München/Röhrmoos:Bayerische Verfassungsmedaille für Theresia Strobl

Theresia Strobl,Theresia Strobl mit Barbara Stamm

Theresia Strobl erhält Glückwünsche von Landtagspräsidentin Barbara Stamm (rechts).

(Foto: Anca Miruna Dunga)

Seit 52 Jahren lebt sie im Franziskuswerk und engagiert sich in der Bewohnervertretung und für die Umsetzung der UN-Behindertenkonvention.

Von Anca Miruna Dunga, München/Röhrmoos

Es ist kurz nach 12 Uhr im Festsaal des Landtags und Theresia Strobl schaut verstohlen auf ihre Uhr. Die 62-Jährige soll heute die bayerische Verfassungsmedaille erhalten. Doch die Vorreden wollen einfach nicht aufhören. Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) hat in ihrer Begrüßungsrede bereits erwähnt, dass die Sitzung am Abend zuvor erst um fünf Uhr morgens zu einem Ende fand. Jetzt hoffen die etwa 200 geladenen Gäste, dass der Festakt nicht ganz so lange dauert.

Die Stimme erheben für die Rechte der Menschen mit Behinderung und das unermüdliche Einsetzen für die Umsetzung der UN-Behindertenkonvention, dafür steht Theresia Strobl. Seit Jahren engagiert sie sich in der Bewohnervertretung des Franziskuswerks Schönbrunn, in dem sie seit 1964 lebt. Sie sorgt dafür, dass sich die Bewohner wohlfühlen, hilft ihnen sich trotz ihrer Behinderung gleichberechtigt in die Gesellschaft einbringen zu können.

Theresia Strobl ist seit ihrer Geburt spastisch gelähmt, kann nicht sprechen. Man kann nur erahnen, wie sich das Leben vor 52 Jahren im Franziskuswerk angefühlt haben mag. Als Strobl in die Einrichtung kam, war sie zehn Jahre alt. Damals lebten mehr als 50 Menschen in einer Wohneinheit, es gab riesige Gemeinschaftsschlafsäle. Heute wohnen die meisten Bewohner Schönbrunns in Einzel- oder Doppelzimmern, Wohneinheiten mit maximal zehn Bewohnern sind die Regel. In den sechziger und siebziger Jahren versorgten Ordensschwestern die Bewohner mit Behinderung. "Heute sind es ausschließlich weltliche Fach- und Hilfskräfte", erzählt Strobl. Sie wohnt mit sieben weiteren Frauen im Alter zwischen 48 und 69 Jahren in einer Wohneinheit.

Der Talker hilft bei der Kommunikation

Wie kommuniziert man, wenn die Muskeln einen im Stich lassen und die Wörter einfach nicht aus dem Mund kommen wollen, obwohl man so viel zu sagen hätte? Seit vier Jahren besitzt Theresia Strobl einen sogenannten Talker - einen Computer, in den sie ihre Worte und Sätze eintippt und der dann das Geschriebene in gesprochenes Wort umwandelt. Eine kleine Revolution! Davor besaß sie zwar einen Taschencomputer, bereits in den Siebzigern benutzte sie eine Schreibmaschine. Jedoch mussten ihre Gesprächspartner das von ihr mühsam Getippte ablesen. Heute spricht Strobl durch das moderne Gerät direkt zu ihnen. Das Schreiben und Kommunizieren mit der Schreibmaschine und dem Computer hat sie im Franziskuswerk gelernt. Nach ihrem Schulabschluss dauerte es ganze 30 Jahre, bis Strobl einen Beruf ausüben konnte. "Vor vierzig Jahren gab es im Franziskuswerk noch keine Werkstatt für Menschen mit Behinderung." Heute steht die 62-Jährige kurz nach sechs auf, macht sich gemeinsam mit ihrer Assistenz fertig, frühstückt in der Gruppe, um dann von acht bis halb fünf in der Behindertenwerkstatt zu arbeiten. Theresia Strobl wird gebraucht - ein gutes Gefühl. Sie fühle sich wohl im Franziskuswerk, möchte hier nicht wegziehen. Die sozialen Kontakte, die sie habe, möchte sie keinesfalls missen, sagt sie. Die Kritik, die immer wieder mal an großen Einrichtungen für behinderte Menschen geübt wird, kann sie nicht ganz nachvollziehen. "Meiner Meinung nach fühlen sich viele Menschen mit Behinderung in einer Großeinrichtung geborgen und sicher."

39 Frauen und Männer werden für ihre besonderen Verdienste an diesem sonnigen Freitag mit der Verfassungsmedaille ausgezeichnet. "Ohne Ihr Engagement wäre unsere Gesellschaft ein Stück ärmer!", betont die Landtagspräsidentin.

Es ist kurz nach halb eins, als Strobls Assistentin den Rollstuhl nach vorne schiebt. Barbara Stamm überreicht der zierlichen Dame mit dem französisch geflochtenen Zopf und der bunten Strickjacke feierlich eine Urkunde und die silberne Medaille. Ein Händeschütteln, ein Lächeln für die Fotografen, den Applaus genießen, dann ist es vorbei. Doch das Lächeln in Strobls Gesicht bleibt.

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