Niederroth:Afrikanische Moderne

Niederroth: Sparsam polierter Stein, die Körperformen auf das Wesentliche reduziert: Eddie Masayas Skulpturen finden ohne Details zu eindeutigen Aussagen.

Sparsam polierter Stein, die Körperformen auf das Wesentliche reduziert: Eddie Masayas Skulpturen finden ohne Details zu eindeutigen Aussagen.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Die Sommerausstellung in der Galerie Conartz in Niederroth zeigt Werke von Eddie Masaya

Von Bärbel Schäfer, Niederroth

Vier schlank aufragende Figuren stecken ihre eiförmigen Köpfe zusammen, fast berühren sie sich. Die Körper stehen eng beieinander, sind teilweise untrennbar verbunden. Der Stein ist kaum behauen, die Oberfläche so sparsam poliert, dass sich das Licht nur an wenigen Stellen fängt und sie aufleuchten lässt. Keine ausgearbeiteten Gesichter sind zu erkennen, keine individuellen menschlichen Körperformen, und doch eine eindeutige Aussage, die allein auf der Haltung der Figuren beruht. Der Titel der fast lebensgroßen Steinskulptur lautet "Family Discussion". Sie stammt von Eddie Masaya, einem der führenden zeitgenössischen Bildhauer in Simbabwe. Wie ein Zeichen steht die Skulptur mitten im Raum eines Hofgebäudes in Niederroth.

Masayas Skulpturen und die von vielen weiteren bekannten Bildhauern aus Simbabwe sind die beeindruckenden Exponate, aus denen Kristin Diehl die Sommerausstellung in ihrer Galerie Conartz - kurz für Contemporary Art of Zimbabwe - arrangiert hat. Die ehemalige Lehrerin für Kunst und Mathematik aus dem Rheinland sammelt seit mehr als 25 Jahren diese spezielle afrikanische Kunst, die unter dem Begriff Shona Art zusammengefasst wird. Seit 1992 zeigt sie die Steinbildwerke in Ausstellungen und fördert die in Simbabwe lebenden Künstler mit einer Kunstpreisstiftung unter der Schirmherrschaft der deutschen Botschaft in Harare. Denn in Simbabwe gibt es trotz einer sehr lebendigen Szene so gut wie keinen Kunsthandel.

Der sichere Umgang mit dem Material Stein, meist dunkler, fast schwarzer Serpentin, fasziniert an den Bildwerken der Shona Art, die traditionelle afrikanische Elemente mit der Formensprache der Klassischen Moderne vereint. Das souveräne handwerkliche Können paart sich mit einer unbändigen Experimentierfreude und beseelter, melancholischer Innigkeit.

Anders als die alte afrikanische Kunst hat Shona Art keine rituelle Funktion. Sie entwickelte sich erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hierbei geht es um das Beherrschen des Materials, die Wirkung der Skulptur im Raum und ihren Ausdruck. Die Bildhauer beschäftigen in erster Linie formale und ästhetische Fragen, die in vielen Fällen um die Auflösung der Schwere und Materialgebundenheit des Steins kreisen.

So haben die spiralförmig gewundenen Objekte des 1977 in Guruve geborenen Kudzanai Dambaza nichts mehr vom Elementaren und Ursprünglichen der klassischen Bildhauerei. Sie winden sich in kühnen Drehungen federleicht in den Raum und spielen mit Durchblicken und dynamischen Überschneidungen. Ihre Oberfläche wirkt so weich, dass man sie am liebsten berühren möchte.

Itai Nyama, 1975 in Simbabwe geboren, hingegen bearbeitet und schleift den Stein so lange, bis er dünn ist wie Papier. Nichts Schmeichelndes ist an seinen abstrakten und geometrisch gebauten Skulpturen. Er setzt Flächen gegen scharfe Ränder und schmale Grate. Ihre Oberfläche wirkt wie kühles Metall. Albert Wachi aus Harare wendet sich an die Formen der Natur. Er verwendet neben dem Stein Fundstücke wie Teile von Autoreifen, Muscheln und Horn von Rindern, um Objekte zu gestalten, die mit den unterschiedlichen Materialqualitäten und Farbigkeiten spielen.

In den Siebzigerjahren erregte die damals noch sehr junge Shona Art in Ausstellungen in New York, Paris und Sevilla Aufsehen, schon wegen der westlichen Einflüsse, die an die Expressionisten wie George Braque, Picasso und Modigliani erinnerten. Umgekehrt hatte sich die Klassische Moderne, angefangen von den Fauvisten bis zu den Brücke-Künstlern, schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts von der sogenannten primitiven Kunst Afrikas und der Magie der Masken inspirieren lassen. Deutlich wird dieser gegenseitige Einfluss in einer hohen menschlichen Figur von Nicholas Mukomberanwa.

Der 2002 verstorbene Bildhauer gehört zur ersten Generation der Shona-Bildhauer. Er trieb die Entwicklung der Shona Art im 20. Jahrhundert wesentlich voran und trug zu ihrem internationalen Ansehen bei. Seine Formensprache ist kubistisch. Ein dunkler, schimmernd polierter Kopf und eng am Körper gefaltete Hände stehen im delikaten Gegensatz zur hellen und rau gestalteten Oberfläche des Gewandes. In ihrer Zurückgenommenheit nähert sich die Skulptur dem Betrachter in elementaren menschlichen Gefühlen wie Leid, Sorge und Freude.

Die Ausstellung ist zu sehen bis einschließlich Sonntag, 12. Juli. Geöffnet ist freitags von 16 bis 18 Uhr, samstags von 15 bis 19 Uhr und sonntags von 11 bis 19 Uhr. Kunsthalle Conartz, Münchner Straße 17. Am Sonntag, 12. Juli, von 15 Uhr an gibt der Schlagzeuger Christian Benning ein Konzert.

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