Odelzhausen:Der Mythos lebt

Odelzhausen: Eine Woche lang diente der Sitzungssaal des Rathauses als Ausstellungsraum für die Sakralgegenstände aus dem zerstörten Kloster Taxa.

Eine Woche lang diente der Sitzungssaal des Rathauses als Ausstellungsraum für die Sakralgegenstände aus dem zerstörten Kloster Taxa.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Geschichte und Legenden: Projektwoche zur Bedeutung des Wallfahrtsortes Taxa

Von Renate Zauscher, Odelzhausen

Eine Woche lang stand Taxa im Mittelpunkt des Geschehens in Odelzhausen. Nicht der kleine Odelzhausener Gemeindeteil Taxa von heute, sondern der ehemalige Wallfahrtsort Taxa, den im 17. und 18. Jahrhundert jährlich Zehntausende von Pilgern besuchten. Um Geschichte und Legenden rund um diesen Wallfahrtsort und um das, was heute davon noch existiert, ging es in der von Ursula Kohn in Zusammenarbeit mit der Gemeinde organisierten Projektwoche. Gleichzeitig aber auch um Taxa als Inspirationsquelle für die künstlerische Weiterentwicklung des Themas.

Im Zentrum der Projektwoche stand die Präsentation der Sakralgegenstände aus dem ehemaligen, im Zuge der Säkularisation zerstörten Kloster Taxa, die bei der Versteigerung einer Privatsammlung vor sechs Jahren erworben wurden. "Was wäre, wenn Kirche und Kloster von Taxa heute noch existierten?", fragte sich Bürgermeister Markus Trinkl bei der Eröffnung der Schau im Rathaus. Die Frage mag müßig sein - das Interesse an der Ausstellung aber war gewaltig: Zu den Vorträgen des Historikers Wilhelm Liebhart, der am Eröffnungsabend über die Geschichte des Klosters referierte, und von Roderich Zauscher, der von der höchst spannenden, von ihm initiierten und von Kardinal Reinhard Marx unterstützten Rettungsaktion berichtete, waren so viele Menschen gekommen, dass der Rathaussaal sie kaum fassen konnte.

Vielleicht ist es der Nimbus des nicht mehr Existenten, des unwiederbringlich Verlorenen, der die Menschen an der Geschichte von Taxa fasziniert. "Mit eurem Hühnermädel will ich rasch fertig werden", soll der mit der Auflösung des Klosters 1802 beauftragte kurfürstliche Gerichtsschreiber Adam Heydolph mit Blick auf die wundertätige Madonna von Maria Stern gesagt haben. Er hatte sich gründlich geirrt: Das "Hühnermädel" wurde in die Odelzhausener Pfarrkirche transferiert (wo es allerdings nicht mehr als wundertätig gilt), der Gründungsmythos rund um das Stern-Ei aber, das am Anfang der Wallfahrtsgeschichte steht, lebt fort.

Berühmt ist aber nicht nur die Auffindungsgeschichte des Eis mit dem Bildnis Mariens im Strahlenkranz, sondern auch derjenige, der einige Jahrzehnte später in seinem Büchlein "Gack/Gack/Gack/A Ga" darüber berichtet hat: der Augustiner-Mönch und spätere Wiener Hofprediger Abraham a Sancta Clara. Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler beschrieb ihn in einer Veranstaltung der Projektwoche als "tief im Barock verwurzelten Menschen" und "kritischen Beobachter seiner Zeit". Für den in Odelzhausen aufgewachsenen und heute in Wien lebenden Künstler Götz Bury, Göttlers Co-Referent an diesem Abend, sind Abraham a Sancta Clara und die Formsprache des Barock indessen nur noch Ausgangspunkt für eigenwillige Um- und Neudeutungen des Themas. Bei der gemeinsamen Veranstaltung mit Göttler machte sich Bury teils ernsthafte, teils ironische Gedanken zu Abrahams Beweisführung in Sachen Ei-Wunder und führte eine aus ausrangierten Waschmaschinenteilen gefertigte "Schatulle" für das Büchlein des Predigers vor. Noch prächtiger, noch exaltierter war das, was Bury tags darauf in einer Performance zusammen mit dem österreichischen Schriftsteller Bodo Hell in der Kirche von Sankt Johann präsentierte: eine Kanzel, mannshohe Kerzenleuchter, sogar ein (tatsächlich bespielbares) Cello, alles aus Kochtöpfen, Teekesseln, Messern, Gabeln und anderem Haushalts-Metall zusammengeschweißt. Um materielles, greifbares Taxa-Erbe ganz anderer Art ging es dagegen dem Brauchtumsschützer Robert Gasteiger aus Dachau: Er hatte zur Ausstellung im Rathaus Repliken eines Taxa-Stichs und einer alten Wallfahrtsmedaille mitgebracht, die man für wenig Geld erwerben konnte.

Während Burys Exkurse über Frühstücks- und andere Eier und mögliche Zubereitungs- und Verzehrarten sowie Hells Wortreihungsspiele nur noch in marginalem Zusammenhang mit dem Thema Taxa standen, kehrten Pater Winfried Schwab aus dem steirischen Kloster Admont und Werner Reiss aus Wien am letzten Abend zum Kern der Predigten und des theologischen Ansatzes von Abraham a Sancta Clara zurück. "Was Sie hier machen, ist wertvoll und wichtig", erklärte Reiss den Organisatoren der Veranstaltungsreihe, "Abraham hätte seine Freude daran gehabt." Dessen Freude hätte vermutlich den sehr unterschiedlichen Herangehensweisen an das Thema Taxa ebenso gegolten wie der exzellenten musikalischen Umrahmung der Veranstaltungsreihe durch verschiedene Künstler.

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