Poetischer Herbst:A griabiger Abend

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Ganz im Sinne des Einakters "Waldfrieden" eröffnet die Ludwig-Thoma-Gemeinde den Poetischen Herbst. Und die gesamte Gaststube des Freudenhauses wird zur Bühne.

Von Dorothea Friedrich

Brigitte Fiedler und Markus Kurbanoglu im Thoma-Stück "Waldfrieden" im Freudenhaus von Kleinberghofen. (Foto: Toni Heigl)

Gehörig umschauen würde er sich, der Herr Rechtsanwalt und Schriftsteller Ludwig Thoma, wollte er heute im Gasthof Rothenfußer in Kleinberghofen zusammen mit seinem Münchner Verleger Albert Langen eine Jagdgesellschaft geben. "Freudenhaus" steht nämlich auf dem Wirtshausschild. Aha, würde sich Thoma vielleicht denken. Auch die Einrichtung würde die mehr oder minder illustre Männergesellschaft zumindest partiell nicht wiedererkennen. Eine Art Lounge ist aus einem der Gasträume geworden. Zwei weitere aber sind so, wie sie vielleicht schon zu Thomas Zeiten waren: viel Holz, lange Bänke und Tische, alte Fotos an den Wänden. Die möglicherweise etwas devote Haltung der damaligen Wirtsleute ist hingegen dem freundlich-fröhlichen Service von Wirtin Elisabeth Baum und ihrer Mitstreiter gewichen. Statt Zither und Dreigesang gibt es bisweilen sehr moderne Musik. Ein Gasthaus also, das sich den Zeitläuften angepasst hat - und seinen Beitrag dazu leistet, dass das Wirtshaussterben nicht ein weiteres Opfer fordert.

Deshalb hat sich das Freudenhaus als idealer Ort für den Auftakt des diesjährigen Poetischen Herbstes erwiesen. Steht die von Kreisheimatpflegerin Birgitta Unger-Richter und dem Dachauer Forum organisierte Veranstaltungsreihe doch unter dem Motto "Wirts(h)aus". Noch bis in den November hinein singen, spielen, erzählen, Musikanten, Sänger und Schauspieler in vielen alten und neuen Lokalen im Landkreis Geschichten rund um das dörfliche Refugium, das einst zum Leben gehörte wie die Kirche und der Kramerladen.

Ein publikumswirksames Thema, denn der Saal im Obergeschoss der Wirtschaft ist gesteckt voll. Dirndl und Lederhosen oder zumindest Trachtenbluse und -janker bestimmen die Kleiderordnung. Es wird gegessen und getrunken, geratscht und gelacht. Bis auch der letzte Nachzügler seinen Platz gefunden hat, bleibt Zeit fürs Politisieren mit dem CSU-Abgeordneten Bernhard Seidenath, mit Bezirkstagspräsident Josef Mederer, mit der stellvertretenden Landrätin Eva Rehm beispielsweise. Echte Wirtshausatmosphäre also in einem denkmalgeschützten Haus.

Was wäre da passender, als den literarischen Säulenheiligen der Region zu Wort kommen zu lassen? Dafür prädestiniert ist die Ludwig-Thoma-Gemeinde. Die hat sich Thomas Einakter "Waldfrieden" ausgesucht. Gespielt wird mitten unter den Zuschauern und auf der kleinen Bühne. Eine wahre Gaudi, zumal de Dachauer der Knabenkapelle Dachau zünftig aufspielt. Weil aber ein Einakter für eine veritable Premiere zu kurz wäre, gibt es außer Blasmusik noch Lesungen aus Werken des scharfzüngigen Oskar Maria Graf, des elegant-ironischen Lion Feuchtwanger, des bissigen Gerhard Polt und etlicher anderer. Ein Riesenprogramm, das einerseits die Spannung im animierten Publikum auf die Fortsetzung der Geschichte vom Waldfrieden steigert, andererseits zu leichten Ermattungserscheinungen bei einigen Zuschauern führt.

Damit ist aber Schluss, sobald Privatier Xaver Schanderl (Markus Kurbanoglu) nebst seinem Spezl, dem Baumeister Korbinian Huber (Thomas Westermaier), das Geschehen wieder dominieren. Schanderl will sich einen "griabigen Abend" machen, hat beim Wirt Sepp (Edi Hörl) 25 Liter Bier, einen Hecht blau, ein resches Hendl und einen Kaiserschmarrn geordert. Für die Zubereitung der Speisen ist die resolute Köchin Wally (Brigitte Fiedler) zuständig. Sie hatte vor Urzeiten mal ein Techtelmechtel mit dem "gnädigen Herrn" und lässt sich nur halb widerstrebend dessen erneute Avancen gefallen. Schanderl ist im Grunde aber mehr auf die Gesellschaft Korbinians erpicht. Nach etlichen Maß Bier gesteht er, dass seine "gebüldete Gemahlin" zwar "fließend Französisch spricht und anerkannt gut Klavier spielt", aber "a verrückte Bissgurn" ist. Sie hat im Hause Schanderl das Sagen und befiehlt dem Ärmsten letztendlich via Köchin Wally das sofortige Ende des traulichen Kneipenabends.

Wie das Darstellerquartett jede Szene in schönsten Bairisch auskostet, wie Kurbanoglu und Westermeier in ihren Disputen und Philosophierereien über das weibliche Geschlecht aufgehen ("die feine, die zärtliche Weiblichkeit, die hat das raus, wie man einen Menschen sekiert"), ist einfach köstlich. Dazu die fröhliche Zuschauergesellschaft, das alte Gasthaus mit seinem langen Flur und den knarrenden Holztreppen: schöner hätte die Premiere des Poetischen Herbstes nicht sein können. Die Verleihung der Bezirksmedaille an Siegfried Bradl für sein ehrenamtliches Engagement in Sachen BRK und Volkskultur verleiht ihr zum guten Schluss noch einen hochoffiziellen Touch.

Weitere Veranstaltungen: Die Ludwig-Thoma-Gemeinde spielt "Waldfrieden im Wirtshaus" am 13. und 27. Oktober (sonntags) um 18 Uhr in der Kulturschranne Dachau. Am Freitag, 11. Oktober, heißt es um 20 Uhr im Gasthof Peiß in Deutenhausen "Direkt aus'm Leben - mitten in da Wirtshausstubn" mit der Familienmusik Servi. Am Mittwoch, 16. Oktober, gibt es beim Kramerwirt in Hohenzell um 20 Uhr "Spuk im Moos" mit Jörg Baesecke und Rosmarie Schmid. Karten und Informationen beim Dachauer Forum.

© SZ vom 09.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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