Bürgerengagment für ein Kleinod:Kollbacher wollen ihre Frauenkirche erhalten

Lesezeit: 3 min

Warum die Bürger in Kollbach sich anstrengen wollen, um das baulich marode Gotteshaus zu erhalten. Und warum sie diese Aufgabe nicht der Kommunalpolitik allein überlassen wollen. Ein Blick auf Traditionen

Von Petra Schafflik, Petershausen

Löcher im Turmdach, feuchte Wände, beschädigte Altarfiguren: So desolat, wie sich die Frauenkirche in Kollbach heute präsentiert, hat sie auch in den 1970er Jahren schon einmal ausgesehen. Das zeigen Fotos, die Ortschronistin Renate Berberich im Gasthof Ostermair präsentierte. Wie schnell das renovierte Gotteshaus erneut baufällig werden würde, hatte damals niemand geahnt. Doch 2015 ergab ein Gutachten, dass die Kirche saniert werden muss, um den schon wieder absehbaren Verfall zu stoppen.

Zuständig für das auf Mariä Geburt geweihte Gotteshaus ist nicht die Diözese München-Freising, sondern die Gemeinde Petershausen, der das Baudenkmal gehört. Doch die Kollbacher Bürger wollen jetzt mithelfen, das bauhistorische Kleinod in ihrem Dorf zu erhalten. Einen "Freundeskreis Frauenkirche" haben Ortschronistin Berberich, Kirchenbetreuerin Annemarie Westenrieder, Hedwig Amon und die Projektpaten des Gemeinderats, Josef Gerer (CSU) und Josef Mittl (FW) gegründet. Sie sagen: "Wir hoffen, dass noch viele mitmachen."

Allein 250 000 Euro kosten Sofortmaßnahmen

Wie oft ihre Vorfahren über Jahrhunderte schon Geld, Arbeitskraft und Energie aufgebracht haben für die Frauenkirche, das führte Ortschronistin Berberich bei der Informationsveranstaltung des neu gegründeten Freundeskreises den Zuhörern eindrücklich mit vielen Fotos vor Augen. Das um 1288 im romanischen Stil erbaute Gotteshaus wurde im 30-jährigen Krieg "ausradiert", im gotischen Stil neu errichtet und 1675 barockisiert.

Die Bewohner des kleinen Bauerndorfs hatten damals viel investiert. Beispielsweise eine schöne Schweifgiebel. Auch "die reiche Gemäldeausstattung ist bemerkenswert", betont Berberich. Die finanziellen Möglichkeiten für die aufwendige Gestaltung hatten die Kollbacher vermutlich, weil die Kirche lange Ziel einer beliebten Marienwallfahrt war. Warum die Wallfahrt entstanden ist, sei unklar. "Aber kirchliche Matrikelbücher berichten von Wundertaten." Bei der Säkularisierung Anfang des 19. Jahrhunderts hatten die Bauern das Gebäude übernommen, das so in die Hand der Gemeinde kam. Doch das Umbauen und Sanieren ging weiter: Ein neuer Glockenturm wurde 1883 errichtet, 1917 das Gebäude ausgebessert, 1960 der Turm saniert, das Kirchenschiff verputzt und 1976 komplett renoviert. Die Frauenkirche, auch das zeigen historische Fotos, war lange nicht nur Gotteshaus, sondern auch wichtiger Mittelpunkt des dörflichen Lebens. Bis in die 1990er Jahre wurde zum Patrozinium am 8. September ein Markt abgehalten. Die Buden der Fieranten säumten die heute viel befahrene Kreisstraße, im Hof von Gastwirt Ostermair drehten Karusselle ihre Runden. "Wunderbare Kindheitserinnerungen", so Gerer.

Doch nun ist die Frauenkirche in einem beklagenswerten Zustand. Der Holzwurm frisst sich ins Gebälk, Feuchte dringt ins Turmdach. Allein 250 000 Euro kosten Sofortmaßnahmen, um den drohenden Verfall wenigstens zu stoppen. Diese Summe hat der Gemeinderat schon freigegeben. Danach wären noch einmal 600 000 Euro nötig, um das Gotteshaus umfassend herzurichten.

"Wir haben nicht mehr viele dieser Orte"

"Kein Pappenstiel", betonte Bürgermeister Marcel Fath (VW). Genau deshalb sei das Projekt in Petershausen auch nicht unumstritten. Angesichts vieler kommunaler Aufgaben fragten sich Bürger: "Wozu braucht die Gemeinde eine Kirche, die doch nicht genutzt wird?" Berechtigte Bedenken, denn Gottesdienste werden in Kollbach in der Pfarrkirche Sankt Martin gefeiert. Es mache keinen Sinn, im 820-Seelen-Dorf ein zweites Gotteshaus in den liturgischen Plan aufzunehmen, betonte Pfarrer Peter Dietz.

Aber die Frauenkirche ist nicht nur Gotteshaus, sondern Teil des Dorfs. Historische Gebäude wie die jahrhundertealte Kirche "geben einer Gemeinde ein Gesicht, stiften Identität und schaffen Heimat", sagte Bürgermeister Fath: "Wir haben nicht mehr viele dieser Orte." Mit Pfarrer Dietz war er sich einig, dass für die Frauenkirche ein neues Nutzungskonzept gefunden werden müsse. Ein Anspruch , der bei allen Projekten des Denkmalschutzes von erheblicher Bedeutung ist. Kulturelle Angebote wie Lesungen oder Konzerte kann sich Dietz gut vorstellen. "Die Kirche soll keine Woche ungenutzt bleiben", hofft Fath.

Die Kollbacher wollen sich wie ihre Vorfahren - die das Gotteshaus in vermutlich wirtschaftlich schlechteren Zeiten als heute mehrmals renovierten - nicht nur ideell hinter das Projekt stellen, sondern auch konkret anpacken. "Wir werden anschieben und motivieren." Auch ein altes Sparbuch mit Spenden für die im Jahr 1990 geplante Renovierung des Freialtars wurde gefunden. "Da sind noch 600 Euro drauf, das ist ein Grundstock", sagt Gemeinderat Gerer. Den wollen die Bürger mit Benefizaktionen noch kräftig aufstocken, um auch finanziell zur Sanierung beizutragen. Im Ort zeichnete sich eine große Unterstützung ab: Bereits beim ersten Informationsabend haben sich 34 Bürger sofort in den Freundeskreis Frauenkirche eingeschrieben.

© SZ vom 04.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: