Petershausen:Im Stich gelassen

Die Petershausener Lehrerin Lydia Thiel kämpft gegen den Freistaat. Sie möchte, dass ihre Schwermetallvergiftung als Diensterkrankung anerkannt wird. Jetzt hat das Verwaltungsgericht ihre Klage abgewiesen

Von Robert Stocker, Petershausen

Lydia Thiel klingt am Telefon relativ gefasst, obwohl ihre Situation alles andere als erfreulich ist. Die 54-jährige Handarbeits- und Werklehrerin an der Grundschule Petershausen ist gesundheitlich angeschlagen. Sie trägt eine Perücke, weil sie sämtliche Haare verloren hat, ebenso wie Wimpern und Augenbrauen. Sie litt unter ständiger Müdigkeit und hatte große Schlafprobleme. Die Ärzte haben eine Schwermetallvergiftung diagnostiziert, die sich die Lehrerin über Jahre hinweg vermutlich beim Unterricht in zwei Werkräumen zuzog. In einem Raum lagerten schwermetallhaltige Glasuren, welche die Volkshochschule für Töpferkurse verwendete. Die Raumluft, so ergaben Messungen, wies eine deutlich erhöhte Belastung mit Schwermetallen wie Blei und Quecksilber auf.

Dass Lydia Thiel "schwer wiegende gesundheitliche Schäden" hat, wie sie selbst sagt, steht für niemanden in Frage. Strittig ist allerdings die Ursache dafür - und wer für die Folgen aufkommt. Die Lehrerin will eine Diensterkrankung geltend machen. In diesem Fall müsste der Freistaat Behandlungs- und Pflegekosten übernehmen. Doch die 54-Jährige beißt bei ihrem Dienstherrn auf Granit. Thiel beschritt deshalb den Klageweg. Das Münchner Verwaltungsgericht ließ aber schon in der mündlichen Verhandlung erkennen, dass die Lehrerin mit ihrer Klage abblitzen wird. In den vergangenen Tagen erging das Urteil. Anwalt Reinhard Wetter informierte Lydia Thiel, dass das Gericht ihre Klage abgewiesen hat. Die schriftliche Urteilsbegründung soll in den kommende Wochen folgen.

Petershausen: "Ich sitze auf einem Pulverfass": Lydia Thiel leidet unter den gesundheitlichen Folgen einer Schwermetallvergiftung.

"Ich sitze auf einem Pulverfass": Lydia Thiel leidet unter den gesundheitlichen Folgen einer Schwermetallvergiftung.

(Foto: oh)

Die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts kann offenbar keinen zwingenden kausalen Zusammenhang zwischen Lehrtätigkeit und Erkrankung erkennen. Zwar wurde auch bei zwei Kolleginnen der Grundschullehrerin, die sich ebenfalls häufig in den Werkräumen aufhielten, eine Schwermetallvergiftung diagnostiziert. "Aus Sicht der Richter reicht die Aufenthaltszeit in den kontaminierten Räumen für die Anerkennung einer Diensterkrankung nicht aus", schildert Thiel ihren Eindruck von der Verhandlung. Die Vorsitzende Richterin legte ihr eine Klage vor dem Zivilgericht nahe, bei der es um die Amtshaftung des Dienstherrn ginge. Der Staat hat eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten. Ob die Lehrerin tatsächlich diesen Weg beschreitet, will sie derzeit noch offen lassen. "Das wird wohl noch meine einzige Möglichkeit sein, ist aber mit großem Aufwand verbunden", befürchtet die 54-Jährige. "Es ist nicht so einfach, den Mumm für einen weiteren Schritt aufzubringen." Erst einmal will sie abwarten, bis sie die schriftliche Urteilsbegründung hat. Eine Klage gegen die Volkshochschule kommt für sie aber nicht in Frage. "In erster Linie ist der Dienstherr zuständig", sagt Thiel.

Zwar übernimmt die Krankenversicherung den Großteil der medizinischen Kosten. Wenn der Freistaat aber eine Verantwortung ablehnt, wird die Lehrerin einiges aus eigener Tasche bezahlen müssen. "Einige tausend Euro sind bis jetzt an mir hängen geblieben", klagt die erkrankte Lehrerin. Insbesondere lehnt die Krankenkasse eine Heilbehandlung in einer Klinik ab, die aus medizinischer Sicht am besten wäre. "Ich sitze auf einem Pulverfass", sagt Lydia Thiel. Schließlich besteht langfristig auch die Gefahr, dass ihre Organe geschädigt werden. Sie müsste dringend weitere Entgiftungen machen, die bei einem stationären Aufenthalt effektiver wären. Weil die Krankenkasse diesen nicht bezahlen will, wird die Lehrerin immer wieder mal ambulant behandelt. Dass sie eines Tages wieder volles Haar haben wird, ist wohl ziemlich unrealistisch. "Die Ärzte sagen, dass es dafür keine Chance gibt", sagt Thiel. "Aber den Haarausfall lasse ich auch behandeln."

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