Porträt:Das ist der Mann hinter den Tatort-Augen

Porträt: Horst Lettenmayer im Büro seiner Firma in Dachau Ost. Das Bild an der Wand wird von seiner berühmtesten Erfindung erleuchtet

Horst Lettenmayer im Büro seiner Firma in Dachau Ost. Das Bild an der Wand wird von seiner berühmtesten Erfindung erleuchtet

(Foto: Toni Heigl)

Horst Lettenmayer hat die vielleicht berühmtesten Augen des deutschen Fernsehens. Karriere hat der Mann aus Dachau aber mit etwas anderem gemacht.

Von Viktoria Großmann, Dachau

In Horst Lettenmayers Wohnung in Dachau Ost gibt es keine Bücher. Auffällig sind die filigranen Lampen - an der Eingangstür, über dem Küchentisch, auf dem eine aktuelle Zeitung liegt, über dem Flügel. Einmal antippen, schon fließt das Licht. Ein Gemälde an der Wand zeigt einen jungen Mann im Theaterkostüm mit weißer Halskrause. Es ist Lettenmayer als Paulet in Schillers Maria Stuart. Darüber biegt sich zierlich eine Bilderlampe. In Museen und bei Kunstfreunden weltweit hängt diese Leuchte. Sie ist Lettenmayers bekanntestes Werk. Beinahe.

Fast die ganze Nation kennt die blauen Augen des jungen Horst Lettenmayer. Wer sich Klaus Doldingers Tatort-Musik in den Sinn ruft, der sieht die Augen im Fadenkreuz vor sich. Ein Mann, wie er rennt. Nur kurz, schemenhaft ist auch Lettenmayers Gesicht zu sehen. 1970 drehte die ARD den Vorspann für einen neuen Krimi, ein Pilot sollte es werden für möglicherweise eine ganze Reihe. An diesem Sonntag läuft im Ersten die 1002.

Tatort-Folge. In seinem zweiten Leben ist Horst Lettenmayer Unternehmer. In Dachau betreibt er seine Betec Licht AG, wobei Betec nichts anderes ist als eine Abkürzung für Beleuchtungstechnik. Seine Lampen werden in kleiner Stückzahl im Erdgeschoss des schlichten Gewerbebaus unweit des Kräutergartens hergestellt. Vor einer Woche erhielt die Firma einen Auftrag für 120 Bilderleuchten für das Hôtel de Paris in Monte Carlo.

Eine Mischung aus Jean-Paul Belmondo und Alain Delon

In seinem ersten Leben wollte Lettenmayer ein junger wilder Schauspieler sein, vom Typ her eine Mischung aus Jean-Paul Belmondo und Alain Delon. Ihm ist gelungen, wovon viele junge Darsteller vermutlich träumen: Er wurde berühmt.

Einen Namen machte er sich nicht. Gäbe es diese Geschichte nicht, diesen "Pseudoerfolg", wie Lettenmayer ihn nennt, er würde heute vielleicht selbst nicht mehr davon reden, dass er ein Schauspieldiplom hat. Es wäre sein Jugendleben. Das Leben vor der eigentlichen Arbeit. So aber blieb die Schauspielerei immer Teil seiner Geschichte. Zu Jahrestagen und anderen Jubiläen wird Lettenmayer gebeten, noch einmal zu erzählen, wie er als 29-Jähriger auf dem alten Münchner Flughafen in Riem herumrannte, wie er am Ende 400 D-Mark bekam und alle Rechte abtrat. Lettenmayer ist dann immer auch gezwungen, die Geschichte eines Misserfolgs zu erzählen.

Er war auf der Falckenberg-Schule in München gewesen, die Aufnahmeprüfung hatte er sogar an zwei Schulen bestanden. Er trat an den Kammerspielen auf, inszenierte und schrieb selbst Stücke. "Ich hätte gerne als Schauspieler Karriere gemacht." Sein Wunsch, auf der Bühne zu stehen, kommt nicht aus dem Nichts. "Ich war ein verzogener Schola-Bub." Der kleine Horst hatte eine schöne Stimme, er sang bei den Rottweiler Sängerknaben. Der Chor ist viel unterwegs. In der Kirche gefällt es ihm: "Es hat gut gerochen, die Musik war in Ordnung und das Licht hat gestimmt." Als Kind in den Fünfzigerjahren sieht Lettenmayer bereits Rom, singt vor dem Papst. Viel später, sagt er, "hab ich bei Kardinal Marx die Leuchten montiert." Betec-Leuchten hängen in Luxushotels, U-Bahnhöfen, privaten und königlichen Palästen weltweit. Doch der Bombast der Kirche gefällt dem erwachsenen Lettenmayer nicht mehr. Das ist ihm nicht ehrlich genug, er tritt aus. Dieselbe Moral zwingt ihn später, sein Schauspielerleben aufzugeben.

Streit um 'Tatort'-Vorspann

Seit 1970 im Fadenkreuz: Horst Lettenmayers blaue Augen.

