Petershausen:Persiflage der Macht

Der P-Town Dramagroup gelingt mit ihrem Stück "Jeanne d´Arc 2.0" ein wunderbar komödiantischer Blick auf Geschichte und Gegenwart. Sie fragt: Was sind das für Zeiten, die Heldinnen wie die Heilige Johanna oder Malalah brauchen?

Von Wolfgang Eitler

Petershausen: Die jungen Schauspieler der Petershausener P-Town Drama-Group haben sich mit Schillers "Johanna von Orléans" nicht gerade an einen leichten Stoff gewagt. Doch ihnen gelingt ein komödiantischer Bruch ins Absurde.

Die jungen Schauspieler der Petershausener P-Town Drama-Group haben sich mit Schillers "Johanna von Orléans" nicht gerade an einen leichten Stoff gewagt. Doch ihnen gelingt ein komödiantischer Bruch ins Absurde.

(Foto: Toni Heigl)

Schriftsteller sind bekannt dafür, dass ihnen die Story oft wichtiger ist als die historische Genauigkeit. Nach dem Motto: Was interessieren mich die Tatsachen? Hauptsache, die Geschichte ist gut. Seltsamerweise ist es dann oft so, dass die Schriftsteller dank ihrer Phantasie näher an die Wahrheit heranrücken, als es Historiker vermögen. Am Samstagabend in der Grundschule Petershausen hat sich eben dieses Gefühl eindrucksvoll eingestellt. Den jungen Schauspielern und Autoren von der P-Town-Dramagroup um Theaterregisseurin Manuela Kücükdag ist ein genauer, vor allem ein herzerfrischender und komödiantischer Blick auf Geschichte und Gegenwart gelungen. Denn sie haben ihre ganz eigene Story zweier bedeutender Frauen und Kämpferinnen geschrieben und dabei locker mehrere Jahrhunderte miteinander verbunden: Jeanne d`Arc, die im 15. Jahrhundert Visionen hatte und deswegen das damalige Frankreich angeblich vereinigte. Und die 16-jährige Pakistanerin Malalah, die beinahe ein Attentat von Talibans nicht überlebt hätte.

Literaturgeschichtlich gesehen haben sich die jungen Dramatiker an einen Stoff herangewagt, der zum schwersten und - man darf sagen, auch wenn es sich um Friedrich Schiller handelt - unspielbarsten gehört: Johanna von Orleans. Da trieft es nur so vor Pathos und Heldentum. Aber die Vorlage war vermutlich deswegen hilfreich, weil Schiller die Story der Heiligen Johanna so hindrehte, wie sie ihm gefiel.

Die dunkle Bühne wird blitzartig erhellt. Eine Demonstration: Menschen heben Plakate hoch, rufen nach Freiheit und Bildung für alle. Ein junges Mädchen in einem orientalisch anmutenden Gewand erhebt die Stimme. Es ist Malalah. Kurze Zeit später wird sie niedergeschossen und überlebt in einem Londoner Hospital. Dort erscheint ihr im Traum Johanna von Orleans, die sie auf deren Weg in den Tod begleitet.

Jetzt hätte die Dramagroup heftig kriegerisch loslegen können. Aber nach den ersten bedrückenden Szenen mit originalen Filmsequenzen des Attentats ereignet sich ein komödiantischer Bruch ins Absurde. Die Macht trifft, um es mit Wedekind zu sagen, der Fluch der Lächerlichkeit: Den Tomaten schmatzenden Fürsten oder den König, der mit einem charmanten Lächeln, als hätte er gerade einen geistreichen Witz vernommen, sein Personal bei der kleinsten Unbotmäßigkeit umbringen lässt. Den Henker, der sich schließlich selbst köpfen muss. Oder den ignoranten Richter, der die Johanna wegen Ketzerei zum Tode verurteilt.

Die Petershausener Schauspieler wagten ein Spiel der mehrfachen Brechungen. Mitten hinein in einen Dialog steigt Regisseurin Kücükdag die Bühne hinunter, Karotte essend, und muntert zum "Weitermachen auf". Unvermittelt wollen die Schauspieler das Publikum einbeziehen und in der Richterszene nach den beliebten Quiz-Sendungen entscheiden lassen, wessen sich Johanna nun schuldig gemacht haben könnte. Da wird Kücükdag richtig sauer, weil sie die Szene doch gestrichen habe.

Inmitten dieser Persiflage der Macht kämpfen Johanna und Malalah um Gerechtigkeit und Humanität. Sie haben am Ende noch einen Dialog. Stolz, als kämen sie gerade von einem Casting, erzählt die eine, dass sie heilig gesprochen wurde, und die andere, dass eben ihre erste Autobiografie erschienen ist. Die Ironie macht auch vor ihnen nicht Halt, weil die P-Town-Drama-Group die schlichte, aber entscheidende Frage stellt, was das eigentlich für Zeiten sind, in denen man Helden oder Heldinnen braucht.

Stück und Inszenierung sind Ergebnis einer außergewöhnlichen Teamleistung samt musikalischer Beiträge und einschließlich einer Lichtregie, die im provisorischen Theaterraum der Grundschule Petershausen die Zeit- und Spielebenen faszinierend visualisierte.

Das Theaterteam: Johanna jung: Christiana Blickle; Johanna älter: Hannah Voigt; Malalah: Carina Raudonis; Vater von Malalah, Richter: Martin Kunzmann; König, Vater von Johanna: Florian Blickle; Arzt, Fürst, Gefährte, Kind: Milan Belaga; Bruder von Johanna, Wächter, Kämpfer: Laurenz Graml; Francois, zukünftiger Ehemann von Johanna: Leorardo Fuchsloch. Regie: Manuela Kücükdag; Regieassistentin: Lisa Beckert; Lichtregie und Bühnenbild: Thorsten Scholz; Kaelan Belaga.

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