Ausstellung im Augustiner-Chorherren-Museum:Der intellektuelle Prolet

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Eine Schau zum 150. Geburtstag von Ludwig Thoma im Indersdorfer Augustiner-Chorherren-Museum beleuchtet die vielfältigen und oft widersprüchlichen Facetten des bayerischen Literaten

Von Robert Stocker, Markt Indersdorf

"Ich weiß, dass das Buch gut ist" steht auf einem Plakat, auf dem sich Ludwig Thoma in edlem Zwirn und mit weißem Stehkragen in Szene setzt. "Auf den Beifall scheiße ich. Den kriegt jede Drahtseilkünstlerin und Arschverrenkerin genauso, und noch mehr", lästerte er über Kritiker. Der Schriftsteller war nicht nur von seinem Werk überzeugt, sondern auch von seinen Ansichten. Und diese wechselten im Lauf seines Lebens. Ludwig Thoma war Intellektueller und Prolet, europäischer Kosmopolit und leidenschaftlicher Patriot. "Er war sehr widersprüchlich, ein Mann mit vielen Facetten", sagt Katharina Osterauer, die sich lange und intensiv mit den Tiefen und Untiefen des populären Dichters beschäftigt hat.

Katharina Osterauer hat sich für die Ausstellung eingehend mit den verschiedenen Aspekten von Ludwig Thomas Persönlichkeit beschäftigt. (Foto: Niels P. Joergensen)

Die promovierte Buch- und Verlagswissenschaftlerin hat zusammen mit ihrer Kollegin Slavká Rude-Porubská die Ausstellung "Mensch, Mythos, Marke" konzipiert, eine Schau zum 150. Geburtstag von Ludwig Thoma, die jetzt im Indersdorfer Augustiner-Chorherren-Museum zu besichtigen ist. Sie kam auf Anregung von Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler zustande und war schon im Kloster Benediktbeuern und im Heimatmuseum von Prien am Chiemsee zu sehen. Nun wird sie auch im Dachauer Land präsentiert, das einen besonderen Bezug zu Ludwig Thoma hat. Der gelernte Jurist betrieb zwei Jahre lang in der Dachauer Altstadt eine Anwaltskanzlei. Seine Erfahrungen mit Land und Leuten schlugen sich in vielen Werken nieder.

Trotz mancher dunkler Seiten ist der Schriftsteller immer noch sehr populär. (Foto: Niels P. Joergensen)

Die Ausstellung klappert nicht die biografischen Stationen Ludwig Thomas ab, sondern versucht, seine Schwerpunkte herauszuarbeiten. Die Ausstellungsmacherinnen haben die Schau in sechs Themenkreise unterteilt: Ludwig Thoma als Schriftsteller, Journalist, Weiberheld, Katholik, Heimatsuchender und Mythos. In diesen Rubriken bündelt sich Thomas Charakter. "In allem, was er tat, war er sehr widersprüchlich", erläutert Katharina Osterauer. Das beginnt beim Umgang mit dem weiblichen Geschlecht und endet mit seiner politischen Metamorphose. Osterauer zufolge war Thoma ein Frauenverachter, ein Macho, der auch Bordelle besuchte. Einerseits sah er die Rolle der Frau im Haus und am Herd, andererseits verehrte er eine Tänzerin. Sein zwiespältiges Frauenbild zeigt sich auch in der Liebe zu Maidi Liebermann von Wahlendorf, einer gebildeten, selbstbewussten und vermögenden Dame aus feinen Kreisen. Thoma heiratete die jüdische Frau - was ihn nicht davon abhielt, am Ende seines Lebens zum antisemitischen Hetzer zu werden.

Ludwig Thoma hat auch als Marke große Zugkraft. (Foto: Niels P. Joergensen)

Zu den vielen widersprüchlichen Facetten des Schriftstellers gehört es auch, dass er von sich das Bild des heimatverbundenen, ländlichen Typen pflegte. Er ließ sich gern mit Sepplhut und Tracht ablichten, in der Hand eine lange Pfeife, um die Schulter das Jagdgewehr. "Andererseits war er aber auch ein Kosmopolit, er hatte Kontakt mit der Elite europäischer Intellektueller", erklärt Osterauer. In der Ausstellung ist auch ein Foto zu sehen, auf dem Thoma als lässiger Tennisspieler im weißen Anzug und mit Zigarre im Mund posiert. Ein moderner, weltoffener Mann, der wie Herrmann Hesse für die satirische Zeitschrift Simplicissimus schrieb. Mit ihm und dem Verleger Albert Langen gründete Thoma die Zeitschrift März, eine fortschrittliche und liberale Publikation. Sie redete einem vereinten Europa und der Freundschaft mit Frankreich das Wort. Thoma war in jener Zeit weltoffen und liberal. Er stand unter dem Einfluss seiner Weggefährten. Als einige dieser Freunde starben, wandelte sich seine politische Einstellung radikal.

Die Handschrift von Ludwig Thoma kann in der Ausstellung ebenfalls begutachtet werden. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Zäsur trat 1914 zum Beginn des Ersten Weltkriegs ein. "Linksradikale sind eine Bedrohung für ihn, die Räterepublik löst bei ihm einen Rechtsruck aus", erklärt Katharina Osterauer. Thoma geriet in den Dunstkreis von Nationalisten. Ignaz Taschner hatte ihm auf den Tuften am Tegernsee ein herrschaftliches Anwesen gebaut. Dort verfasste er seine Hetzschriften im Miesbacher Anzeiger, der ihm das Forum für professionelle Propaganda bot. Der Schriftsteller mutierte zum Anhänger des Kaiserreichs und Befürworter eines Kriegs. "Thomas Romane sind große Literatur, aber er war ein schwieriger Mensch", so Osterauer. "Ich hätte mich wahrscheinlich heftig gestritten mit ihm."

Am Sonntag, 3. Dezember, um 14 Uhr führt Katharina Osterauer Besucher durch die Ausstellung. Öffnungszeiten: Freitag und Samstag 13 bis 16 Uhr, Sonntag 13 bis 17 Uhr. Die Schau ist bis 2. Januar 2018 zu sehen.

© SZ vom 15.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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