Open Air:Puch lebt

Das Open-Air-Festival der Biobauernfamilie Lehmair trotzt seit 25 Jahren allen Widrigkeiten, vor allem dem oft miserablen Wetter. Am Wochenende feierten mehrere hundert Zuhörer wieder ihr Indie-Familienfest mit herausragenden Szenebands.

Von Verena Jugel

Schmale Bretter in Pfeilform weisen den Weg: "Zum Puch Shuttle-Service". An der Haltestelle am Bahnhof in Petershausen warten bereits einige Autolose, bepackt mit Isomatten, karierten Decken und großen Rucksäcken. Nach einer Weile kommt ein kleiner, gelber Bus angefahren und bremst abrupt. "Wollt's ihr alle zum Festival?", ertönt es aus der Fahrerkabine. Sie wollen - und so rückt man etwas zusammen; jeder darf mit, insgesamt zwölf Personen mit einem gemeinsamen Ziel: Die Schweinewiese des Biobauern Hubert Lehmair auf einem Hof , knapp fünf Kilometer von Petershausen entfernt. Dort findet in diesem Jahr wieder das traditionelle Open-Air-Festival statt und feiert 25-jähriges Bestehen.

Sehr international und für die Szene hochkarätig sei zu diesem Anlass das Line-Up, also das Musikprogramm des Festivals, sagt Südmotor-Veranstalter Peter Wacha. Nachdem sich Thomas Lechner aus der Organisation des Open-Airs zurückgezogen hat, übernahm nun die Südmotor-Veranstaltungs-GmbH die Ausrichtung, unterstützt vom Zündfunk des Bayerischen Rundfunks. Die Bands hat Peter Wacha nach seinem persönlichen Geschmack ausgesucht. Es spielt etwa das deutsch-amerikanische Duo Beißpony, bestehend aus Laura Theis und Stephanie Müller. Die beiden Frauen singen über ihre Band-Fernbeziehung und nutzen eine Nähmaschine als akustische Unterstützung. Bei ihrem Auftritt stehen allerlei weitere Gerätschaften auf der Bühne, ein Bügeleisen zum Beispiel und eine Steinschleuder. Letztere stammt noch aus alten Animal Crackers-Zeiten, jene Band um die Gebrüder Lehmair, die damals das erste Puch-Festival auf die Beine stellte. Musikgrößen wie Tocotronic, Sportfreunde Stiller, Kante und Blumfeld waren seitdem schon zu Gast in Puch.

Neben Beißpony spielen in diesem Jahr die britische Minimal-Band Mount Kimbie, die mit eigenem Lichtdesigner anrückt; der Electro-Act Mouse on Mars, die Berliner Band Fenster, Das weiße Pferd um Sänger und Autor Frederico Sanchez sowie Jochen Irmler (Faust). Unter den vielen jungen Musikern habe Wacha zudem mit Jaki Liebezeit (Can) "eine echte Krautrock-Legende dazwischen", erklärt er. Der Schlagzeuger sei schließlich schon 75 Jahre alt.

Jetzt am Abend schwirren unzählige Fliegen in der Luft. Es duftet nach Schwein. Die Tiere müssen ihre Weide am Puch-Wochenende in alter Tradition verlassen und im Stall Quartier beziehen. Auf ihrer hügeligen Wiese sitzen stattdessen mehrere hundert Menschen auf Decken, Isomatten und Jacken und schauen hinab auf die Bühne. Unter ihnen Karl Hartmann. Er ist bereits zum zweiten Mal auf dem Festival in Puch. "2012 war es etwas feucht", erzählt er. Der Boden sei nass und seine 16-jährige Tochter und er seien schlecht ausgestattet gewesen. "Wir haben uns dann eine Rettungsdecke aus dem Auto geholt", erzählt er. "Heute ist es wirklich schöner".

Tatsächlich spielt das Wetter in diesem Jahr lange mit, ungewöhnlich lange möchte man nach den vorigen Schlechtwetterjahren fast sagen: 2010 musste das Festival komplett abgesagt, 2011 ins Münchner Feierwerk verlegt werden. Einige Festivalgänger haben daher vorsichtshalber ihre Gummistiefel mitgebracht, denn auch wenn die Sonne lange strahlt, zum Abend hin wird es noch gewittern, weiß der Wetterbericht. "Der ist mir scheißegal", sagt Peter Wacha. "Die Leute sollen lieber in den Himmel schauen, statt auf ihre App", nimmt er den Wetter-Fluch von Puch gelassen hin. Die Leute würden sich die Stimmung nicht von etwas Regen verderben lassen.

Und er hat offenbar Recht: Zu späterer Stunde erscheinen immer mehr Indierock-Begeisterte, setzen sich zu den anderen auf die Wiese oder tanzen vor der Bühne. Was das Besondere am Puch-Festival ist, darin sind sich alle einig: Die Stimmung: "einfach entspannt". Die Atmosphäre: "familiär". Und man trifft stets bekannte Gesichter. "Puch ist flauschig", fasst David Stach zusammen. Der Jugendliche ist aus München angereist und steht mit seinem Kumpel Vincent vor dem Bierstand. "Puch ist der Hammer", stimmt Vincent seinem Freund zu.

Vier Mädchen, ebenfalls aus München, tragen bunten Blumenschmuck im Haar. Sie feiern heute Junggesellinnenabschied auf dem Festival, das sie zum ersten Mal besuchen. Auch ihnen gefällt die entspannte Stimmung, genauso wie Lara Düren aus Reichertshausen und ihrer Freundin Jara Glaubitz aus Steinkirchen. Die 14- und 15-Jährigen sind aus den Nachbarorten gekommen und ebenfalls zum ersten Mal zu Besuch. Ihnen gefällt besonders, dass es kein Gedränge gibt und genügend Sitzplätze da sind. "Und wenn es zu laut wird, kann man sich einfach wegsetzen", sagen sie.

"Puch ist von Freunden für Freunde", sagt Südmotor-Veranstalter Peter Wacha. Er persönlich liebe ebenfalls die "komplette Entspanntheit", alles sei sehr "relaxed und liebevoll". Ob er zufrieden ist mit dem diesjährigen Festival? "Look around", grinst er nur und breitet theatralisch die Arme aus. Er hat fest geplant, auch in den nächsten Jahren wieder ein Festival auf der Schweinewiese zu schmeißen. "Ich möchte Puch unbedingt am Leben erhalten". Das möchte auch eine weitere Legende unter den Festivalbesuchern.

Biobauer Hubert Lehmair hat Puch vor 25 Jahren mit seinem Bruder Lenz gegründet. Was das Jubiläum für ihn bedeutet? "Dass ich alt werde", lacht der Hofbesitzer. Er spricht "von vielen schönen Erinnerungen", die er mit dem Festival verbindet. Und er erzählt von seiner Freude über die vielen Besucher, obwohl das Open-Air wegen des Wetters immer mal wieder pausierte. "Puch ist noch nicht tot", freut sich Lehmair, kurz bevor sich der Himmel verdunkelt. Zum Ende des Festivals schüttet es regelrecht.

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