Petershausen:Mitarbeiter des Landratsamts drangsalierte Flüchtlinge

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  • In einer Unterkunft in Petershausen soll ein Mitarbeiter des Landratsamtes Asylsuchende bedroht und heimlich fotografiert haben.
  • Das Landratsamt räumt die Vorwürfe indirekt ein, der Mann musste inzwischen gehen.
  • Beim Helferkreis ist die Wut trotzdem groß: Er kritisiert die Behörde, zu lange zugesehen zu haben und die Flüchtlinge in der Unterkunft im Unklaren gelassen zu haben.

Von Anna-Sophia Lang, Petershausen

Ein Mitarbeiter des Landratsamts Dachau soll Asylsuchende in der Flüchtlingsunterkunft in Petershausen heimlich fotografiert und erpresst haben. Das teilte Joachim Jacob vom zuständigen Helferkreis der SZ mit. Der Mann arbeitete seit 2015 für die Behörde als "Kümmerer", der die Flüchtlingsunterkunft betreut. Er soll mehrfach den Asylsuchenden gedroht haben, sie mit einer Videokamera zu filmen und im Falle eines Fehlverhaltens dem Landratsamt die Aufnahmen vorzulegen.

Außerdem postete der Mann in einer Facebook-Gruppe, die er eigens für die Asylsuchenden in der Unterkunft gegründet hatte, ein pornografisches Foto, das eine blonde Frau und einen Schwarzen sowie Zuschauer zeigt, die die Szene filmen. Einmal soll der Kümmerer seinen Facebooknamen in "Mussolini" umgeändert haben. Landrat Stefan Löwl (CSU) bestätigte indirekt die Vorfälle: "Sobald wir es wussten, haben wir reagiert." Die Behörde hat sich mit dem Mann inzwischen auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses geeinigt.

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Dennoch übt der Helferkreis Petershausen Kritik: Der stellvertretende Koordinator Joachim Jacob sagte der SZ, dass das Landratsamt viel zu langsam reagiert habe. Schon am 1. Februar habe man die Behörde per E-Mail über den Vorfall mit dem obszönen Foto informiert. In der ersten Märzhälfte erzählten Flüchtlinge den Asylhelfern von heimlichen Fotoaufnahmen und der Ankündigung des Kümmerers, Videoaufzeichnungen einsetzen zu wollen.

Der Helferkreis hat Jacob zufolge dies sofort dem Landratsamt mitgeteilt. Der Mann soll auch gedroht haben, dass er ihm unliebsame Asylsuchende in eine Massenunterkunft, eine der Traglufthallen im Landkreis, verlegen wird. In Petershausen leben 107 Flüchtlinge in einem Containerdorf. "Mich stört das lange Schweigen", erklärte Joachim Jacob.

Der makabre Vorfall wäre offenbar gar nicht an die Öffentlichkeit gedrungen, wenn nicht am Dienstagabend ein großes Treffen von Helferkreisen mit Landrat Löwl stattgefunden hätte. In den zum Teil hitzig ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten platzte den Vertretern des Helferkreises Petershausen der Kragen. Joachim Jacob sprach öffentlich die Vorfälle an. Brigitte Detering, Leiterin der Sozialverwaltung im Landratsamt, erklärte, ihre Behörde habe sich regelkonform verhalten. "Wir nehmen das Fehlverhalten ernst", sagte Landrat Löwl, "so etwas wird nicht geduldet. Der Kümmerer wird definitiv nicht wiederkommen."

Das hörten die Asylhelfer an diesem Abend zum ersten Mal. Sie hatten die ganze Zeit befürchtet, dass der Kümmerer weiter ihre Schützlinge drangsalieren werde. "Ich bin mir sicher, ohne diese Sitzung hätten wir das nicht mitbekommen", sagte Jacob.

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Es muss für die Helfer wie Flüchtlinge eine stark belastende Situation gewesen sein. Der Kümmerer habe einige Bewohner beim Rauchen fotografiert und ihnen gedroht, die Bilder an das Landratsamt weiter zu geben, wenn sie sich nicht benehmen. Vor einer Versammlung der Bewohner, auf der ein Containersprecher gewählt werden sollte, habe er gedroht, mit dem Handy Videos zu drehen. Wer bei der Wahl mitmache und wer gewählt werde, habe mit "Nachteilen" zu rechnen. Außerdem erschreckte er Asylsuchenden damit, dass er in seinem Büro eine Videokamera installieren wollte. Am Dienstagabend zeigte Jacob der SZ einen Screenshot des obszönen Facebook-Bildes.

Nach einem Gespräch mit Brigitte Detering Anfang Februar, so Jacob, sei immerhin dieses Foto verschwunden. "Aber wir dachten, der Mann wird sofort freigestellt." Tatsächlich aber sei er eine Woche später wieder in der Unterkunft erschienen. In den folgenden Wochen habe das Landratsamt immer wieder vermittelt, es könne da nichts machen.

Wie Wolfgang Reichelt, Sprecher des Landratsamts, am Mittwoch sagte, sei die Personalstelle im Landratsamt den Vorwürfen im Februar nachgegangen, habe aber "keine arbeits- und strafrechtlich relevanten Punkte" feststellen können. Aber man blieb Reichelt zufolge an der Sache dran - das Vertrauen des Helferkreises ist jedoch erschüttert, weil die Behörde ihn nicht eingebunden hat. Schließlich, so Reichelt, habe sich die Personalstelle mit dem Mitarbeiter geeinigt, das Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden. Davor, Mitte März, waren wieder Beschwerden der Helferkreises eingetroffen.

Wann die Kündigung des Kümmerers in Kraft tritt, wollte Reichelt aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht sagen. Er wollte auch keine persönlichen Angaben über den Mann machen. Er sei seit Mitte März nicht mehr in Petershausen eingesetzt gewesen - doch der Helferkreis sagt, dass er immer wieder aufgetaucht sei.

© SZ vom 14.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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