch andere Methoden, zum Beispiel die Krüge gegen den Körper zu pressen. "So will ich das aber nicht tragen. Weil man dann klatschnass wird." Mit der Zeit bekomme man vom ständigen Tragen schon ein paar Muskeln in den Armen, erzählt Giegel. Die 51-Jährige geht normalerweise einer Vollzeitbeschäftigung als Buchhalterin nach. Gerade hat sie sich von ihrer Arbeit freigenommen. "Ich opfere meinen Urlaub", sagt sie. In ihrem Arbeitsvertrag ist sogar explizit festgehalten, dass sie zu den Volksfesten Urlaub nehmen kann. "Es macht Spaß hier zu arbeiten, aber es hat auch finanzielle Gründe."

Wichtig sei es an dem Job, einige Dinge mit Humor nehmen zu können, sagt Giegel. "Es gibt ab und zu schon auch ein paar dumme Anmachsprüche. Aber ich hab das nie böse gesehen. Wenn ich keinen Spaß verstehe, dann muss ich mit dem Job aufhören." Es gebe zwar auch nervige Gäste - besonders betrunkene Fußballfans, die sich zoffen, weil jemand den Schal vom falschen Verein trägt, kann Giegel nicht leiden. Aber insgesamt machen sie ihr keine Probleme. Sie hat sogar Stammgäste. Sie kenne ein Pärchen, das sich in München an ihrem Tisch kennengelernt hat. "Die sind jetzt verheiratet und kommen immer wieder zu mir, auch mit ihren Kindern. Das ist so schön, macht richtig Spaß."

Auf dem Dachauer Volksfest gefällt es Giegel am besten. In Olching gebe es zu viel Auswahl an Getränken, Kellerbier, dunkles Bier, Weinschorle. Das mache die Arbeit für die Bedienungen viel schwerer. "Da kann man nicht einfach ein paar Mass mitnehmen, die man dann schon los wird." Auf dem Oktoberfest störe sie, dass immer zwei Tische zusammengeschoben werden. In Dachau gibt es dagegen nach jeder Tischreihe auch einen Gang. Wenn man in München etwas in die Mitte des Tisches reichen möchte, müsse mindestens ein Gast beim Reichen helfen. "Wenn dann der mit dem Finger in die Soße reinlangt und probiert, ob sie ihm schmeckt, ist das nicht so appetitlich." Auch weil das Aufstehen und Hinsetzen durch die Anordnung der Tische so lästig ist, wirke sich das negativ auf die Stimmung aus. "In Dachau ist die Stimmung hundert Prozent besser", resümiert Giegel. In dem stickigen Zelt bringt das stundenlange Krüge tragen selbst die erfahrene Bedienung ins Schwitzen. Bei der Hitze trinken die Gäste weniger Bier, sagt sie. "Aber das Wichtigste ist ja, dass wir alle wieder gesund nach Hause gehen."

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