Neubau:Ende eines Vorzeigeprojekts

Bei der Sanierung des alten Lehrerhauses der früheren Dorfschule in Niederroth hatten Achtklässler den Umgang mit Schraubenzieher und Hammer gelernt. Doch die Kosten für die geplante Nutzung sind viel zu hoch. Das marode Gebäude wird einem Neubau weichen

Von Robert Stocker, Markt Indersdorf

Die bunt bemalten Fenster sind verbarrikadiert, der Zugang zum Gebäude ist mit einem Eisengitter versperrt. Das alte Gemäuer ist gegen unbefugtes Betreten gesichert. Die Baustelle für das Niederrother Lehrerhaus ruht. Wenn sich dort wieder etwas tut, wird nicht weiter gebaut, sondern abgerissen. Die Gemeinde stellt die Sanierung ein, an der maßgeblich Indersdorfer Mittelschüler beteiligt waren. Das Projekt galt bayernweit als vorbildlich. Doch Aufwand und Sanierungskosten sind einfach zu hoch. Jetzt ist die Gemeinde auf die Bremse gestiegen. Das Lehrerhaus wird bald abgebrochen, der Schutt entsorgt. Dann soll es eine fundierte Planung für einen Neubau geben.

Ein Indersdorfer Ingenieurbüro untersuchte im vergangenen Sommer das marode Gemäuer, das in den Jahren 1927/28 entstand. Das Anwesen an der Durchgangsstraße mitten im Ort diente den Lehrern der damaligen Dorfschule als Unterkunft. Als die Verbandsschule vor 45 Jahren gegründet wurde, wurde die Dorfschule in Niederroth aufgelöst. Damit verlor auch das Lehrerhaus seine Bestimmung. Zuletzt wohnte hier ein älteres Ehepaar, das in dem Haus eine günstige Bleibe fand. Etwa zehn Jahre lang stand das Anwesen leer. Jetzt kamen die Experten zu dem Ergebnis: Damit man das Lehrerhaus als Wohnhaus nutzen kann, ist ein großer Aufwand mit hohen Kosten nötig. Wenn es, wie geplant, auch öffentlich genutzt werden soll, müsste die Gemeinde Auflagen für den Brandschutz und für die Barrierefreiheit erfüllen. Angesichts des aktuellen Zustands wäre das kaum zu stemmen. Umbau und Sanierung würden 459 000 Euro kosten, errechnete das Ingenieurbüro. Für einen Neubau hat es Kosten von 526 000 Euro angesetzt, also nicht wesentlich mehr. Trotz Sanierung bliebe das Lehrerhaus noch immer ein Altbau, dessen Keller und Dachgeschoss nicht genutzt werden könnten. Fazit: Eine weitere Sanierung rechnet sich nicht.

Kunstprojekt

Der Umbau des Lehrerhauses wird eingestellt.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Ingenieurbüro und ein Arbeitskreis mit Bürgermeister Franz Obesser (CSU) plädierten dafür, die Bauarbeiten einzustellen und das Gebäude abzureißen. Stattdessen soll eine Planung für einen Neubau auf dem gemeindlichen Grundstück kommen. Auch in dem neuen Haus sind öffentliche Räume für Vereine und die Erwachsenenbildung sowie Wohnungen im ersten Stock geplant. Der Gemeinderat plädierte einstimmig für das neue Projekt. "Das ist eine super Alternative", freute sich Thomas Loderer vom Bürgerblock Niederroth. Die Probleme mit der Sanierung seien nicht vorhersehbar gewesen. "Die Mittelschüler haben durch die praktische Arbeit viel gelernt", sagte Jugendreferent Paul Böller. Der Eigentümer eines kleinen Bauunternehmens hatte die Schüler beim Arbeiten angeleitet. "Es ist schade, dass die Sanierung nicht weiter geht, aber die Zahlen sprechen für sich." Dritter Bürgermeister Hans Lachner (CSU) erinnerte an die Bedenken der CSU gegen eine Sanierung. "Wir haben von Anfang an gesagt, dass man die alte Bude wegreißen muss. Jetzt müssen wir die Notbremse ziehen." Doch das Projekt mit den Mittelschülern sei gut gewesen. Die Gemeinde brauche eine neue Planung und ein "g'scheites Haus" - und eine schnelle Abrissgenehmigung für das alte Gebäude. Das sieht auch Bürgermeister Franz Obesser (CSU) so. Das Konzept für den Neubau werde wohl erst der neue Gemeinderat beschließen, der im Mai 2020 im Amt sein wird.

Die Hoffnung auf eine günstige Sanierung des Lehrerhauses hatte die Mehrheit des Gemeinderats zu dem Projekt bewogen. Die Verwaltung habe es von Anfang an skeptisch gesehen, wie Bauamtsleiter Erich Weisser sagt. So sei das Dach auf einem maroden Dachstuhl eingedeckt worden, Sanitärräume waren im Keller geplant. Das Vorhaben sei ein "Low-Budget-Projekt", sagte Stefan Allmann beim Baubeginn. Der pädagogische Mitarbeiter der Indersdorfer Mittelschule koordinierte als eine Art Supervisor die Arbeit der Schüler. Er betreut auch die "Schulwerker" in der achten Jahrgangsstufe. Die Kinder lernen in dieser Gruppe den Umgang mit Hammer und Schraubenzieher - praktische Arbeit, die viele Jugendliche nach dem Abschluss der Mittelschule erwartet. Die Schüler absolvieren auch Praktika und schnuppern in Handwerksberufe hinein. Diese Erfahrungen sind eine Hilfe bei der Entscheidung, welcher Job ihnen später Spaß machen könnte. Im Beamtendeutsch heißt das "erweiterte vertiefte Berufsorientierung".

Neubau: Pädagogisch wertvoll, aber teuer: Mittelschüler und Asylsuchende werkelten eifrig an der Sanierung des Lehrerhauses.

Pädagogisch wertvoll, aber teuer: Mittelschüler und Asylsuchende werkelten eifrig an der Sanierung des Lehrerhauses.

(Foto: OH)

Genau darum ging es auch im Lehrerhaus Niederroth. Der damalige Rektor Thomas Frey war von der Idee begeistert, Schüler an der Sanierung zu beteiligen. Sein Antrag an den Gemeinderat wurde angenommen. Schüler sollten zu Bauherren werden, Verantwortung übernehmen und Kompetenzen stärken. Die Personalkosten teilten sich Kultusministerium und die Agentur für Arbeit. Die Gemeinde bezahlte die Handwerker und das Material. 120 000 Euro waren dafür eingeplant.

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