Öffentlicher Nahverkehr:Rufbus in voller Fahrt

Im Landkreis funktioniert das Angebot des Münchner Verkehrsverbundes sehr gut. Einige Gemeinden gehen aber lieber eigene Wege.

Von Horst Kramer, Dachau

Claudia Riemer ist ständig auf Achse. Laut dem Münchner Verkehrsverbund in einem Ruftaxi, doch tatsächlich ist es ein achtsitziger kleiner Bus. "Deswegen müsste man eigentlich von Rufbus reden, statt von Ruftaxi", sagt sie. Riemer fährt mit ihrem Bus das Gebiet der Gemeinden Pfaffenhofen an der Glonn, Odelzhausen und Sulzemoos ab und befördert Bewohner der Dörfer und Weiler zu den Bushaltestellen der MVV-Linie 732, die das Dachauer Hinterland über die Autobahn A8 mit dem Pasinger Bahnhof verbindet. Auf 30 bis 33 Fahrten kommt Riemer von Montag bis Freitag. Samstags ist sie selten unterwegs, da übernimmt zuweilen ihr Chef, Armin Edelmann, der Inhaber des Hohenzeller Unternehmens Omnibusse Huber. Riemers Eindruck: "Die Nachfrage nach dem Rufbus steigt."

Seit 15. Dezember 2014 rollen die MVV-Rufbusse durch einige Kommunen des Dachauer Landes. In einer Art Probebetrieb, der auf drei Jahre befristet ist. Das Ziel: abgelegene Ortschaften an die S-Bahn oder den A8-Bus anzubinden. Das Zwischenfazit in den einzelnen Gemeinden fällt fast überall positiv aus: So gerät Werner Kerzl, der Amtsleiter in Weichser Rathaus, förmlich ins Schwärmen, wenn er auf die Linie 7250 zu sprechen kommt, die Weichs und Ebersbach mit dem S-Bahnhof Vierkirchen verbindet: "Bedarfsverkehrsangebote sind optimal für den ländlichen Raum." Albert Herbst, der ÖPNV-Experte im Landratsamt, liefert die Zahlen dazu: Rund 500 Fahrgäste stiegen im Jahr 2015 in Ebersbach ein oder aus. Am stärksten genutzt wurde laut Herbst die Linie 7270 zwischen Röhrmoos und Schönbrunn mit mehr als 1400 Fahrgästen.

Anruf-Sammeltaxi

Claudia Riemer hat acht Plätze in ihrem Bus für Fahrgäste in Pfaffenhofen an der Glonn, Odelzhausen und Sulzemoos. Diese bringt sie zu den Haltestellen der Linie 732, die das Dachauer Hinterland mit Pasing verbindet.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Großer Bereicherung für Hilgertshausen-Tandern

Auch der Bürgermeister von Hilgertshausen-Tandern, Hans Kornprobst (CSU), sieht die Ruftaxi-Verbindung seiner Ortsteile zum Petershausener S-Bahnhof als "große Bereicherung für die Gemeinde". Er wolle seinem Nachfolger - Kornprobst tritt zum 1. Mai zurück - nicht vorgreifen, aber dass der Gemeinderat eine Verlängerung des Betriebes zustimmen wird, hält er für sehr wahrscheinlich. Etwas differenzierter sieht es der Odelzhausener Bürgermeister Markus Trinkl (parteilos): "Die Anbindung an die Buslinie 732 funktioniert ganz gut, unsere zweite Ruftaxilinie nach Maisach braucht es dagegen nicht unbedingt." Herbsts Zahlen sprechen eine andere Sprache: Demnach ist die Gemeinde im Nachbarlandkreis Fürstenfeldbruck eine der gefragtesten Destinationen überhaupt - mit mehr als 1000 Fahrgästen pro Jahr, die sich allerdings auf Ortschaften aus dem gemeinsamen Gebiet um Pfaffenhofen, Odelzhausen und Sulzemoos aufteilen. Ebenfalls gut nachgefragt werden laut Herbst die Verbindungen zwischen Hebertshausen und Ampermoching und zwischen Petershausen, Kollbach und Weißling mit etwa 400 bis 500 jährlichen Mitfahrern.

Doch es gibt auch einen Ausreißer - und das ist ausgerechnet die Flächengemeinde Altomünster. Der Gemeinderat beschloss im vergangenen Sommer, aus der Linie 7150 auszusteigen. "Bei uns ist die Welt noch in Ordnung", sagt der Altomünsterer Amtsleiter Christian Richter. "Wenn ein älterer Mensch aus einem abgelegenen Weiler zum Arzt muss, ist fast immer ein Familienangehöriger zur Stelle, der als Chauffeur einspringt." Deshalb sei der Rufbus kaum genutzt worden. Ein weiterer Grund, das System aufzugeben ist, dass sich Altomünster die Kosten nicht mehr mit Indersdorf teilen kann.

Prinzip Rufbus

Die Rufbusse und Ruftaxis fahren in den Gemeinden Hilgertshausen-Tandern, Petershausen, Weichs, Vierkirchen, Röhrmoos und Hebertshausen. Bergkirchen und Dachau haben ein eigenes Netz aufgebaut (Anrufsammeltaxi, abgekürzt "AST"). Der Bus kommt nur, wenn sich ein Fahrgast telefonisch angemeldet hat. Treffpunkt ist die vereinbarte Bushaltestelle. Der Rufbus fährt nur die Haltestellen an, an denen die angemeldeten Passagiere warten. Bezahlt wird nach MVV-Tarif entsprechend der Zonen. Monatskartenbesitzer müssen nichts zuzahlen. kram

Bürgerbus nach dem Vorbild Bergkirchens

Die Marktgemeinde will einen eigenen Bürgerbus nach dem Vorbild Bergkirchens einführen, den es seit sechs Jahren gibt. Die Bergkirchner Zahlen sind beeindruckend. "Wir bringen es auf 30 000 Fahrten pro Jahr", berichtet Bürgermeister Simon Landmann (CSU). Der Bürgerbus transportiert die Bergkirchner wahlweise zur S-Bahn nach Dachau oder Olching, an sieben Tagen in der Woche, bis spät in die Nacht. Alles auf Kosten der Gemeinde, für rund 100 000 Euro pro Jahr. "Doch wenn wir MVV-Zuschüsse kriegen würden, wäre mir das deutlich lieber", betont Landmann.

Die Kommunen, die an dem MVV-Ruftaxi-Projekt teilnehmen, erhielten bis Ende des vergangenen Jahres einen freistaatlichen Zuschuss von 70 Prozent. Albert Herbst erwartet, dass auch zukünftig staatliche Mittel fließen werden: "Ich habe einen Posten im Doppelhaushalt 2017/2018 entdeckt." Wie sie zugewiesen würden, sei allerdings noch unklar. Anfang Februar stellte Landrat Stefan Löwl (CSU) die Grunddaten für ein Gesamtverkehrskonzept des Landkreises vor. "Bedarfsverkehrsangebote sind sehr wichtig, um Lücken im Netz zu schließen", sagt Löwl.

Claudia Riemer hofft sehr, dass das Projekt fortgesetzt wird. Nicht nur, weil ihr Arbeitsplatz davon abhängt. Sondern auch, "weil viele meiner Kunden wirklich dankbar sind, wenn ich noch auf sie warte, weil der Bus abends wieder einmal Verspätung hat." Dann muss sie das Gespräch abbrechen: Ein Stammkunde aus Sulzemoos hat sich gemeldet.

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