Neufahrn/Dachau:Ein Stück Geschichte

Neufahrn/Dachau: Lange lag das Giebelteil der KZ-Baracke unbeachtet auf dem Heuboden. Dann kam der Fürholzener Heimatforscher Ernst Keller.

Lange lag das Giebelteil der KZ-Baracke unbeachtet auf dem Heuboden. Dann kam der Fürholzener Heimatforscher Ernst Keller.

(Foto: Marco Einfeldt)

Ohne es zu wissen, hat Landwirt Johann Pleßl junior in seiner Scheune die Giebelwand der Baracke eines Dachauer KZ-Außenlagers aufbewahrt.

Von Birgit Grundner, Neufahrn / Dachau

Das Holzteil ist nicht besonders groß und gänzlich unauffällig. Zwischen landwirtschaftlichen Geräten und einer Tischtennisplatte lehnt es an der Scheunenwand. "Bis vor drei Jahren hab' ich gar nicht gewusst, was das ist", erinnert sich Landwirt Johann Pleßl junior. Heute weiß er, dass er ein Stück Ortsgeschichte aufbewahrt: Es handelt sich um ein Giebelteil einer Baracke des Außenlagers vom KZ Dachau, das sein Großvater erworben und der Vater jahrzehntelang behalten hat.

Das Lager befand sich im Neufahrner Süden - dort, wo heute der Wasser-Zweckverband seinen Sitz hat. 500 Häftlinge sollen in den rund 20 Baracken untergebracht gewesen sein. Als der Zweite Weltkrieg für Deutschland längst verloren war, sollten sie in der Garchinger Heide noch einen Flugplatz errichten. Sie haben den Boden für die Piste auch noch abgetragen, auf Luftaufnahmen ist das nach wie vor deutlich zu erkennen. Die Fertigstellung des wahnwitzigen Nazi-Projektes hat aber der Einzug der Amerikaner in Neufahrn verhindert.

"Das kann man ja mal aufheben."

Die Häftlinge wurden befreit, das Lager aufgelöst - und die Baracken irgendwann von der Gemeinde versteigert. 15 Meter lang und etwa halb so breit seien sie gewesen, erzählt Johann Pleßl senior. Auch auf dem Hof der Familie wurde so eine Baracke aufgestellt. Sie hätten das Dach, das ja nur aus dünner Teerpappe bestand, ausgebessert und dort dann Maschinen untergestellt, erzählt der heute 88-jährige Pleßl senior. Nach sieben oder acht Jahren sei das Holz aber kaputt gegangen, es wurde Brennholz daraus gemacht und der Unterstand schließlich ganz beseitigt: "Da hab' ich ein Stück Giebel auf die Seite gestellt und mir gedacht, das kann man ja mal aufheben."

Lange lag das Teil unbeachtet auf dem Heuboden. Doch dann kam der Fürholzener Heimatforscher Ernst Keller zu Pleßl, das Gespräch kam auf das Barackenteil, und inzwischen ist es sogar in einem Film zu sehen: Johann Pleßl senior erzählt darüber in der Dokumentation "Als der Luftkrieg in unsere Heimat kam".

Er selbst hat den Zweiten Weltkrieg auch hier miterlebt. Um Soldat zu werden, sei er zu klein und zu leicht gewesen, berichtet er, "deshalb bin ich zurückgestellt worden". Jeden Sonntag musste er aber an der vormilitärischen Ausbildung teilnehmen - bei schlechtem Wetter in der Alten Halle, ansonsten im Freien. Und als Feuerwehrmann wurde er nach Bombenangriffen auch bis München geschickt: "Das war verheerend!" Das KZ-Außenlager im Neufahrner Süden kannte er nur von außen: "Da ist man nicht reingekommen." Einmal habe ein anderer Landwirt für die Häftlinge Kartoffeln über den Zaun geworfen, erinnert sich Pleßl: "Da ist ein Posten rausgegangen und hat ihm gesagt, wenn er das noch mal macht, wird er erschossen." In den letzten Kriegstagen kamen auch 350 KZ-Häftlinge aus Straubing durch Neufahrn.

Zwei Häftlinge schliefen in der Scheune

Ein eilends zusammengestellter Volkssturm mit Pleßls Vater, sollte sie über die Grünecker Isarbrücke bringen. Diese wurde wenig später von der SS gesprengt. Da war Pleßl gerade schon wieder auf dem Rückweg, und in Neufahrn wehten bereits weiße Fahnen. Eine war auf dem Kirchturm entrollt worden, als die ersten amerikanischen Panzer bereits zu sehen waren. Kurz zuvor war auch Johann Pleßl nach Neufahrn zurückgekommen: Als er mit dem Volkssturm noch nach Freising geschickt werden sollte, hatte er sich vorübergehend in Notzingermoos versteckt.

Nach der Befreiung des Neufahrner Lagers haben dann zwei Häftlinge ein paar Wochen in der Scheune der Familie geschlafen. Aus Litauen und Lettland seien sie gewesen, erzählt Pleßl: "Einer war so mager - der hat wie der lebendige Tod ausgeschaut." Als die Männer wieder "einigermaßen fit" waren, seien sie weitergezogen.

Die Gruppe um Heimatforscher Keller hat drei Jahre lang recherchiert und mit 70 Zeitzeugen wie Johann Pleßl senior gesprochen.

Der Heimat- und Geschichtsverein wird den Film am 31. März im Franziskussaal zeigen. Außerdem ist die Dokumentation am Sonntag, 28. Februar, um 17 Uhr in der Christi-Himmelfahrtskirche in Freising zu sehen.

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