Nach dem Wahldebakel:"Angst vor Dingen, die fremd sind"

Nach dem Wahldebakel: Altlandrat Hansjörg Christmann treibt nach der Bundestagswahl die Sorge um seine Partei, die CSU, um.

Altlandrat Hansjörg Christmann treibt nach der Bundestagswahl die Sorge um seine Partei, die CSU, um.

(Foto: Toni Heigl)

Altlandrat Hansjörg Christmann sucht nach Gründen und Ursachen für das schlechte Abschneiden seiner Partei, der CSU

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Statt 61,15 Prozent vor vier Jahren in Hilgertshausen-Tandern sind es am vergangenen Sonntag nur noch 45,39 Prozent für die CSU geworden. In Bergkirchen verlor die Partei 14,99 Prozent der Zweitstimmen. Nur in Haimhausen blieb es bei einer einstelligen Einbuße mit 7,99 Prozent. Gleichzeitig ist die AfD auf teilweise mehr als 14 Prozent gestiegen, in Bergkirchen, Odelzhausen oder Tandern zum Beispiel. Die CSU verlor auch Stimmen an die FDP. Es dürften vor allem diejenigen Wähler gewesen sein, die gerne Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unterstützen oder die Chance auf eine Regierungsbeteiligung der Liberalen erhöhen wollten. Wie lässt sich gerade in einem Landkreis wie Dachau, einer Boomregion die von der Europäischen Union extrem profitiert, erklären, dass die AfD beinahe zur zweitstärksten Kraft geworden wäre?

Gerade Kommunalpolitiker der CSU müssten darauf eine schlüssige Antwort finden, zumal sie sich zugute halten, im so genannten vorpolitischen Raum präsent zu sein; also bei den Bürgern, in den Vereinen und sozial tätigen Organisationen. Die erste Reaktion des CSU-Kreisvorsitzenden Bernhard Seidenath am Wahlabend bestand in einer Kritik an der Wahlkampfstrategie der CSU, die sich von der Politik der Bundeskanzlerin Merkel gerade in der Flüchtlingspolitik zu wenig abgegrenzt habe. Dagegen vertritt der CSU-Spitzenkandidat und Innenminister Joachim Herrmann, der wie Seidenath aus Erlangen stammt, einen Tag nach der Bundestagswahl die Ansicht, dass die CSU keinen Rechtsruck brauche, um die "rechte Flanke" zu schließen. Das hatte CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer nach dem Debakel in der Wahlnacht gefordert.

Altlandrat Hansjörg Christmann (CSU), der fast 35 Jahre den Landkreis führte und seit mehr als 40 Jahren kommunalpolitisch präsent ist, findet keine eindeutige Antwort. Auf Inhalte der AfD zu verweisen, erübrige sich, weil keine vorhanden seien. Eher bediene die Partei die Ängste von Menschen mittels einfacher Slogans. "Diese Ängste", sagt Christmann, "sind in einem viel größerem Maße vorhanden", als er selbst für möglich gehalten habe. Denn die "Rahmenbedingungen", die im Landkreis gelten, "können es nicht sein." Damit meint er die wirtschaftlichen Daten und die soziale Lage der Mehrheit der Bevölkerung. Er vermutet, dass es "die Angst vor dem Wandel" sei, "vor Dingen, die fremd sind". Womöglich sei die Wahl der AfD auch eine Reaktion auf die Globalisierung und die damit verbundenen Unsicherheiten. Aber mehr als spekulieren, kann Christmann einen Tag danach nicht. Allerdings wirft er den Medien, vor allem den Fernsehsendern, vor, die AfD mit einem Übermaß an Aufmerksamkeit "hofiert" zu haben. In dem Punkt müsse er dem CSU-Spitzenkandidaten Herrmann Recht geben, sagt Christmann.

Er wünscht sich jetzt Koalitionsverhandlungen, die dem Ernst der Lage begegnen und keinen "Politpoker" inszenieren. "Denn wir werden die Probleme mit Radikalität nicht lösen." Mit Problemen meint Christmann, den Versuch, die AfD zurückzudrängen. In der Vergangenheit hat die ehemalige CSU-Landesgruppenchefin in Berlin und Dachauer Wahlkreisabgeordnete Gerda Hasselfeldt als enge Beraterin der Bundeskanzlerin den Ausgleich zwischen CDU und CSU gerade in der Flüchtlingspolitik versucht.

Auf die Frage, ob Hasselfeldt, die nicht mehr zu den Wahlen antrat, als politisch gescheitert betrachtet werden muss, sagt Christmann: "In den Koalitionsverhandlungen wird eine Hasselfeldt dringend gebraucht." Soll sie also den Rückzug vom Rückzug von der Politik wagen? "Nein", sagt Christmann. "Den Schritt will ich ihr nicht zumuten. Aber ihr vernunftsbezogenes Gedankengut darf nicht verloren gehen."

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