Nachdenklich, melancholisch:Sie hat den Soul

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Jenny Gabrielsson Mare im Dachauer Café Gramsci. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Jenny Gabrielsson Mare im Café Gramsci mit Großstadtliedern und Erinnerungen an den Norden Schwedens

Von Magdalena Hinterbrandner, Dachau

Die junge Schwedin Jenny Gabrielsson Mare warnt ihr Publikum im Dachauer Café Gramsci: "Jetzt kommen traurige Lieder auf euch zu. Wer hier ein Wasser vor sich stehen hat, sollte vielleicht lieber zu etwas Stärkerem wechseln." Die Zuhörer lachen, denn Jenny Gabrielsson Mare wirkt alles andere als depressiv. Sie strahlt Freude aus, und wenn sie von ihrem Heimatland Schweden erzählt, macht sie einen stolzen und fröhlichen Eindruck.

Aber eben diese Heimat ist für sie mit ein Grund, warum ihre Lieder von diesen traurigen, melancholischen und nachdenklichen Melodien und Texten geprägt sind. Jennys Zuhause ist die schwedische Stadt Boden in Norrbotten, also ganz im Norden Schwedens. "Nah am Polarkreis", sagt die Musikerin selbst: Das Klima prägt. In Wintermonaten ist es dort fast durchgehend dunkel, die Tage sind sehr kurz, es scheint keine Sonne. Jenny würde sagen, solche melancholischen Lieder sind typisch schwedisch. Selbst die schwedischen Folksongs sind von einer Melancholie geprägt. Als Schwede wächst man damit auf, deshalb ist ein sonniges Gemüt, das solche Lieder singt, auch kein Widerspruch für Jenny. "Ich würde ja gerne mal freudige Lieder spielen. Aber immer, wenn ich mich dann hinsetzte, um Musik zu machen, kommt so etwas dabei raus", scherzt sie, aber natürlich meint sie es ernst.

Wenn sie die Finger auf die Klaviertasten legt und zu spielen beginnt, verschwindet dieser fröhliche Eindruck. Ihre Lieder schreibt die Schwedin alle selbst, auch ihre Texte stammen aus ihrer Feder. Ein tiefer Basston stimmt das Lied an, er wiederholt sich und nimmt so langsam den Zuhörer an die Hand und führt ihn in eine schwermütige, sehnsuchtsvolle Welt hinein. Der Basston wiederholt sich, immer wieder, und entwickelt sich zum Orgelpunkt des gesamten Stückes. Dazu kommen jetzt vereinzelte Moll-Akkorde in der hohen Lage. Langsam und vorsichtig baut Jenny das Stück auf, mit viel Ruhe. Wo andere Musiker vielleicht schon lange angefangen hätten zu singen, hält die Schwedin den Ton.

Genau deshalb wird das Publikum nicht mit der wehmütigen Stimmung überrumpelt, sondern kann selbst hineinfinden in diese Welt. Während sie ihr Klavier spielt, blickt sie in das Publikum, als wolle sie erst sicherstellen, dass jeder im Raum nun bereit ist. Keiner der Besucher gibt einen Laut von sich, jeder blickt die junge Musikerin an und wartet gespannt, wann sie zu singen beginnt. Dann wiederholt sich ein letztes Mal das Muster am Klavier: Eine feste, tiefe und klare Stimme erfüllt den kleinen Raum des Café Gramsci. Sie besitzt eine wahnsinnige Stärke, klingt voll und schwer. Sie erinnert an den Soulgesang, der sich Ende der 1950er Jahre in den USA entwickelt hatte. Schließt man die Augen, sieht man vor dem inneren Auge eine amerikanische Gospelsängerin, die durch die Straßen einer Großstadt schlendert, ein Zug rauscht an ihr vorbei, Maschinen dröhnen. Und die Gospelsängerin singt.

Und genau dieses Bild wollte Jenny Gabrielsson Mare mit ihrer Musik auch erreichen. Sie selbst hat für ihr neues Album einige Zeit in Brooklyn, einem Stadtbezirk von New York, gewohnt um sich von dem "industrial noise", also dem Großstadtlärm, zu inspirieren. Diese Eindrücke und Geräusche der Stadt wollte sie in ihren Liedern verarbeiten. Und das ist ihr gelungen.

Normalerweise spielt Jenny Gabrielsson Mare in einer Band, zusammen mit einem Schlagzeuger und einem Pianisten, sie nennen sich "White Birches".

Auch von älteren Liedern spielt sie an diesem Abend Akustik Versionen nur mit Klavier für ihr Publikum. Ab und an wirkt sie unsicher auf dem Instrument, und manchmal muten ihre Finger ein wenig steif an. Doch sie selbst spricht das an und entschuldigt sich für ihre Fehler am Klavier, denn normalerweise ist Jenny in der Band die Sängerin. Und wenn ein kleines Missgeschick passiert, dann lächelt Jenny. Und so entsteht im Café Gramsci an diesem Abend eine vertraute und heimelige, melancholische, schwermütige und gleichzeitig auch wunderschön friedliche Stimmung.

Nach Jenny Gabrielsson Mare bringt der Kulturverein Tollhaus Dachau am Freitag, 3. November, 20 Uhr Mick Thomas & Squeezebox Wally ins Café Gramsci.

© SZ vom 02.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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