Operation:Wie der Start in ein neues Leben

Kind aus Angola mit Ärztin

Assistenzärztin Mareike Carstens hat eine enge Beziehung zu ihrer Patientin Maria aufgebaut.

(Foto: oh)

Maria aus Angola ist nicht mehr behindert, weil Chefarzt Michael Scherer von den Helios-Amperkliniken den Knick in ihrem Bein behoben hat. Jetzt kann sie bald zurück in ihr Heimatland

Von Leonie Sanke, Dachau

Für diesen einen Moment ist Maria aus Angola nach Dachau gereist: ihre ersten Schritte nach der Operation. Dafür brauchte sie zwar noch Krücken, doch inzwischen erholt sich die Elfjährige bereits im Friedensdorf Oberhausen. Der Grund für die Operation war eine schwere Knickbildung am Bein des Mädchens. In das Helios Amper-Klinikum Dachau brachte es die Organisation Friedensdorf International, die seit 21 Jahren zweimal jährlich nach Angola fliegt, um Kindern eine medizinische Behandlung in Deutschland zu ermöglichen. Für das kleine Mädchen begann damit eine Reise ins Unbekannte - ohne Eltern, ohne Deutschkenntnisse. Und in ein neues, schmerzfreies Leben.

Eine Operation in Angola konnte sich Marias Familie nicht leisten. Ihr Heimatland im Süden Afrikas ist von einem jahrzehntelangen Bürgerkrieg gezeichnet. Kliniken gibt es zwar, eine Behandlung ist für die vielen Armen des Landes aber unbezahlbar. Mit 48 weiteren Mädchen und Buben kam Maria daher im Mai mit dem 57. Angola-Hilfseinsatz nach Deutschland. Bevor Maria und die anderen Kinder ihre Reise antreten konnten, untersuchte sie eine Ärztin der angolanischen Partnerorganisation von Friedensdorf International.

"Wir wählen ausschließlich Kinder aus armen Familien aus. Bei der Sprechstunde wird geschaut, ob sie auch in Angola behandelt werden könnten und ob eine Behandlung in Deutschland überhaupt Erfolg versprechend ist", erklärt Jasmin Peters von Friedensdorf International. In Marias Fall war klar: Ihr kann geholfen werden - und Michael Scherer, Chefarzt der Unfallchirurgie und Orthopädie am Helios Amper-Klinikum, half ihr.

Als Scherer Maria zum ersten Mal sah, konnte sie nur schwer und unter Schmerzen gehen. Ihr ganzer Körper litt unter dem Knick in ihrem Bein, der durch einen Trümmerbruch entstanden war. Marias krankes Bein war dadurch fünf Zentimeter kürzer als ihr gesundes. Wie sich das anfühlt, beschreibt Scherer mit einem Vergleich: "Es ist, als würde man permanent mit nur einem High Heel herumlaufen." Welche Schmerzen das auslöst und wie sehr dadurch die Wirbelsäule belastet wird, kann man sich vorstellen.

Mit der Operation hat Scherer die 17-Grad-Fehlstellung am Knie des Mädchens behoben und die Beinverkürzung dadurch auf zwei Zentimeter reduziert. Der Eingriff sei problemlos und erfolgreich verlaufen, so Scherer. Sobald alles verheilt sei, könne sie wieder normal und aufrecht gehen. Maria ist ihren High Heel los. Nur eine Einlage brauche sie jetzt noch, und die könne man zur Not improvisieren. Dadurch verbessere sich nicht nur Marias Leben, so Scherer, sondern auch das ihrer Familie. "Vor allem körperlich behinderte Mädchen haben in Angola kaum Chancen, sie sind schlicht nichts wert." Auf eine Nachbehandlung ist Maria nicht angewiesen - die würde sie in Angola nicht bekommen.

In ihrer Zeit im Amper-Klinikum hat sich Maria nicht nur körperlich verändert, wie Assistenzärztin Mareike Carstens erzählt: "Am Anfang war sie noch sehr schüchtern und hat kaum gesprochen, doch dann ist sie aufgeblüht. Sie ist im Krankenhaus herumspaziert und hat mir bei der Arbeit zugesehen." Dass sich das Mädchen so schnell eingelebt hat, lag auch daran, dass Carstens Marias Muttersprache Portugiesisch beherrscht und sich viel mit ihr beschäftigt hat. Sie habe ihr von ihrer Heimat, ihrer Schule und ihren fünf Geschwistern erzählt - und dass sie später selbst einmal Medizin studieren wolle. Scherer beschreibt Maria als recht ernstes Mädchen. "Die meisten freuen sich über Spielzeug, Maria wünschte sich eine Bibel und wollte Hausaufgaben machen."

Es sei wichtig, so Jasmin Peters, dass die Kinder den Kontakt zu ihrer Heimat in den sechs Monaten, die sie in der Regel in Deutschland verbrächten, nicht verlören. "Deshalb kommen die Kinder in längeren Behandlungspausen im Friedensdorf in Oberhausen unter, wo sie mit den anderen Kindern zusammen sind und sich in ihrer Muttersprache unterhalten können." Dort erholt sich auch Maria zurzeit. Dafür dass ihre Zeit im Krankenhaus für die Kinder ebenfalls so angenehm wie möglich ist, engagieren sich fast 300 Ehrenamtliche in ganz Deutschland. Sie besuchen die kleinen Patienten, so oft es geht. Auch Maria hatte häufig Besuch.

Das Amper-Klinikum ist eines von zahlreichen Krankenhäusern, die Friedensdorf International kostenfreie Behandlungsplätze zur Verfügung stellen. "Das werden aber immer weniger - der Kostendruck steigt", bedauert Scherer. So eine Operation koste eine Klinik zwischen 5000 und 20 000 Euro. Damit könnte man in Afrika eine ganze Schule bauen. "Die Behandlung von Maria habe ich sehr gerne übernommen", sagt der Chefarzt, der seit 2003 fast jährlich für Friedensdorf International operiert. "Erst einmal ist es mein Job, Menschen gesund zu machen. Außerdem denke ich, dass man zurückgeben muss, was man zu viel hat."

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