München/Dachau:Drei Jahre Haft für Elternpaar

Nach einem Ehestreit mit Messerattacken erhalten beide Angeklagte aus der ehemaligen Dachauer Gemeinschaftsunterkunft Gefängnisstrafen.

Von Benjamin Emonts, München/Dachau

Die Hoffnung, wieder in Freiheit zu gelangen, war groß bei dem angeklagten Ehepaar aus Dachau. Vor mehr als einem Jahr hatten sich die Eheleute gegenseitig mit einem Messer angegriffen, deshalb mussten sie sich des versuchten Totschlags verantworten. Vor drei Tagen dann forderte der Staatsanwalt - für viele überraschend - Bewährungsstrafen für die beiden, weil er keine Tötungsabsicht erkennen konnte. Am Ende half es aber auch nichts, dass die 30-jährige Frau vor der Urteilsverkündung ihre Hände faltete und leise betete. Der Vorsitzende Richter am Landgericht München II Thomas Bott verurteilte die Verheirateten am Donnerstag zu jeweils drei Jahren Haft.

Die Geschichte des aus Nigeria stammenden Ehepaares ist tragisch. "Wir waren auf der Suche nach einem besseren Leben", hatte der 35-Jährige am Dienstag erklärt. Doch es wurde schlechter. Seit Anfang März 2016 saßen die Eheleute in Untersuchungshaft und warteten auf ihren Prozess. Ihre beiden kleinen Kinder, die sie mit auf die Flucht nach Deutschland genommen hatten, sind seither allein. Abzüglich der Zeit in Untersuchungshaft müssen die Eheleute nun fast zwei weitere Jahre hinter Gittern verbringen. Daran ändert auch nichts, dass sie einander über einen Briefwechsel angeblich verziehen haben.

Streit ums Geld

Der verhängnisvolle Vorfall ereignete sich in der Nacht auf den 8. März in der inzwischen geschlossenen Asylbewerberunterkunft in der Kufsteiner Straße in Dachau. Der Vorsitzende Richter Thomas Bott rekonstruierte in seiner Urteilsbegründung die Tat. Zwischen den Eheleuten gab es demnach bereits seit einem Dreivierteljahr Streit, der sich immer wieder in verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen entlud. Der Heimleiter, der über die Probleme bescheid wusste, teilte dem Ehemann ein eigenes Zimmer zu. Am 7. März entbrannte zur Mittagszeit ein Konflikt darüber, wie mit den finanziellen Zuwendungen des Dachauer Landratsamts umgegangen werden sollte. Von den insgesamt 1004 Euro soll der alkoholkranke Ehemann 700 Euro für sich beansprucht haben, was seine Frau so nicht hinnehmen wollte. Der Unterkunftsleiter konnte den Streit zunächst noch schlichten.

Abends gegen 22 Uhr attackierten sich die Eheleute körperlich. Der 35-Jährige riss seiner auf dem Boden liegenden Frau ein Büschel Haare aus; beide drohten, einander zu töten. Ein Nachbar, der wichtigste Zeuge im Prozess, brachte die Streitenden vorerst auseinander. Kurz nach Mitternacht gerieten sie aber wieder aneinander: Die 30-Jährige holte ein Steakmesser aus ihrem Zimmer. Damit stach sie von hinten auf den Schulterbereich ihres Mannes ein und fügte ihm eine mindestens vier Millimeter tiefe Wunde zu. Das Messer verfing sich dabei in der Kleidung des Mannes. Der hielt seine Frau fest und schlug sie. Als die 30-Jährige in ihr Zimmer flüchtete, folgte er ihr und stach drei Mal in Richtung ihres Oberkörpers. Er traf dabei aber nur die Oberarme und fügte seiner Frau mehrere Fleischwunden zu. Als das Messer anschließend zu Boden fiel, fixierte er seine Frau am Boden, ohne erneut mit der Waffe zuzustechen.

Keine oder nur bedingte Tötungsabsicht

Die Schwurgerichtskammer verurteilte den 35-Jährigen deshalb wegen gefährlicher Körperverletzung und nicht wegen versuchten Totschlags. Nach ihrer Überzeugung hätte der Mann "durch seine körperliche Überlegenheit die Möglichkeit gehabt, einen Tötungserfolg herbeizuführen". "Aber er ist von seiner Tötungsabsicht zurückgetreten", erklärte der Vorsitzende Richter Thomas Bott.

Der 30-jährigen Ehefrau warf er eine bedingte Tötungsabsicht vor. Der Messerhieb sei mit einer "nicht unerheblichen Wucht" und in einer "bedenklichen Angriffsrichtung" ausgeführt worden, urteilte der Richter. Die Frau habe erkannt, dass ihr Angriff prinzipiell zum tödlichen Erfolg hätte führen können. "Das nahm sie in Kauf." Die Frau wurde wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Das Gericht erkannte allerdings auf einen minder schweren Fall, weil die Frau "selbst einstecken" musste und der Verletzungserfolg sich in Grenzen gehalten habe.

Die 30-Jährige, die am ersten Verhandlungstag kollabiert war, weinte nach der Urteilsverkündung bitterlich. Die Hoffnung, frei zu sein und ihre Kinder wieder zu sehen, war innerhalb weniger Minuten geplatzt.

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