Nachhaltige Idee:Verschenken statt wegwerfen

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Marktleiter Selin Spanjolli (links) präsentiert das Food Share Regal. (Foto: Toni Heigl)

Das Amper Einkaufszentrum gibt an Kunden kostenlos Lebensmittel ab, deren Haltbarkeit am selben Tag abläuft. Die Aktion soll auf Verschwendung aufmerksam machen - für die Tafel ist sie eine Konkurrenz

Von Jana Rick, Dachau

Unter dem Motto "Das sind Lebensmittel, die wirft man nicht weg", weiten die Amper Einkaufszentren (AEZ) nun ihre Aktion gegen die "Wegwerfgesellschaft" aus. Udo Klotz, AEZ-Geschäftsführer, führte sein Projekt "zu gut für die Tonne" nun auch im AEZ Dachau ein: Der Supermarkt verschenkt noch genießbare Lebensmittel, die am selben Tag ablaufen. In einem eigens dafür eingerichteten Kühlregal hinter den Kassen kann sich der Kunde kostenlos Joghurts oder einen Apfel mit Druckstellen mit nach Hause nehmen. Der Schrank wird dabei kontinuierlich von den Mitarbeitern des AEZ aufgefüllt. Eine nachhaltige Idee, die erst auf den zweiten Blick Probleme aufweist. Denn knapp abgelaufene Produkte könnten auch an die Tafel abgegeben werden. Paul Polyfka, Geschäftsführer des Roten Kreuzes, erklärt die kritische Seite der Aktion: "Wenn sich das Modell wirklich durchsetzt, dann werden die Möglichkeiten der Tafel eingeschränkt. Für den Supermarkt ist es natürlich tolle Werbung."

Vor sechs Wochen wurde die Idee im AEZ Buchenau erstmals umgesetzt und die Reaktion der Kunden getestet. Bereits nach einigen Tagen war zu erkennen, wie gut die Aktion ankommt: "Der Erfolg in Fürstenfeldbruck ist umwerfend. Wir bekommen ausschließlich Lob, von Seiten der Mitarbeiter und der Kunden", erklärt der Geschäftsführer stolz. Und so entschied er sich kurzerhand dazu, die geplante Testphase zu verkürzen und auch das AEZ Dachau mit einem "Food Share"-Kühlschrank auszurüsten. Gleichzeitig wundert Klotz sich, dass "die Menschen nicht schon viel früher darauf gekommen sind", schließlich sei das Ganze eine "simple Sache". Seit etwa eineinhalb Jahren versuchte er die Idee umzusetzen, war mehrmals mit dem Landratsamt im Austausch darüber gewesen und fragte beim Einzelhandels- und Gewerbeverband an. Dieses Jahr hatte es endlich geklappt. Die Aktion soll nicht nur auf die Lebensmittelverschwendung aufmerksam machen, sondern ist auch gleichzeitig eine Lösung für das Haftungsproblem, dem sich jeder Lebensmittelhändler stellen muss: Sobald das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) eines Produktes abgelaufen ist, muss es aus dem Handel genommen werden, denn für mögliche gesundheitliche Konsequenzen haftet der Supermarktbetreiber. Dies ist auch im EU-Recht festgelegt. Mit ihrer neuen Aktion umgeht das AEZ dieses Problem. "Nachdem die Produkte am selben Tag ablaufen, gehen wir an die Grenze, aber ohne selbst ein Risiko einzugehen", sagt Udo Klotz. Aus diesem Grund warnt das AEZ auch auf dem Kühlregal mit der Aufschrift: "Der Verzehr der Ware liegt in Ihrer Verantwortung".

Ein Ziel der Aktion ist es, den Verbraucher zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln zu bewegen. Hinter der Aktion steckt allerdings noch ein weiterer Gedanke: Udo Klotz möchte aus der "Diskriminierungsecke" herausgehen und der Gesellschaft zeigen, dass es nicht peinlich ist, abgelaufene, günstigere Produkte mitzunehmen. Deswegen achtet Klotz sehr darauf, das Kühlregal ästhetisch und ansprechend zu positionieren, in der Hoffnung, "jede Bevölkerungsschicht" anzusprechen. Diejenigen, für die es ein Segen wäre, werden sich wohl nicht am Kühlregal bedienen: Die Bedürftigen, die kein Geld haben, um es im Supermarkt auszugeben. Ein einzelner Joghurt stillt ihren Hunger nicht. Geschäftsführer Klotz sieht sich in keinem Konkurrenzverhältnis zur Tafel: "Dort bekommt man eine ganze Mahlzeit, wir jedoch verschenken nur einzelne Produkte an Kunden, die normalerweise ihren Einkauf schon gemacht haben", erklärt er. "Wir sprechen eine andere Kundschaft an, wir haben ein anderes Modell", fügt Klotz hinzu. Genau so sieht es auch Polyfka. Trotzdem macht er sich Gedanken über die Zukunft: "Wenn sich das Projekt flächenmäßig durchsetzt, dann hat die Tafel wirklich ein Problem. Denn sie lebt von knapp abgelaufenen Lebensmitteln." Doch genau das scheint die Idee der Unternehmer zu sein: Bis zum Frühjahr soll das Projekt in allen AEZ-Märkten umgesetzt werden. Dann besteht laut Polyfka durchaus die Gefahr, dass die Tafel zu kurz kommen könnte. Noch sieht er es locker und meint: "Wir müssen beobachten, wie sich die Aktion entwickelt, noch ist es zu früh, um mögliche Konsequenzen zu ziehen."

© SZ vom 07.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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