Ort des Gedenkens:Menschliches Maß

Gedenkort "SS-Schießplatz Hebertshausen", 2014

Um dem Charakter eines Friedhofs entgegenzuwirken, ragen die länglichen Gedenktafeln von Martin Bennis aus dem Boden heraus.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Landschaftsarchitektin Regine Keller erklärt, welchen Prinzipien sie und ihre Kollegen bei der Gestaltung des ehemaligen SS-Schießplatzes gefolgt sind. Dank einer zurückhaltenden Formensprache ist ein Ort der Stille und Nähe entstanden.

Von Anna-Sophia Lang, Hebertshausen

Wie sollen Orte erhalten werden, an denen NS-Verbrechen begangen wurden? Was soll rekonstruiert werden, was restauriert, was unberührt bleiben? Auch bei der Neugestaltung des ehemaligen SS-Schießplatzes in Hebertshausen als Gedenkort, der 2014 eröffnet wurde, waren KZ-Gedenkstätte und Planer mit solchen Fragen konfrontiert. Was am Ende dabei herauskam, ist ein Ort, der von architektonischer Zurückgenommenheit geprägt ist. Historische Spuren werden sichtbar. Museale Ergänzungen sind sparsam eingesetzt worden.

"Wir haben nichts rekonstruiert", sagt Landschaftsarchitektin Regine Keller, die den Gedenkort mit ihrem Büro Keller Damm Roser aus München und dem Berliner Architekten Martin Bennis konzipiert hat. "Man soll erkennen, was alt ist." Viel ist das nicht: "Es gibt kaum Überreste, keine Gebäudereste, die sprechen." Geblieben ist der ehemalige Schießstand mit zwei Schießfluchten und drei Erdwällen, die sie seitlich begrenzen und ein Entkommen der Gefangenen unmöglich machten. Dort setzten die Architekten an. Mit Hilfe des Archäologen Wolfgang David gelang, es die räumliche Aufteilung des Geländes genau nachvollziehen, das nach jahrelanger Verwahrlosung von Pflanzen überwuchert war. "Behutsame Freilegung war der Tenor", sagt Keller. Um die "für Militäranlagen typische Landschaft" herauszuarbeiten, wurden Gehölz und Bewuchs auf und um den ehemaligen Schießstand reduziert. Diese Eingriffe zielten darauf ab, die historische Optik wieder herzustellen. "Der zentrale Weg, der heute über die Anlage führt, ist wohl der gleiche, den die Gefangenen damals gegangen sind", vermutet Keller. Die Authentizität des Ortes blieb also erhalten.

Lediglich an zwei Stellen haben die Architekten künstlich eingegriffen und eine Art musealer Installation geschaffen. Und zwar nur dort, wo keine Gefangenen ermordet wurden. Um den Ort nicht zu überfrachten, haben sie ihre zurückhaltende Formsprache fortgesetzt: Blickt man aus südlicher Richtung auf das Gelände, befindet sich rechts vom zentralen Weg ein Bereich mit Informationstafeln aus Glas. Weiter vorne links, einige Meter vor dem ehemaligen Schießstand, liegt die "Installation der Namen", die Martin Bennis konzipiert hat. Fünf Fundamentreihen hat er nebeneinander auf einer Länge von 40 Metern angebracht. Sie führen auf den Kugelfang der weiter westlich gelegenen von zwei Schießbahnen zu. Dort standen die Kriegsgefangenen vor ihrer Erschießung, in Fünferreihen an Hinrichtungspfosten gebunden.

Auf den Streifen hat Bennis vitrinenartige Module angebracht. 850 Namen und Lebensdaten von ermordeten Soldaten der Sowjetunion stehen dort in lateinischer und kyrillischer Schrift auf bisher 17 Modulen. Und es sollen noch mehr werden: Denn die Länge der Fundamentreihen entspricht dem Platzbedarf für die Namen aller 4000 Ermordeten. Die Module berühren derweil nicht den Boden. "Die Mordstätte war kein Begräbnisort", sagt Bennis, "durch die Ablösung der Module vom Boden wird eine versöhnende Geste mit der Erde, wie sie für Grabanlagen charakteristisch ist, verweigert."

Auch die horizontale Form der Installation hat der Architekt bewusst gewählt. Denn so unterscheidet sich die Formsprache des Denkmals deutlich sichtbar von klassischen, vertikalen, hermetischen Kriegsdenkmälern für gefallene Soldaten, wie sie in vielen Städten und Dörfern zu finden sind. Der Gedenkort wird nicht durch die Installation dominiert. Sie fügt sich in die Struktur ein, bleibt zurückhaltend und übertrumpft das Originalrelikt des ehemaligen Schießstands optisch nicht. Gleichzeitig ist sie räumlich deutlich von den Informationstafeln abgegrenzt, die den zeithistorischen Hintergrund der Ereignisse beleuchten und damit eine andere Funktion innerhalb der Gedenkstätte erfüllen.

Die Zäune, die rund um die Schießanlage bestanden, sind heute nicht mehr da. Auch sie haben die Architekten nicht rekonstruiert. Die Besucher können den Blick über die Felder schweifen lassen. Und die Eingänge zur Gedenkstätte stehen jederzeit offen.

Eine Führung mit den Architekten durch die Gedenkstätte findet am Sonntag, 28. Juni, um zehn Uhr statt. Treffpunkt ist der Parkplatz (er ist ausgeschildert).

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