(Foto: wdr/dpa)

Ein Künstlerleben liegt zunächst im arbeitsamen und sparsamen Elternhaus im Schwarzwald fern. Der Stiefvater schickt den jüngsten von drei Brüdern zu Bosch in die Lehre. Erst danach geht er nach München zum Studium - Elektrotechnik. Als Praktikant bei Siemens steht Lettenmayer im Orchestergraben der Staatsoper in München. Lettenmayer atmet Bühnenluft. Der Entschluss reift: Er möchte Schauspieler werden.

"Ich gebe immer Vollgas, ich veräußere mich."

Doch es wurde alles nichts richtiges. Lag vielleicht auch an Lettenmayer selbst. "Ich bin kein Hyper-Moralist", sagt er. Aber er hat keine Lust zu mauscheln. Er will sich nicht beliebt machen, er will für seine Leistung beachtet werden. Claus Peymann flößt dem jungen Schauspieler keinen Respekt ein. "Der war nicht geerdet." Lettenmayer fühlt sich nicht wohl in der Theater- und Fernsehwelt und besinnt sich auf das Studium, das er für die Schauspielschule abgebrochen hatte. Er kehrt zurück ans Polytechnikum und macht seinen Abschluss als Ingenieur. Den Schauspieler, den nimmt er einfach mit hinüber in sein zweites Leben.

"Ich bin ein Schauspieler-Chef", sagt er. "Ich gebe immer Vollgas, ich veräußere mich." Seine Arbeit ist seine Bühne. Ob er nun vor seinen Angestellten steht oder vor Kunden. Lettenmayer ist ein guter Erzähler. Er mag kein großer Leser, nicht einmal regelmäßiger Theaterbesucher sein. Er liebt die Musik, bis heute, bedauert, nicht Klavier spielen zu können. Für wen steht dann der Flügel im Wohnzimmer? "Ich veranstalte Konzerte." Noch lieber als darzustellen, setzt Lettenmayer selbst in Szene oder besser: ins richtige Licht. "Lampenmacher", nennt er sich selbst. Beleuchter trifft es eher.

Was auch immer Horst Lettenmayer angefangen hat, er hat es zu Ende gebracht. Kurz nach dem Uni-Abschluss gründet er seine Firma Betec. Ein Ein-Mann-Unternehmen, zunächst mit einer Lampe. Er entwickelt weitere, stellt auf Design-Messen aus. Die Firma wächst und schrumpft auch wieder, heute hat er zehn Mitarbeiter, bildet auch Lehrlinge aus. "Die Firma ist mein Ideal, mein Lebenswerk", sagt Lettenmayer. Um die Jahrtausendwende sucht die Firma einen neuen Standort, 24 Mitarbeiter hat Betec damals. Neue, größere Räume werden gebraucht. München ist schon damals teuer. Da wird ihm Dachau vorgeschlagen. Der Preis ist gut, das Grundstück großzügig. Er darf sogar eine Betriebswohnung einbauen. Lettenmayer ziert sich. Längst hat die Firma Kunden in Amerika. "Ich hatte an Gauting gedacht, Gräfelfing oder Planegg." Dachau, so fürchtet er, kennen Amerikaner doch nur als Ort des Konzentrationslagers. Außenstehende denken so.

Sachwalter der Geschichte

Von Betec könnte er zu Fuß zur Gedenkstätte gehen, in keiner Richtung kann Lettenmayer seine Firma verlassen, ohne an den Mauern des ehemaligen KZ entlang zu fahren. Am Eingang seines Hauses im Gewerbegebiet hat Lettenmayer nach jüdischer Tradition eine Mesusa angebracht. Ein Geschenk eines israelischen Freundes. Lettenmayer hat ihn während seiner Schauspielerzeit in München kennen gelernt. Zehn Jahre lang habe er das junge, jüdische Theater München geleitet, sagt Lettenmayer. Er schwärmt immer noch davon. Es ist längst aufgelöst, doch die Freundschaft blieb bestehen. "Er sagt, ich bin sein Sachwalter in Dachau, dass so etwas nie wieder passiert."

Lettenmayer wohnt in Dachau. Ob er auch hier zu Hause ist, lässt er offen. Von der Dachterrasse hat er Aussicht ins Dachauer Moos, nur Grün, nichts stört den Blick. "Eigentlich ist der Ausblick nicht viel anders als der von meinem Haus in Frankreich." Statt der Alpen am Horizont sieht er dort die Pyrenäen.

Lettenmayer ist nicht bescheiden. Er ist 75, er blickt selbstbewusst und zufrieden auf sein Leben. Im Januar wird er seine 25-jährige Tochter zum Vorstand machen, er selbst wird dann Aufsichtsrat sein. Die Firma ist heute eine Aktiengesellschaft, wenn auch nicht börsennotiert. Aufsichtsrat und Vorstand bestehen aus Familienmitgliedern. Er will sich langsam zurückziehen. Er hat angefangen, seine Autobiografie zu schreiben: Sie handelt von einem erfolgreichen Leben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: