Online-Handel:Schöne neue Shopping-Welt

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Der Online-Handel boomt, inzwischen bieten auch immer mehr örtliche Einzelhändler ihre Waren über Internet-Plattformen an. Laut bayerischem Handelsverband ist eine eigene Homepage das Minimum dessen, was Kunden heute an Web-Präsenz erwarten

Von Benjamin Emonts, Dachau/Markt Indersdorf

Weite Teile des Lebens spielen sich inzwischen online am Computer ab. Das gilt auch fürs Einkaufen. Anstatt in ein Geschäft zu gehen und sich persönlich beraten zu lassen, bestellen immer mehr Menschen bequem über das Internet. Große Online-Versandhändler wie Amazon sind mit diesem Geschäftsmodell zu börsennotierten Unternehmen mit Milliardenumsätzen aufgestiegen. Für die kleinen Einzelhändler bedeutet diese Entwicklung hingegen gravierende Umsatzeinbußen, die ihre Existenz gefährden. Der einzige Ausweg, der vielen Einzelhändlern bleibt, ist, sich selbst in die Welt des Online-Handels zu wagen.

Die kleinen Einzelhandelsgeschäfte in der Dachauer Altstadt oder der Münchner Straße haben es ohnehin nicht leicht. Viele potenzielle Kunden fahren zum Einkaufen lieber ins nah gelegene München, das mit seinen Fußgängerzonen und Einkaufspalästen eine größere Vielfalt verspricht. "Durch den Online-Handel geraten diese Geschäfte noch weiter unter Druck", sagt der Pressesprecher des Handelsverbands Bayern (HBE), Bernd Ohlmann. Das Marktforschungsinstitut Gfk mit Sitz in Nürnberg prognostiziert, dass die Bewohner des Landkreises Dachau im Jahr 2017 mehr als 60 Millionen Euro für Einkäufe im Internet ausgeben werden, das entspricht etwa einem Zehntel ihrer Gesamtausgaben für Einzelhandelsprodukte. "Der Online-Handel knabbert dem stationären Einzelhandel schon etwas ab", sagt Ohlmann. Doch er warnt davor, in Selbstmitleid zu verfallen: "Man muss das Ganze auch als Chance sehen", sagt er.

Karin Märkl verzichtet in ihrem Spielwaren Schmidt auf Online-Handel. (Foto: Toni Heigl)

Das Schuhhaus Nißl in Markt Indersdorf hat gezeigt, wie es gehen kann. Nachdem in den vergangenen drei Jahren immer weniger Kunden in sein Geschäft kamen, stieg Alfons Nißl ins Online-Business ein. Gegen eine kleine Provision vertreibt er seine Produkte nun über die Plattformen großer Online-Warenhäuser wie Amazon oder Zalando. Zusätzlich hat er für sein Geschäft eine eigene Webseite samt Online-Shop eingerichtet. Seine Arbeit hat sich dadurch grundlegend verändert. Anstatt mit dem Kunden persönlich zu sprechen, nimmt er jetzt viele Bestellungen per E-Mail entgegen. Seine Schuhe packt er in Kartons und verschickt sie in die ganze Welt. Der zeitliche Aufwand ist immens, ebenso wie der Ärger mit unfreundlichen Kunden, die sich in der Anonymität des Internets oft mal im Ton vergreifen oder reihenweise Kartons zurücksenden oder Schuhe erst nach einem halben Jahr reklamieren. Nißl spricht ganz offen von einem "Übel", das er in Kauf nehmen müsse. Denn der Online-Verkauf macht inzwischen 50 Prozent seines Gesamtumsatzes aus. "Wir hätten bereits geschlossen, wenn wir nicht zweigleisig fahren würden", sagt der Schuhhändler.

