Nächtliche Streifzüge:Polizei fasst Sprayer

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In Dachau-Ost, hier in der Falkenauer Straße, verunstalteten die Täter eine ganze Nachbarschaft mit ihren Schriftzügen. (Foto: Privat)

Zwei junge Männer haben in ganz Dachau Wände, Straßen und Schilder mit Farbe besprüht. Jetzt erstatten die Stadt und die KZ-Gedenkstätte Anzeige

Von Benjamin Emonts, Dachau

Fast ein Jahr lang beschmierten unbekannte Täter Häuser, Garagen, Straßenschilder und Bushaltestellen in Dachau; mit ihren inhaltsleeren Sprüchen machten sie selbst vor Spielplätzen, Schulen oder Info-Tafeln der KZ-Gedenkstätte nicht halt. Doch nun dürfte der böse Spuk ein Ende haben. Wie die Dachauer Polizei mitteilt, hat sie inzwischen zwei junge Männer aus Dachau ermittelt, die dringend tatverdächtig sind. Sie sollen für 170 Schmierereien im Stadtgebiet verantwortlich sein. Etliche Geschädigte, darunter die Stadt Dachau und die KZ-Gedenkstätte, haben Strafanzeige gegen die 19- und 20-jährigen Männer erstattet. Der Dachauer Hauptamtsleiter Josef Hermann kündigt an: "Wir werden den entstandenen Schaden geltend machen - notfalls auch vor Gericht."

"So eine Serie haben wir in diesem Ausmaß in Dachau noch nicht gehabt", betont die Polizistin Andrea Widmayr, die sich in der Dachauer Inspektion ausschließlich mit illegalem Graffiti beschäftigt. Widmayr schätzt den entstandenen Schaden auf mindestens 50 000 Euro. Derzeit ist sie noch damit beschäftigt, die mehr als 80 Geschädigten über den Fahndungserfolg zu informieren. Ihren Postsendungen liegt auch ein Strafantrag bei. "Ich habe hier schon einen ganzen Stapel ausgefüllt vor mir liegen", sagt die Polizistin.

Die nächtlichen Streifzüge der jungen Männer ereigneten sich zwischen August 2016 und Juli 2017. Bis zum Jahreswechsel konzentrierten sich die Täter zunächst auf Dachau-Ost. Besonders östlich der Würmstraße besprühten sie wahllos Häuser, Gartenmauern, Restaurants, Geschäfte, Garagen, Straßenschilder, Schulen, Spielplätze, Straßen und Mülltonnen. Nach Weihnachten kehrte dann einige Monate Ruhe ein, bevor die Täter ihre Streifzüge Ende April nach Dachau-Süd und in die Altstadt verlagerten. Dort beschmierten sie unter anderem die Martin-Huber-Treppe, das Parkhaus in der Wieninger Straße oder die Balustrade am Dachauer Schloss. Auch ein Trafohäuschen der Dachauer Stadtwerke verunstalteten sie. Selbst Straßen besprühten sie mit Farbe.

Die Anwohner blieben lange ratlos zurück. Öffentliche Zeugenaufrufe brachten vorerst nichts. Im Mai dieses Jahres begingen die Verdächtigen dann einen entscheidenden Fehler. Die Videokamera eines Restaurants, an dem sie zu Gange waren, hatte sie aufgezeichnet. Ein Dachauer Polizist erkannte den 20-Jährigen wieder. Er war wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz bereits polizeibekannt.

Bei einer Hausdurchsuchung bei dem Mann in Dachau-Ost stellten die Fahnder Spraydosen und Benzinstifte sicher, außerdem beschlagnahmten sie Blätter, auf dem der Verdächtige seine Schriftzüge geübt hatte. Andere Hinweise aus der Wohnung führten zu einem zweiten Tatverdächtigen. Von der ersten Hausdurchsuchung ließen sich die beiden Männer, die beide auf freiem Fuß blieben, aber nicht abhalten. Bei einer Routinekontrolle durch die Polizei war einer der Männer plötzlich weggelaufen. An seinen Händen stellten die Beamten frische, rote Farbe fest, welche die beiden auf der Ostenstraße zuvor auf einen Lastwagen und einen Anhänger gesprüht hatten. Ihre "Tags", wie die kurzen Signaturen in der Szene genannt werden, sind meist in roter oder schwarzer Farbe gesprüht. Immer wieder taucht der Schriftzug "ACAB" auf, eine Abkürzung für "All Cops are Bastards." Mit der Zahlenkombination "1312" ist der Platz dieser Buchstaben im ABC gemeint; "85" steht für die ersten zwei Zahlen der Dachauer Postleitzahl. "Das ist mutwillige Sachbeschädigung, nichts anderes", sagt Polizistin Andrea Widmayr. Der betroffene Anwohner Roland Fryda, dessen Gartenmauer und Garage beschmiert wurden, schätzt den Schaden auf 1500 Euro. "Ich glaube nicht, dass die Täter dafür aufkommen werden", sagt er. "Aber wir sind alle erleichtert, dass sie ihr Unwesen hier nicht mehr treiben."

© SZ vom 21.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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