Karolin Teufel-Eckey ist gerade dabei, sich einen Online-Shop aufzubauen. Sie betreibt in Dachau seit sechs Jahren das Reitsportgeschäft "Galopphilfe". Eine einfache Webseite mit ihren Öffnungszeiten, Kontaktdaten und einigen Angeboten hatte sie von Anfang an. Gerade auf Turnieren aber wurde Teufel-Eckey von Kunden zuletzt immer eindringlicher gebeten, doch einen Online-Verkauf einzuführen. Die Leute wollten sich die Waren bereits von zu Hause aus ansehen, so bekam sie häufig zu hören. Inzwischen ist sie damit beschäftigt, ihr gesamtes Sortiment online einzupflegen.

Karolin Teufel-Eckey will ihre Reitsportartikel schon bald im Internet anbieten. (Foto: Toni Heigl)

"Man muss im Netz auffindbar sein", sagt Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern. Er hält es für ein absolutes Muss, zumindest eine eigene Webseite zu betreiben, bestenfalls mit eigenem Online-Shop. Die Webseite sei die Visitenkarte, das Schaufenster eines Geschäfts. Es gelte, dort präsent zu sein, wo sich die Leute aufhalten, wenn sie nicht unterwegs sind - "im Internet". Potenzielle Kunden, gerade auch Touristen, die die historische Dachauer Altstadt oder die KZ-Gedenkstätte besuchten, informierten sich fast immer erst im Internet, bevor sie irgendwo einkauften. "Eine gute Webseite erwarten die Leute. Das ist das Allerwenigste", sagt Ohlmann. Um den zeitlichen Aufwand möglichst gering zu halten, empfiehlt er gemeinsame Vermarktungsstrategien. Verschiedene Geschäfte aus einer Stadt, einem Viertel, einer Straße könnten sich zusammentun und sich einen gemeinsamen virtuellen Marktplatz schaffen. Die Interessensgemeinschaft Münchner Straße beispielsweise hat so einen Web-Auftritt, auf dem unter den Rubriken Lifestyle, Genuss, Vorsorge und Freizeit verschiedenste Geschäfte aufgeführt sind.

Auch der Einzelhandel von Karin Märkl ist dort aufgelistet: das Spielwaren Schmidt. Das ist allerdings der einzige Hinweis, den man im Internet über den Laden findet. Für Karin Märkl, die Inhaberin des Traditionsgeschäfts in der Münchner Straße, kommt es nämlich gar nicht in Frage, sich am Online-Handel zu beteiligen. Märkl macht alltäglich die Erfahrung, dass Menschen in ihren Laden kommen, sich beraten lassen, die Produkte abfotografieren und anschließend nach Hause gehen, um sich die Ware dann etwas preisgünstiger im Internet zu bestellen. Seit fünf, sechs Jahren gehen ihre Umsätze spürbar zurück, weil viele Kunden nur noch online bestellen. Während ihre Gewinne immer kleiner werden, nimmt der Arbeitsaufwand weiter zu. "Beratung kostet Zeit", sagt sie. Ihr Geschäft könne sie nur dadurch am Leben halten, dass die ganze Familie mit anpacke, oftmals unentgeltlich. Von ihrer Haltung lässt sie sich aber nicht abbringen: "Ich will das nicht unterstützen, weder Amazon noch Ebay", sagt Märkl. "Wir lassen uns nicht verheizen."

Schuhhändler Alfons Nißl erzielt mit Online-Handel inzwischen 50 Prozent seines Umsatzes. (Foto: Toni Heigl)

Bernd Ohlmann vom Handelsverband bezeichnet das Phänomen als "Beratungsdiebstahl". "Das ist ein riesen großes Ärgernis. Die Leute lassen sich beraten, drehen dann auf dem Absatz um und kaufen im Internet." Ohlmann stellt allerdings auch fest, dass gerade bei teuren, wichtigen Anschaffungen immer noch der Gang ins Geschäft des Vertrauens bevorzugt werde. Grundsätzlich seien die heutigen Kunden durch das Internet bestens informiert, bevor sie einkaufen. "Das ist eine große Herausforderung für die Händler."

© SZ vom 31.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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